Workation: Neuer Tourismustrend für Regionen, Städte und Dörfer

01.03.2022
Gesellschaft, Wirtschaft

Workation_Coworking-LobbyHotel.Schani.Wien_Pressphotoby_Arnold.Poeschl

Holiday Office statt Home Office: Der Digitalisierungsschub der Pandemie brachte eine neue touristische Zielgruppe hervor. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff „Workation“ und wie bedient man diese Zielgruppe am besten?

Beinahe jede Büroarbeit ist mittlerweile ortsunabhängig möglich, solange ein Laptop, schnelles Internet und ein Schreibtisch vorhanden sind. Während der pandemiebedingten Homeoffice-Phasen mühsam erlernt, lässt sich der Trend zum „Remote Office“ aber auch für ganz neue, persönliche Freiheiten nutzen. Für eine Workation beispielsweise.

1. Was ist Workation?

Das aus den englischen Begriffen „work“ (Arbeit) und „vacation“ (Urlaub) zusammengesetzte Kofferwort ist die konsequente Fortführung des coronabedingten Homeoffice-Trends, auch wenn es den Begriff schon weit länger gibt. Workation etablierte mit den späten Nuller- bzw. beginnenden 2010er-Jahren als spannendes Work-Life-Konzept für reisefreudige Millennials, die ihr digitales Business ortsungebunden betreiben konnten.

Heute, zwei Jahre nach Ausbruch der Coronapandemie, kann de facto jeder Büromensch arbeiten und konferieren, von wo aus er kann und will. Der Grund hierfür liegt einerseits in der eigenen Kompetenz, die man sich in dieser Zeit aneignete. Also der Umgang mit Online-Konferenz-Tools und Cloud-Software.

Vor allem aber ermöglicht die flächendeckende Einführung der Remote-Arbeit überhaupt erst den digitalen Anschluss an Kollegen und Kunden. Derzeit wird diese Möglichkeit primär für das Arbeiten von zu Hause aus genutzt, das klassische Homeoffice. Doch warum eigentlich? Mobil zu sein schließt auch Orte mit ein, die man sonst nur im Rahmen einer Reise oder eines Urlaubs aufgesucht hätte.

2. Studie zum Workation-Trend

Laut einer Umfrage des Online-Reisebüros Expedia aus 2021 unter 8.000 Arbeitnehmern in Nordamerika und Europa, sehnen sich 49 Prozent derjenigen, die während der Pandemie im Homeoffice arbeiteten, nach einem Tapetenwechsel.

Nachvollziehbar, dass eine Mehrheit von 55 Prozent angaben, lieber von einem Urlaubsort aus zu arbeiten als zu Hause Urlaub zu machen. Die Jungen übrigens noch mehr als die Älteren. In der Generation Z (zwischen 1997 und 2012 Geborene) trifft dies auf 68 Prozent zu.

Sogar die büroaffinen Deutschen zieht es zum Arbeiten an Urlaubsorte. Jeweils rund ein Drittel der 1.000 deutschen Befragten wäre mit einer Workation-Möglichkeit im Unternehmen entspannter bzw. glaubt, dass eine Workation produktiver machen würde.

Der Support der Arbeitgeber scheint vorhanden. Fast die Hälfte (48 Prozent) der deutschen Studienteilnehmer glaubt, dass ihre Chefs sie dabei unterstützen würden, mal von einem anderen Ort aus zu arbeiten. Expedia selbst sah eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Langzeitaufenthalten von 15 bis 30 Tagen in den letzten Jahren. Man reagierte prompt mit einer eigenen Angebotsplattform für Workationer.

Dabei ist Workation nicht zu verwechseln mit der (eher ungesunden) Vermischung von „echtem“ Urlaub und Arbeit. Also beispielsweise die permanente Erreichbarkeit am Urlaubsort oder das dauerhafte Checken der Mails am Strand.

Es ist vielmehr eine temporäre Verschiebung des eigenen Lebensmittelpunktes für ein paar Wochen oder gar Monate, um von einem anderen Ort aus der alltäglichen Arbeit (digital) nachzugehen.

Workation (c) Pixabay
Workation (c) Pixabay

3. Wer ist die Zielgruppe?

Was zuvor also jungen, reiselustigen Digitalarbeitern ohne Anhang vorbehalten war, wird nun – beschleunigt durch den Digitalsierungsschub der Coronajahre – zur Option für eine riesige Gruppe an angestellten sowie selbstständigen Schreibtisch-Arbeitern. Drei Wochen Workation im Süden oder in den Bergen, in einer Metropole oder einem idyllischen Dorf, das geht problemlos auch mit Kind und Kegel.

Arbeitgeber, die gute Fachkräfte halten oder rekrutieren wollen, sind zunehmend willens, auch solche flexiblen Arbeitsformen zu ermöglichen. Insofern sind Workations auch im Angestellten-Verhältnis im Kommen.

Und schließlich wächst auch die Zahl der Solo-Selbstständigen, die vorwiegend am Computer arbeiten, munter weiter. Besonders in jenen Sparten, die durch die Digitalisierung in der Coronazeit einen Schub erhalten haben, wie etwa IT-Branche, wurden 2021 viele Gründungen verzeichnet. Für diese Gruppe ist Workation eine Möglichkeit, mal mehrere Wochen am Stück zu verreisen, ohne Risiko, durch die lange Abwesenheit Kunden zu verlieren.

4. Touristisches Potenzial

Kann Workation tatsächlich zu einem Massenphänomen werden? Viele Tourismus-Experten sagen ja und rechnen mit großen Zuwächsen ab dem Zeitpunkt, da die covidbedingten Reise- und sonstige Beschränkungen der Reihe nach fallen werden.

Also quasi: Ab jetzt. So wie die Verkehrsbüro-Vorständin Helga Freund, die schon im Vorjahr im Trend-Magazin prophezeite, dass Workation ein Trend sei, „der nach der Pandemie erst richtig losgehen wird.“

Touristisch sind Workationers aus mehreren Blickwinkeln eine interessante neue Gästezielgruppe. Remote-Arbeiter können beispielsweise:

  • die Nebensaisonen in touristischen Regionen beleben. Wer konzentriert arbeiten möchte, kommt eher nicht in der turbulenten Hauptreisezeit, sondern nutzt lieber die ruhigeren Phasen.
  • einen Kontrapunkt zum Fast Tourism schaffen, weil Workationers meist länger bleiben, die Stadt oder das Dorf eher wie Einheimische nutzen (Besorgungen, Sport, etc.) und ihre Aufenthalte oft auch länger im Voraus planen und buchen.
  • helfen, die Infrastruktur in der Stadt oder im Dorf auch für dort Wohnhafte zu modernisieren und zu attraktivieren. Co-Working-Spaces, schnelles W-Lan, neue Cafes und Shops, eine wachsende Zahl an Workationers kann nach und nach auch die Angebotsqualität vor Ort verbessern.

5. Was brauchen Workationers?

Zwei Schlüsselfaktoren sind es laut dieser Reisetrends-Studie in den Destinationen, die eine Workation überhaupt möglich machen. Und zwar ein stabiles und flächiges High-Speed-WLAN sowie einen ergonomischen Arbeitsplatz in ruhiger Atmosphäre.

Sofern diese Basics vorhanden sind, gibt’s natürlich ein breites Spektrum an infrastrukturellem Angebot, das von Vorteil ist. Jemand, der seinen Lebensmittelpunkt für mehrere Wochen oder gar Monate an einen anderen Ort verlegt, profitiert darüber hinaus. Beispielsweise von:

  • Nutzbaren Co-Working-Spaces mit voll ausgestatteter Büroinfrastruktur (zB Drucker, Beamer) und der Möglichkeit, Onlinemeetings abzuhalten oder mit anderen Co-Workern in Austausch zu kommen.
  • Einer Unterkunft, die genug Raum und Ausstattung bietet, um sich bei einem längeren Aufenthalt – eventuell sogar mit Partner oder Familie – wohlfühlen zu können. Zum Beispiel Ferienappartements, Ferienhäuser, Mobilheime etc.
  • Eine Lage mit Nähe zu Versorgungsinfrastruktur. Beispielsweise Supermarkt, Apotheke, Restaurants und Cafés, ebenso wie die Nähe zu Dienstleistungsbetrieben wie Wäschereien oder Lieferdiensten.
  • Zusätzliche Mobilitätsangebote wie Leihräder oder –scooter, Wochen- oder Kurzzeitkarten für Öffis.
(c) Kornel Mahl on Unsplash
(c) Kornel Mahl on Unsplash

6. Wo informieren sich Workationers?

Eine gut geplante Workation ohne technische Pannen oder unliebsame Überraschungen vor Ort ist die halbe Miete. So bleibt das Konzept für alle Seiten auch langfristig attraktiv. Die ersten Plattformen für diese Art zu Reisen haben sich schon gegründet. Von Ihnen kann man lernen was ein Ort oder eine Unterkunft für Workationers bieten muss.

In Österreich verfolgt der Verein CoworkationALPS die Vision, den Raum nachhaltig zu nutzen und das Potenzial neuer Arbeitswelten mit dem Freizeitwert und dem Flair der Alpen zu verbinden. Er kommuniziert Locations und Events. Es gibt weitere Portale im deutschsprachigen Raum, wie beispielsweise workationhub.de, www.workation.de oder die englischsprachige Plattform www.workation.com.

7. Beispiele touristischer Anbieter

Von Regionen bis einzelnen Unterkünften, von internationalen Hotelketten bis hochspezialisierten Anbietern. Workation als neuer Reisetrend ist längst im touristischen Angebotsportfolio angekommen. Zur Veranschaulichung hier eine kleine Auswahl an touristischen Anbietern aus dem In- und nahen Ausland.

Regionen, Städte, Dörfer

Spannend ist das Projekt in Chivasso, ein altes, zuvor verlassenes Bergdorf im Piemont, das seit dem Vorjahr als Workation Village für Gruppen- und Einzelworkations samt passender Infrastruktur vermarktet wird. Der deutsche Gründer Johannes von Hoyos hat bereits mögliche Nachfolgeprojekte quer durch Europa angekündigt.

Aber auch Südtirol positioniert sich touristisch bereits im Workation-Bereich, ebenso wie kleinere Regionen, etwa die Region Wilder Kaiser oder der Tourismusverband Attersee-Attergau. Auch Betriebe mit Workation-Fokus können den Trend in Ortschaften und Regionen befeuern. In St. Koloman in Salzburg werben die Betreiber der Tauglerei zusammen mit ihrem Co-Working-Space für „Zammworkerei in den Zauberbergen“.

Hotels und Hotelketten

Wenn das Preisgefüge stimmt, kann Workation auch für Hotels eine interessante Gästeschicht erschließen. Natürlich gibt es nur wenige Workationer, die sich beispielsweise zwei Monate die klassischen Doppelzimmerpreise leisten können. Es kann sich für Hotels aber durchaus lohnen, diesen Gruppen besondere Tarife anbieten zu können.

Schließlich ergibt sich daraus eventuell eine Buchung für mehrere Wochen! So haben sich auch schon einzelne Hotels mit ihrer dezidierten Workation-Tauglichkeit einen Namen gemacht. Dazu gehören in Österreich unter anderem das Mari Pop in Ried im Zillertal mit seinem hoteleigenen Co-Workingspace, der stunden- oder tageweise mietbar ist.

Ebenfalls ein klingender Name der Szene ist das Hotel Schani in Wien, ebenfalls mit eigenem Co-Workingspace samt Breakout-Rooms und Lobby-Galerie. Mit Co-Working und Co-Living in den Bergen wirbt man im 400 Jahre alten Mesnerhof C in Steinberg, Tirol. Für Hütten-Co Space und tolle Seminarräume gab’s schon den New-Work-Award und die Auszeichnung „Office of the year“ 2020.

Wo immer neue Trends entstehen, sind auch die großen Ketten nicht weit, um an diesem neuen Kuchen mitzunaschen. Sowohl TUI als auch Robinson haben mittlerweile eigene Workation-Labels.

8. Workation: Gekommen, um zu bleiben

Die Verbindung von Arbeit und Urlaub ist ein nicht zu leugnender, postpandemischer Tourismustrend. Davon können auch mittlere und kleinere Städte profitieren. Die Zielgruppe der Digitalarbeiter hat sich in der coronabedingten Home-Office-Ära um ein Vielfaches vergrößert. Arbeiten abseits des Büros ist alltäglich geworden.

Ein Ortswechsel  auch außerhalb der eigenen Urlaubszeiten wird nach den langen Lockdown-Möglichkeiten von vielen angestellten und selbstständigen Berufstätigen herbeigesehnt.

Mit wenig, aber guter Infrastruktur wie WLAN und Schreibtisch sowie einer leistbaren Unterkunft kann diese neue Zielgruppe erschlossen werden. Dadurch wird die Infrastruktur von Städten und Ortschaften nachhaltig beeinflusst. Erste Best-Practice-Beispiele angebotsseitig sind derzeit bereits in Österreich und den angrenzenden Ländern zu finden.

Denn eines ist klar: Auch wenn die Workationer nach ein paar Wochen wieder zurück in ihren „normalen“ Alltag ziehen, Workation als Trend ist gekommen, um zu bleiben.

Titelbild (c) Arnold Poeschl

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Edgar Eller

Selbständiger Unternehmensberater und Hochschullehrer.

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