Wie Public Viewing die Innenstädte belebt
11.07.2024
Innenstadtbelebung, Kultur
11.07.2024
Innenstadtbelebung, Kultur
Zur Fußball-Europameisterschaft 2024 boomen Public Viewing Events. Aber auch kulturelle Veranstaltungen werden auf Großleinwänden übertragen. Neben dem gemeinschaftlichen Erlebnis bringen die Public Viewings für Innenstädte deutlichen wirtschaftlichen Mehrwert.
Der Begriff Public Viewing hat sich zu Beginn der 2000er Jahre, im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, im deutschen Sprachgebrauch etabliert. Es ist ein Scheinanglizismus, der die öffentliche Vorführung von sportlichen oder kulturellen Ereignissen auf großen Leinwänden bezeichnet. Im Englischen sagt man „public screening“ oder „live screening“ dazu.
Public Viewing Veranstaltungen sind mehr als nur Gelegenheiten, Sportevents auf Großbildschirmen zu verfolgen. Sie haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Frequenz, die Atmosphäre und die Nutzung öffentlicher Räume in Innenstädten. Während der Fußball-EM 2024 zeigte sich dies besonders deutlich in Deutschland, wo die Innenstädte von einem regelrechten Besucheransturm profitierten.
Eine Analyse von IFH KÖLN und hystreet zeigt, dass während der Fußball-EM 2024 mehr Besucher:innen als üblich die deutschen Innenstädte frequentierten. In den Austragungsorten der Spiele (München, Berlin, Hamburg, Leipzig, Köln, Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt) wurden alleine am ersten Turnier-Wochenende mehr als eine halbe Million Menschen zusätzlich in den Stadtzentren gezählt.
Zugleich profitierten auch andere Städte, die keine Spiele ausrichten. Viele verzeichneten höhere Passantenfrequenzen, was laut Studie auch auf zahlreiche Begleitveranstaltungen zurückzuführen sei. Vor allem Städte, in denen die Fußballspiele zwecks Public Viewing auf einer Leinwand übertragen wurden, verzeichneten höhere Besuchszahlen.
Public Viewing Events schaffen eine besondere Stimmung, die Menschen aller Altersgruppen aus allen sozialen und kulturellen Schichten zusammenbringt. „Menschen kommen im städtischen Raum zusammen, um ein stimmungsvolles Gemeinschaftserlebnis zu haben“, sagt der Sportsoziologe Robert Gugutzer von der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Streng genommen geht es also gar nicht um den Sport an sich: „Die Menschen nehmen daran teil, um eine besondere Stimmung zu erleben.“
„Moderne Gesellschaften sehnen sich nach Gemeinschaftsgefühlen“, ist Thomas Alkemeyer, Professor für Sportsoziologie an der Uni Oldenburg überzeugt. Große Sportveranstaltungen und Public Viewing lassen etwas Einzigartiges erleben, was man im Alltag nicht hat: „Da wird gewissermaßen eine Lücke zwischen den privaten Lebenswelten, in denen man doch sehr individualisiert lebt, und der großen Öffentlichkeit fühlbar und spürbar geschlossen.“ Das schaffe ein Zugehörigkeitsgefühl, sagt der Sportsoziologe.
Public Viewing Veranstaltungen verwandeln den öffentlichen Raum in Innenstädten zu lebendigen Treffpunkten. Diese intensive Nutzung von Plätzen, die ansonsten vielleicht ungenutzt blieben und leer stünden, kann langfristig dazu führen, dass sich das Image und die Wahrnehmung der Innenstadt positiv verändern.
Public Viewing Veranstaltungen während großer Sportevents haben nicht nur eine soziale, sondern auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für Städte und Gemeinden. Von Umsatzsteigerungen im Einzelhandel und in der Gastronomie bis hin zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Nutzung lizenzfreier Übertragungsmöglichkeiten – die positiven Effekte sind vielfältig und weitreichend. Hier sind einige spezifische Auswirkungen, die Public Viewings auf lokale Wirtschaften haben.
Sportevents, die öffentlich übertragen werden, zeigen deutliche wirtschaftliche Auswirkungen. Einzelhandel und Gastronomie in betroffenen Städten berichten von einem deutlichen Umsatzplus, wie Leadersnet.de berichtet. Denn das Mehr (Meer) an Menschen, das in die Innenstädte strömt, geht vor, während oder nach dem Public Viewing essen und trinken.
Die erhöhte Frequenz in den Fußgängerzonen steigert außerdem die Wahrscheinlichkeit für Spontankäufe. Laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer Wien planten sechs von zehn Wiener:innen (60 Prozent) im Zusammenhang mit der Europameisterschaft Einkäufe im Wiener Einzelhandel.
„Sportliche Großereignisse wirken sich erfahrungsgemäß gut auf die Stimmung und Konsumlaune aus. Im Schnitt geben die Wiener:innen, die die Matches verfolgen, etwa 140 Euro aus. Insgesamt lassen sich für den Wiener Einzelhandel gut 117 Millionen Euro Umsatz durch die EM 2024 prognostizieren“, so Margarete Gumprecht, Obfrau der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Wien.
Durch zusätzliche Arbeitsplätze während der Public Viewing Veranstaltungen wird die lokale Wirtschaft gefördert. Gastronomiebetriebe in der Innenstadt stellen mehr Personal ein, um einen möglichen Ansturm zu bewältigen. Auch im Eventmanagement und der Sicherheitsbranche entstehen zusätzliche Jobs.
Jede Stadt oder Gemeinde darf Großbildwände aufstellen und Fußballspiele lizenzfrei übertragen, wenn die Veranstaltung öffentlich und nicht kommerziell ist. So lautet die Public-Viewing-freundliche Regelung der FIFA. Falls die TV-Übertragung durch Sponsoren finanziert wird oder Eintritt verlangt wird, muss der Veranstalter allerdings eine Lizenzgebühr zahlen, deren Höhe sich nach der Anzahl der Zuschauer:innen richtet. Der Verkauf von Snacks und Getränken ist erlaubt.
Public Viewing Veranstaltungen haben weitreichende positive Effekte, die über die unmittelbaren wirtschaftlichen Gewinne hinausgehen. Sie können zusätzliche Gäste und Ausflügler anziehen. Zudem profitieren Städte auch langfristig, etwa von Investitionen in Infrastruktur für die großen Sportevents.
Public Viewing Veranstaltungen können langfristig positive Effekte auf die Gästefrequenz haben. Denn eine Stadt, die für ihre lebhaften und gut organisierten Events bekannt ist, profitiert auch imagemäßig und zieht langfristig mehr Besucher:innen an. Diese besuchen nicht nur die Veranstaltungen, sondern entdecken auch andere Attraktionen der Stadt, was zu einer nachhaltigen Steigerung der Besuchszahlen führt.
Um große Public Viewing Veranstaltungen erfolgreich durchzuführen, können Investitionen in die städtische Infrastruktur nötig sein: verbesserte Verkehrsverbindungen, verbesserte Stromversorgung, Sicherheitsmaßnahmen und die Pflege öffentlicher Plätze. Solche Investitionen kommen der Stadt langfristig zugute, indem sie die Attraktivität der Innenstadt erhöhen. Zudem werden dadurch auch weitere Veranstaltungsformate zur Bespielung der Innenstadt ermöglicht.
Die Kultur der Public Viewings wurde vom Fußball begründet, ist aber längst auch in kulturelle Kontexte vorgedrungen. Neben anderen Hebeln, wie man mit Kultur die Innenstadt beleben kann, werden mittlerweile auch mit öffentlichen Übertragungen von Musik, Film, Festspielen oder Literatur werden Besucher:innen in die Innenstädte gelockt. Einige entsprechende Beispiele sind:
Das Film Festival bringt jeden Sommer (heuer ab 29. Juni 2024) musikalische Hochkaräter aus Oper, Klassik, Jazz und Pop/Rock sowie kulinarische Genüsse auf den Rathausplatz in Wien. Allabendlich werden Produktionen aus verschiedensten Genres über die 300-Quadratmeter-Leinwand flimmern. Die Gastro-Meile lädt zu einer kulinarischen Weltreise mit frisch zubereiteten, internationalen Speisen von 11 Uhr bis Mitternacht. Eintritt frei.
Eine großartige Option, um Fußball zu schauen und gleichzeitig Straßenkunst zu genießen ist das ARTmosFlair Festivals in der Linzergasse (ehemals „Linzergassenfest“) in der Stadt Salzburg. Auf allen Plätzen der rechten Altstadt und in allen Gassen rund um die Linzergasse wird es am ARTmosFLAIR verschiedenste musikalische, artistische und kulinarische Leckerbissen zu genießen geben. Mittendrin stehen Leinwände auf denen die Fußballmatches übertragen werden. Freier Eintritt.
Die Siemens Fest>Spiel>Nächte in Salzburg und Bayreuth stellen die größten kulturellen Public Viewing Angebote Europas dar. Auf Großbildleinwänden auf zentralen Plätzen der Städte flimmern vergangene und aktuelle Highlights der Salzburger bzw. der Bayreuther Festspiele – „Gratis-Festspiele“ für jedermann und jede Frau, die keine Karten mehr ergattern konnten.
Als öffentlich gefördert Kultureinrichtung macht die Wiener Staatsoper die Kunst des Musiktheaters einem breiten Publikum zugänglich. Nach dem Motto „Oper live am Platz“ wird der Herbert von Karajan Platz in Wien von Ende März bis Juni, und dann wieder im September zum Public Viewing Treffpunkt für Opern- und Ballettfreunde. Sobald die Termine für die kostenfreien Open Air Veranstaltungen feststehen, sind sie auf der Webseite der Staatsoper zu finden.
Das Südtirol Festival Meran bietet von August bis September ein vielseitiges Programm mit hochkarätigen musikalischen Darbietungen von Klassik, Romantik und Barock bis hin zu Neuer Musik, Jazz und Weltmusik. Im Vorfeld, beim „pre festival“, werden Konzertfilme am Thermenplatz in Meran bei freiem Eintritt vorgeführt.
Bei den Tagen der Deutschsprachigen Literatur (aka „Bachmannpreis“), die immer Ende Juni in Klagenfurt über die Bühne gehen, werden die Autorenlesungen sowie die Jurydiskussionen aus dem TV-Studio auf Großbildleinwänden in den Garten des Studios bzw. in den Klagenfurter Lendhafen übertragen.
Public Viewing Veranstaltungen sind mehr als ein kurzfristiges, gemeinschaftliches Sporterlebnis. Sie sind ein Schlüssel für belebte Städte. Public Viewing zieht Menschen in die Innenstadt, trägt erheblich zur Belebung bei und bietet langfristige positive Auswirkungen.
Durch die Kombination von sozialer Interaktion und wirtschaftlichem Aufschwung bieten sie einen Mehrwert, der weit über das Event selbst hinausgeht. Städtische Verantwortliche sollten die Bedeutung solcher Veranstaltungen erkennen und fördern, um das volle Potenzial für ihre Innenstädte auszuschöpfen.
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