Wintergastgarten – Unfug oder zeitgemäßer Bestandteil einer lebenswerten Stadt?
19.12.2017
Wirtschaft
19.12.2017
Wirtschaft
Von Oslo bis Athen, von Lissabon über Madrid, Paris, London, Berlin bis Prag und Budapest – in vielen europäischen Städten ist der Wintergastgarten schon lange eine Selbstverständlichkeit. Auch hierzulande gibt es bereits seit einigen Jahren in Graz, Salzburg und auch in den touristischen Wintersportorten ganzjährige Gastgärten.
Nach langem Tauziehen dürfen seit Anfang des Jahres nun auch die Wiener GastronomInnen ihre Gäste im Freien bewirten. Wir beleuchten in diesem Beitrag die aktuelle Stimmung in Bezug auf Wintergastgärten, insbesondere in Hinblick auf gesetzliche Rahmenbedingungen, Rauchverbot und Umweltproblematik.
Ob und wie lange ein Gastgarten während der Wintermonate geöffnet sein darf, ist auf Gemeindeebene geregelt. Seit der Reform der Gastgarten-Regelung ist für Schanigärten mit maximal 75 Sitzplätzen grundsätzlich keine Betriebsanlagengenehmigung mehr erforderlich. Eine Anzeige gemäß § 76a-Gewerbeordnung bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde ist ausreichend.
Soll der Gastgarten auf öffentlichem Grund errichtet werden, ist zusätzlich eine Bewilligung der Gemeinde erforderlich. So bedarf es beispielsweise in Linz zur Eröffnung eines Winterschanigarten einer eigenen Betriebsanlagengenehmigung. In Graz sind Wintergastgärten an die Erfüllung bestimmter Auflagen gebunden. Z.B. jederzeitige Abbaubarkeit, keine Einbauten und Installationen auf der öffentlichen Verkehrsfläche, keine Änderung an Fassadenabschlüssen und keine Beeinträchtigungen der Verkehrsfunktion. Ähnliche Auflagen gelten auch in Wien.
Weiters hat jede Gemeinde für den Betrieb von Gastgärten ein eigenes Tarifsystem. Hoch frequentierte Lagen bzw. Lagen mit hohen wirtschaftlichen Vorteilen und hoher Tourismusrelevanz kosten in der Regel mehr als das restliche Stadtgebiet.
Die mit der Bewilligung verbundenen Auflagen zielen darauf ab, die Interessen aller Beteiligten (GastronomInnen, Anrainer, Gäste, Jugendliche, Tourismus, Umweltschutz, etc.) zu berücksichtigen, verursachen jedoch für die Gastronomie teilweise problematische Einschränkungen, die den Wintergastgarten zu einer Minimal-Variante der im Sommer genehmigten Gastgärten machen.
Das gilt insbesondere für Wien, wo die Auflagen die anfängliche Freude der GastronomInnen trübt. Seit Jahresbeginn wurden daher bislang auch lediglich 174 Anträge für Wintergastgärten gestellt (Stand November 2017). Gründe für das verhältnismäßig geringe Interesse sind laut Wirtschaftskammer die Platz- und Zeitbeschränkungen. So stehen derzeit drei Varianten zur Auswahl:
Neben der geringen Größe der Winter-Schanigärten – vor allem in Hinblick auf die Anzahl der rauchenden Gäste – kritisieren GastronomInnen, dass die Schanigärten nur an der Häusermauer der Gastronomiebetriebe aufgebaut werden dürfen, und nicht wie im Sommer auf einer größeren Fläche in der Nähe des Lokals. Da zwischen Schanigarten und Straße mindestens zwei Meter für Fußgänger frei bleiben muss, ist für einige Gastronomiebetriebe ein Winter-Schanigarten an der Häusermauer nicht möglich.
Eine weitere Problematik ergibt sich durch die zeitliche Regelung. Ein Wintergastgarten darf nur bis 23 Uhr geöffnet sein und das Mobiliar muss anschließend weggeräumt werden. Da viele Lokale häufig auch nach 23 Uhr geöffnet sind, ist es für viele Betriebe schwierig, den Gastgarten bei vollem Haus zu schließen. Es fehlt das dafür nötige Personal und meist auch ein Lagerraum außerhalb der Lokalräumlichkeiten.
Dass diese Regelung auch an den Bedürfnissen der Gäste vorbeigeht, zeigen die Ergebnisse einer Falstaff-Onlineumfrage vom April dieses Jahres. Rund 800 LeserInnen des Magazins, also Restaurant-, Kaffeehaus- und BarbesucherInnen, nahmen an der Befragung teil.
„56 Prozent der Befragten stimmten für die völlige Abschaffung der Wintersperre, 19 Prozent dafür, dass es nur Stehtische geben soll, die am Abend weggeräumt werden, 15 Prozent für eine Verkürzung der Wintersperre von drei auf zwei Monate und neun Prozent für eine Minimalvariante an Hausmauern, die ebenfalls jeden Tag weggeräumt werden müssen.“
Letztlich kann man – zumindest aus Sicht der GastronomInnen und Gäste – nicht von einer befriedigenden Regelung sprechen. Peter Dobcak, Gastronomie-Obmann der Wiener Wirtschaftskammer, zeigt sich nach wie vor enttäuscht, vor allem „weil die Regelung zu einem sehr hohen Preis eingekauft wurde.
Dem dramatischen Anstieg der Schanigartengebühren für den Rest des Jahres.“ So stieg der Quadratmeterpreis eines Schanigartens in guter Lage etwa von 7,50 auf 20 Euro. Das werde nicht nur Folgen für den Winterschanigarten haben, sondern generell zu einem enormen Anstieg der Preise führen, um die Kosten decken zu können.
Für viele GastronomInnen in Wien wird der Winter-Schanigarten in dieser Form daher weniger ein Umsatzbringer sein, als vielmehr ein Imagegewinn und eine Serviceleistung für rauchende Gäste in Nichtraucherlokalen – zumindest bis 23 Uhr, danach heißt es wieder: Rauchen auf dem Gehsteig.
Die Forderung nach Wintergastgärten wurde vor allem im Zusammenhang mit dem ursprünglich für Mai 2018 vorgesehenen absoluten Rauchverbot in Lokalen heftig diskutiert. Viele GastronomInnen fürchten Umsatzeinbußen und sehen Wintergastgärten als Möglichkeit, um RaucherInnen auch in der kalten Jahreszeit einen angemessenen Aufenthaltsort zu bieten.
Dass die Skepsis der Gastwirte durchaus ihre Berechtigung hat, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Erhebung von KREUTZER FISCHER & PARTNER. Die repräsentative Befragung ergab einen Raucheranteil unter den Gästen von 38 Prozent. Zudem würden RaucherInnen Gastronomiebetriebe durchgehend häufiger frequentieren als Nicht-RaucherInnen. Denn der Raucheranteil unter den LokalbesucherInnen liegt mit 38 Prozent deutlich über dem Anteil der aktiven RaucherInnen in der österreichischen Bevölkerung (29 Prozent).
Aufschlussreich ist auch die Altersverteilung der LokalbesucherInnen. Denn von jährlich rund 604 Millionen Lokalbesuchen in ganz Österreich entfallen 70 Prozent auf Personen unter 45 Jahren (15-29 Jahre: 39 %, 30-44 Jahre: 31 %). Und bis zu diesem Alter liegt die Raucherquote bei durchschnittlich knapp 37 Prozent.
Da nun das absolute Rauchverbot gekippt wurde, könnte man meinen, die Diskussion um den Wintergastgarten als „Zufluchtsort“ für RaucherInnen wäre in diesem Zusammenhang vom Tisch. RaucherInnen können vorerst weiterhin in abgetrennten Räumlichkeiten rauchen, allerdings werden dafür Raucherlokale für Jugendliche unter 18 Jahren tabu (Berliner Modell). Und genau dieser Passus bringt nun viele GastronomInnen erneut unter Druck.
Denn das bedeutet, dass WC-Anlagen und Eingang künftig direkt im Nichtraucherbereich liegen müssen. Das zwingt viele GastronomInnen und vor allem Discos (wieder) zu baulichen Maßnahmen – oder zu einem gänzlichen Rauchverbot in ihren Lokalen. Und damit bleiben wohl auch in Zukunft (beheizte) Wintergastgärten eine attraktive Ausweichmöglichkeit für rauchende Gäste. Und damit sind wir beim nächsten Punkt, der die Gemüter erhitzt – die Beheizung von Wintergastgärten.
Ob es nun RaucherInnen sind, die den Wintergastgarten nutzen, oder Gäste, die einfach nur einen schönen Wintertag draußen genießen möchten, in einem mit Heizschwammerln beheizten Wintergastgarten lässt es sich einfach angenehmer verweilen.
Aus Umweltschutzgründen ist das allerdings problematisch. Kritiker argumentieren, dass sich Österreich verpflichtet habe, Klimaschutzziele zu erreichen und daher nicht gleichzeitig mehr und mehr Heizstrahler in Gastgärten zulassen könne. Außerdem seien Außenheizungen äußerst ineffizient und der Stromverbrauch enorm.
Jede Außenheizung wäre eine zu viel, wenn man elektrische Energie sparsam, effizient und sinnvoll einsetzen möchte. In der Gastronomie bewertet man das Thema „Energiefresser“ neutraler. So argumentiert etwa Landtmann-Chef Berndt Querfeld, dass eine Gastro-Kaffeemaschine pro Stunde mehr Strom benötige als drei Wärmepilze. Außerdem wären Winterschanigärten kein Massenphänomen.
Aus Sicht des Umweltschutzes bleiben aber letzlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder ein Verbot von Freiluftheizungen aus Klimaschutzgründen, oder schmerzhafte Lenkungsabgaben, die eine deutliche Reduzierung der installierten Leistung bringen. In Wien fiel die Entscheidung auf die zweite Variante, mit deutlichen Mehrausgaben für die GastronomInnen.
Wenn der Schanigarten beheizt werden soll, sind für die benötigten Heizstrahler Genehmigungen einzuholen und 57 Euro pro begonnener 4 kW Nennanschlussleistung pro Jahr zu bezahlen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist natürlich auch, wie die Bevölkerung zu Heizstrahlern in Winterschanigarten steht. Das Marktforschungsunternehmen meinungsraum.at kam im Zuge einer Befragung zum Thema „Energiesparen“ zu folgendem Ergebnis:
„Mehr als jeder zweite Wiener (56%) findet beheizte Schanigärten aufgrund des hohen Energieverbrauchs (eher) nicht gut und würde auch (eher) keinen nutzen. Für nur 17% ist der Vorteil eines beheizten Schanigartens (eher) größer als die Nachteile. Mit einem Mittelwert von 2,3 lehnen die WienerInnen beheizte Schanigärten tendenziell eher ab.“
Behördliche Einschränkungen zum Wohle der AnrainerInnen lassen lediglich abgespeckte Schanigarten-Varianten im Winter zu. Umweltschutzauflagen und hohe Tarife – vor allem in Wien – tun ihr Übriges, um das Interesse vieler GastronomInnen schwinden zu lassen. Allerdings scheint in Wien von Seiten der Gastronomievertretung noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.
Auch bleibt abzuwarten, wie sich die neue Rauchverbotsregelung in Hinblick auf Wintergastgärten auswirken wird. Derzeit sieht es jedenfalls nicht so aus, als würden Wintergastgärten in Österreich ein Massenphänomen werden.
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