Wie Städte immersive Technologien sinnvoll für sich nutzen können
04.07.2024
Gesellschaft, Trends
04.07.2024
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Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Extended Reality (XR) – allesamt immersive Technologien – bieten spannende Möglichkeiten in der Kommunikation zwischen Stadtverwaltungen und Bürgern. Diese Technologien können den Informationsaustausch und die Bürgerbeteiligung revolutionieren, indem sie komplexe städtische Daten und Planungen auf innovative und interaktive Weise visualisieren. Die virtuelle Stadt wird damit zur inklusiven Stadt, in der auch mobil eingeschränkten BürgerInnen die Teilnahme an Partizipationsprozessen ermöglicht wird.
Statista analysiert, dass die steigende Nachfrage nach den innovativen Technologien AR und VR und die zunehmende Akzeptanz solcher Anwendungen hat in den letzten Jahren in Österreich zu einem beeindruckenden Wachstum geführt. Insbesondere junge Menschen nutzen AR & VR-Anwendungen in Bereichen wie Gaming, Bildung und Unterhaltung.
Die Nutzung von AR und VR in Österreich verzeichnet einen deutlichen Anstieg, besonders in den Bereichen Gaming, Bildung und Nutzung im industriellen Sektor. Diese Technologien bieten innovative Möglichkeiten, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen Informationen wahrnehmen und mit ihrer Umgebung interagieren. Unternehmen stellen MitarbeiterInnen die Nutzung von immersiven Technologien zur Verfügung; denn die Anschaffung der Brillen ist noch immer teuer.
Digitalisierungsprozesse können die politische Teilhabe beeinflussen und verändern. Um möglichst demokratische Entscheidungen zu fällen, sollen BürgerInnen aus der Rolle der Zuhörenden heraustreten, selbst aktiv werden und sich mit anderen austauschen. Neben E-Lobbyangeboten, E-Petitionen und anderen Online-Partizipationsaktivitäten soll es hier nun um eine Form der potenziellen Bürgerbeteiligung gehen, die mithilfe von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) verwirklicht werden kann.
Neben den Regierungsverantwortlichen der Städte können demografisch relevante Bevölkerungsteile ohne zwingend vorhandene Fachkenntnisse in politische Verfahren mit einbezogen werden. Wir ermöglichen BürgerInnen damit die direkte Beteiligung an demokratischen Entscheidungsfindungen. Sie müssen die Forschungsansätze und Vorhaben nicht zwangsläufig auf wissenschaftlichem Niveau verstehen. Vielmehr können sie durch den Einsatz von AR und VR in eine Zukunftssimulation einsteigen und beispielsweise eine mögliche FußgängerInnen-Perspektive oder ForscherInnen-Perspektive einnehmen und diese Eindrücke dann kommentieren und sogar weitere Vorschläge einbringen.
In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Deutschland geförderten Forschungsprojekt “Take Part”, das von 2018 bis 2021 stattfand, wurde AR und VR in ein BürgerInnenbeteiligungskonzept integriert. Das Team bestand aus mehreren Forschungseinrichtungen. Die im Projekt entwickelte App ermöglicht das Abstimmen und Diskutieren der BewohnerInnen zu Bauvorhaben oder anderen Themen. Mit einer solch einfachen und niederschwelligen Beteiligungsform will man Konflikte hinsichtlich Stadtbebauungsplänen durch frühzeitige Einbeziehung und Kommunikation vermeiden.
Eine frühzeitige Beteiligung ist wichtig: Eines der wichtigsten Aspekte bei der Einladung zur virtuellen Partizipation: früh die Bevölkerung eingeladen, sodass die Partizipation nicht erst während der Bauumsetzung stattfindet! Beim Einsatz von AR wurde bei ‚Take Part‘ die Umgebung mit virtuellen Elementen ergänzt (beispielsweise mit Texten oder Bilder). Bei der VR Version tauchen die TeilnehmerInnen in eine komplett neue interaktive Welt ein. Die Take Part-App ist in der Lage, nachdem man bestimmte Marker gescannt hat, Visualisierungen der geplanten Objekte (z.B. einer Brücke oder einem Schild) über das Smartphone anzuzeigen.
Das VR-Projekt Mindspaces, ausgezeichnet von S+T+AR+TS, zielte darauf ab, durch den Einsatz von Virtual Reality urbane und architektonische Räume zu erforschen und neu zu gestalten. Es brachte Künstler, Architekten, Designer, Ingenieure und Wissenschaftler zusammen, um innovative Lösungen für städtische Herausforderungen zu entwickeln und die Lebensqualität in Städten zu verbessern. Mindspaces ermöglichte es Bürgern, aktiv an der Stadtplanung teilzunehmen und nachhaltige, datengestützte Modelle für zukünftige Bauprojekte zu visualisieren. Das Ergebnis des Projekts war die Schaffung partizipativer und kreativer Plattformen, die städtische Räume lebenswerter und nachhaltiger gestalten.
Fakt ist: Je häufiger BürgerInnen von den neuen technischen Möglichkeiten erfahren und je inklusiver Städte werden und Menschen – auch jene, die mobil eingeschränkt sind – in Entscheidungsprozesse einladen wollen, desto mehr stehen auch öffentliche Bauvorhaben unter Druck, diese interaktive Beteiligung zu nutzen. Es ist also denkbar, dass zukünftig öffentliche Bauvorhaben regelmäßig zur VR und AR Technik greifen.
Man muss nicht mehr nach ins Silicon Valley oder nach London und Berlin gehen, um hochqualitative Inhalte produzieren zu lassen. Im Gespräch mit Andreas Fraunberger, Extended Reality Producer und Founder bei Junge Römer, erfahren wir, dass seine Wiener Agentur zunehmend immersive Erlebnisse für internationale Marken, wie Red Bull, Ikea und Hilti erstellt.
„Immersiv bedeutet, dass Konsumenten in eine Geschichte einer Marke eintauchen, in der sie sich unmittelbar emotional berührt fühlen und sich dieses Erlebnis merken“, erklärt Fraunberger. Das Eintauchen kann entweder digital traditionell über den Laptop passieren, wo im Unterschied zu ‚normalen Videos und Webseiten‘ besonders interaktive Erlebnisse abgehen. Dann gibt es auch Augmented Reality Erlebnisse übers Smartphone und natürlich Mixed Reality. Hier wird die Wirklichkeit mit Hilfe von Mixed Reality Devices erweitert, z.B. mit der Apple Vision Pro als Hardware. Einfach gesagt: Während bei der VR mittels einer Brille eine Realumgebung durch eine simulierte ersetzt wird, werden bei der AR der realen Umgebung digitale Elemente hinzugefügt.
Ziemlich jeder erwachsene Mensch hat ein Smartphone, und damit kann man Augmented Reality gut erlebbar machen. Es wird geschätzt, dass derzeit etwa 8 % der Österreicher im Besitz einer VR-Brille sind. Diese Zahl ergibt sich aus den zunehmenden Verkaufszahlen und der wachsenden Akzeptanz von Virtual Reality sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Die Anwendungen reichen von Unterhaltungszwecken über Bildung bis hin zu medizinischen und industriellen Anwendungen, was die Verbreitung dieser Technologie weiter fördert (Forbes DA).
Fraunberger: „Die Verkehrsbetriebe Tirol haben einen etwas unfreundlich wirkenden zentralen Busbahnhof auf eine außergewöhnliche Weise neu gestaltet. In der Weihnachtszeit wurde der Platz mit Plakaten versehen, auf denen ein QR Code zu sehen war und dem Aufruf, diesen mit dem Smartphone zu scannen. Die User wurden daraufhin auf ihrem Smartphone in eine AR Experience geführt, in der eine Weihnachtswelt erlebbar war. Wenn man durch den Bildschirm auf den Busbahnhof blickte, wurde dieser mit weihnachtlichen Geschichten ‚schöner gemacht‘.“
Andreas Fraunberger erklärt: „AR zum Beispiel erlaubt mir, Dinge zu sehen, die ich mit normalem Auge nicht sehe. So kann man z.B. historische Landmarks mit AR erweitern. Nehmen wir das Beispiel einer berühmten Statue. So kann man diese durchs Smartphone betrachten und plötzlich poppen Informationsschichten mit Hinweisen auf spezifische Elemente der Statue auf, z.B. Schaffen der Person, KünstlerIn der Statue, die Statue zitiert ein Gedicht oder erzählt von der Geschichte der Stadt anno dazumal. Oder man zeigt eine Radstrecke dort, wo sich derzeit noch eine stillgelegte Bahntrasse befindet. Man könnte auch die Nutzung leerstehender Industrieanlagen vorschlagen, indem der Ort virtuell mit Schichten unterschiedlicher Ideen überlagert wird und die BürgerInnen zur Abstimmung einlädt. In der Industrie könnte ein Produkt besser wartbar werden, indem man mit AR einfache Wartungen für jedermann erklärbar macht, ohne dass weite Strecken durch einen Experten zurückgelegt und vom Auftraggeber bezahlt werden müssen.“
Bei meinem Besuch in Pompeii vor einige Wochen konnte ich über so eine AR Anwendung die Stadt wie vor 2000 Jahren sehen. Ein faszinierendes Erlebnis, das sicher nachhaltig in meinem Gedächtnis verankert ist. Während ich bei einem Ausflug in die Sonnentherma Lutzmannsburg an diesem Blogartikel schreibe, begibt sich mein Sohn auf eine Virtual Reality Wasserrutsche 202 Meter und rund eine Minute lang durch eine aufregende Safari-Welt und 5 Minuten später flitzt er vorbei an Drachen und Piraten. „Wie war das?!“, frage ich ihn. Vom Frühpubertierenden bekomme ich ein: „Recht cool“ hingeworfen, was eigentlich „unglaublich abgefahren“ heißt.
Fraunberger: „Meine Erfahrung sagt ja. Es braucht einen call to action, eine Kampagne, einen Informationsbedarf der Bevölkerung. QR codes mit call to action sind eine sehr beliebte Form der Einbindung, weil die Nutzung so einfach ist. Man hält das Smartphone auf den QR code, drückt drauf und ist sofort im AR Erlebnis.“ Wie weiß man, dass so etwas erfolgreich ist? Fraunberger antwortet: „Man kann die Aufrufzahlen der App testen, die Interaktionszahlen und die Verweildauer. Oft werden auch Befragungen durchgeführt. Wenn sich die Konsumenten die Erlebnisse gut gemerkt haben, war die Kampagne erfolgreich; vor allem, wenn ich als TeilnehmerIn nicht nur etwas anschaue, sondern auch meine Motorik einsetze, d.h. etwas steuere, etwas berühre. Das aktiviert das Gedächtnis nachhaltiger, d.h. die TeilnehmerInnen merken sich die Inhalte besser.
1. Immersive Technologien können die soziale Interaktion verbessern
VR kann die soziale Interaktion verbessern, indem sie eine Plattform bietet, auf der Menschen in einem virtuellen Raum miteinander in Kontakt treten können. In einer virtuellen Welt können Menschen über Körpersprache, Gestik und Mimik miteinander kommunizieren. Dies ermöglicht eine immersivere und natürlichere Interaktion, die bei einem herkömmlichen Videoanruf möglicherweise nur schwer zu erreichen ist. Facebook Horizon ist beispielsweise eine soziale Virtual-Reality-Plattform, die es Benutzern ermöglicht, in einem virtuellen Raum miteinander zu interagieren. Benutzer können gemeinsam Spiele spielen, die virtuelle Stadt erkunden und an Veranstaltungen teilnehmen.
2. Immersive Technologien können Empathie fördern
Besonders VR kann auch die Empathie von BürgerInnen fördern, indem sie den Nutzern das Erleben unterschiedlicher Perspektiven ermöglicht. In einer virtuellen Umgebung können Nutzer in die Rolle einer anderen Person schlüpfen und deren Leben aus deren Sicht erleben. Dies kann den Benutzern helfen, ein besseres Verständnis für andere Stakeholder (z.B. die Unternehmerseite oder jung:alt und umgekehrt, etc.) zu entwickeln und Empathie zu fördern.
In einem Interview mit Hannes Kaufmann, Professor für Virtual und Augmented Reality der TU Wien zum Einsatzbereich von VR und AR meint dieser: „Wir forschen an Anwendungen wie Trainings für die Feuerwehr und andere Einsatzkräfte. Dieser Bereich ist für große Hersteller wie Microsoft oder Qualcomm nicht interessant, aber für die Gesellschaft ist er enorm wichtig. Wir betreiben viel Forschung in Zusammenarbeit mit Klein- und Mittelunternehmen in Österreich (KMUs), die Forschungsaufgaben an uns herantragen. Wir arbeiten auch mit der Industrie zusammen im Bereich „Digital Twin“: In großen, begehbaren virtuellen Umgebungen kann die Einschulung von MitarbeiterInnen an Maschinen stattfinden, bevor diese Anlagen real vorhanden sind. Wir haben weiters VR-Produktpräsentationen von großen Backmaschinen entwickelt (die schon aus Platzgründen nicht in einen Schauraum passen würden).“
Prof. Kaufmann fährt fort: „Mir persönlich ist es wichtig, mich mit ernsthaften VR/AR – Anwendungen zu beschäftigen, zum Wohl der Gesellschaft. Wenn wir Anwendungen für Rettungsleute oder im medizinischen Bereich entwickeln, lernen wir viel durch die Diskussion mit den AnwenderInnen. Wir haben zum Beispiel ein Trackingsystem für Tunnel entwickelt. Dabei lassen sich im Tunnel auf große Distanz die Position von Maschinen genau verfolgen. Dieselbe optische Positionierungstechnologie kann natürlich auch für andere Zwecke verwendet werden z.B. in der Rehabilitation für die Erfassung und Analyse der Bewegungen von Patienten.“
Wie wichtig digitaler Fortschritt sowie Handlungs- und Reaktionsspielräume sind, wurde durch die Corona-Pandemie noch einmal verdeutlicht. Die öffentliche Infrastruktur ist vor allem in Krisenzeiten enorm wichtig.
VR und AR werden daher vermutlich immer häufiger eingesetzt. Kritisch muss allerdings der juristische Rahmen betrachtet werden. Beispielsweise eignet sich das Partizipationssystem Take Part eigentlich nur für private Bauprojekte. Für öffentliche Vorhaben fehlen oftmals noch Regularien; es müsste im Baurecht geregelt werden, dass der Wille der InitiatorInnen für ein Bauprojekt nicht entscheidend ist, sondern alle möglichen Lösungswege als bindend anerkennt.
Wie wird man VR/AR Designer? Die Lehrveranstaltungen zu Virtual- and Augmented Reality sind inzwischen fester Bestandteil in den Masterstudien „Visual Computing, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster“ und „Media and Human-Centered Computing, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster“ an der TU Wien. Das neue Bachelorstudium Informatik (seit Oktober 2023) erlaubt eine Spezialisierung „Visual Computing“ schon ab dem 2. Semester. Prof. Kaufmann ergänzt: „Die Jobaussichten für Studierende im Bereich VR/AR, sowie im gesamten Visual Computing Umfeld exzellent sind. Wir bekommen laufend Jobanfragen von Firmen nach AbsolventInnen. Um einen Kollegen zu zitieren: Innerhalb von drei Stunden bekommt man einen Job.“
Lesen Sie auch diese Beiträge zum Thema: https://www.stadtmarketing.eu/nachhaltige-stadtentwicklung/bzw. https://www.stadtmarketing.eu/augmented-und-digital-realities/
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