Mehr Glück für BürgerInnen: Wie Sie in Ihrer Stadt die positiven Kräfte stärken können
19.01.2021
Gesellschaft
19.01.2021
Gesellschaft
Seit fast einem Jahr befindet sich Österreich im Ausnahmezustand. Das gesellschaftliche Leben hat sich verändert, viele Existenzen sind durch die Folgen der Covid-19-Maßnahmen ruiniert. Was wir jetzt flächendeckend brauchen, sind neue Initiativen und die Stärkung der positiven Kraft, um neuen Dynamiken ins Rollen zu bringen. Von der Gemeinde geförderte Lebensberatung für alle, Glückstraining an Schulen, Glückswanderungen, Wettbewerbe und mehr: Wir empfehlen folgende Maßnahmen, die Sie in Ihrer Stadt/Gemeinde sofort umsetzen können.
Der Lockdown wird zum Dauerzustand und Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Eltern, Alleinerziehende, Angestellte, Singles, Senioren, Freiberufler und Unternehmer kommen spätestens jetzt an ihre Grenzen – bei vielen wurden diese längst überschritten.
Diverse neue Studien zeigen, dass psychische Erkrankungen wie Sucht und Depressionen seit dem ersten Lockdown vor rund einem Jahr deutlich zugenommen haben, so zum Beispiel eine Studie der Donauuniversität Krems:
Von den 445 Studienteilnehmern lagen 4,7 Prozent schon während des ersten Lockdowns über dem Schwellenwert für Depression. Nach dem Lockdown lagen insgesamt 8,8 Prozent darüber. Besonders betroffen von erhöhter depressiver Symptomatik jene, die im Lockdown erhöhtes Stresserleben in Kombination mit verstärkter Einsamkeit durchlebt hatten.
Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und wir befinden wir uns bereits im dritten Lockdown. Das Ende dessen ist ungewiss.
Was können Sie als Stadt und Gemeinde nun tun, um die Stimmung bei den Menschen zu verbessern und für möglichst viele positive Erlebnisse zu sorgen und unterstützende Gefühle zu stärken?
Wichtig ist, die Problem-Dynamik zu unterbrechen und konkrete Hilfe für Krisensituationen und Veränderungen anzubieten. Denn Krisen haben das Merkmal, dass gewohnte Bewältigungsstrategien nicht mehr greifen. Es müssen also neue zum Einsatz kommen. Wir haben uns umgehört und Ideen gesammelt, die einfach umsetzbar sind.
Der Verband der Österreichischen Lebens- und SozialberaterInnen hat ein Konzept erarbeitet, in dem jede Familie eine über die Stadt/Gemeinde geförderte Lebensberatung oder Krisenintervention zuhause in Anspruch nehmen kann. „Unter den vorgeschriebenen Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen kommen die österreichischen Lebens- und SozialberaterInnen im mobilen Dienst auch zu den Familien für Beratungen, Coachings und Kriseninterventionen nachhause“, sagt Harald Janisch, Obmann der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung der WK Wien und Gründungsmitglied des Verbandes der Österreichischen Sozial- und LebensberaterInnen ÖVLSB. „LebensberaterInnen sind für Krisen, Konflikte aber auch für Prozesse der Veränderung und Neuorientierung in allen Lebensbereichen durch eine mehrjährige Ausbildung, die rund 1.400 Stunden umfasst, bestens ausgebildet. Sie können durch Sofort-Intervention sowie psychologische und psychosoziale Beratung in Krisen und Veränderungsprozessen professionell begleiten.“
Zum Einsatz kommen dabei unter anderem Methoden aus der positiven Psychologie, der systemischen Beratung, aber auch Imaginationen und verhaltensmodifizierende Ansätze aus dem Coaching sowie tiefenpsychologische Interventionen, die oft auf überraschende Weise neue Erkenntnisse liefern und den Weg frei machen, um die eigenen Ressourcen zu nützen und zu stärken und tatkräftig und zuversichtlich in die Zukunft zu gehen.
„Lebensberater sind kompetent, sowohl Einzelpersonen als auch Paare sowie Familien und Senioren darin zu begleiten, ihr Leben so auszurichten, dass sie ein gesundes, zufriedenes und glückliches Leben führen können“, sagt Janisch. Bei allen Interventionen steht dabei die Stärkung der mentalen Gesundheit im Zentrum.
Liegt der Verdacht einer psychischen Erkrankung wie zum Beispiel Depressionen oder eine Suchtproblematik vor, verweisen Lebens- und SozialberaterInnen an die entsprechenden Stellen wie ÄrztInnen oder psychiatrische Kliniken. „Vor allem in Akutsituationen ist es wichtig, die Anzeichen zu erkennen und rasch und schnell helfen zu können“, sagt Janisch. Damit haben LebensberaterInnen auch eine Schnittstellenfunktion.
Städte und Gemeinden können sich nun mit dem Verband der Lebens- und SozialberaterInnen vernetzen, um eine Gutscheinaktion im Sinne eines lebensnahen und hilfreichen Services für die BürgerInnen jetzt rasch und schnell umsetzen zu können. „Möglich ist zum Beispiel, über eine Postwurfsendung Gutscheine an alle Haushalte zu verteilen, die auch übertragbar sind, wenn eine Familie keine Beratung in Anspruch nehmen will“, sagt Birgit Meerwald, Generalsekretärin des ÖVLSB. Eine andere Form wäre, ein fixes monatliches bzw. jährliches Budget für das Beratungskontingent mit einem Anmeldesystem für BürgerInnen aufzustellen. „Für Menschen ist jetzt wichtig, zu wissen, dass sie nicht alleine sind. Und dass jemand für sie da ist, wenn sie Hilfe brauchen“, sagt Meerwald, die beim Verband für die Konzeption zuständig ist.
Auch Betriebe könnten Gutscheine dieser Art erwerben und sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellen. „Mit dem Gutschein für die mobile- oder Online-Beratung können Gemeinden und Betriebe nun Freude und den Weg in eine positive Zukunft schenken“, so Meerwald weiter. Gefragte Themen seien laut Meerwald in der Praxis jetzt vor allem Homeschooling und Konflikte, Existenzängste, alleinerziehende Mütter und Väter, Homeoffice mit der gesamten Familie, Verzweiflung und keine Lust mehr zu haben.
Weitere Infos, Beratung und Kontakt zur Umsetzung in Ihrer Stadt erhalten Sie bei Birgit Meerwald, Tel. 0664 3166 200, birgit.meerwald@övlsb.at und unter www.lebegut.org
Während in England bereits 5.000 Lehrkräfte dafür ausgebildet wurden, das Fach „Glück“ an Schulen zu unterrichten, steht das innovative Angebot in unseren Breitengraden – leider – noch am Anfang. Doch gibt es durchaus bereits Schulen, die ihre LehrerInnen zu Aus- und Weiterbildungen geschickt haben und die neuen Lehrinhalte mit dem Motto „Glück“ in den Unterricht integrieren. So zum Beispiel die HAK/HAS in Lustenau: „Glück“ steht dort seit einem Jahr als Freifach auf dem Plan.
„Bis März 2020 hatten sich zwölf Schüler dafür angemeldet“, berichtet die beauftrage Glücks-Lehrerin Bianka Hellbert, die als Hauptfach mit Leib und Seele BWL unterrichtet. „Nach drei Monaten mussten wir wegen des ersten Lockdowns allerdings schon wieder aufhören, da alle Freifächer wegen Corona gestrichen wurden.“ Dennoch berichtet Hellbert von schnellen und nachhaltigen Erfolgen: „Nach den zwei Wochenstunden gingen alle Schüler immer sehr gestärkt aus dem Klassenzimmer heraus.“
Das liegt nahe – hatte man sich doch in angenehmen Ambiente mit den wissenschaftlich erprobten Methoden der positiven Psychologie beschäftigt mit dem Ziel, die guten Gedanken und Gefühle zu trainieren, um dadurch jeder für sich selbst besser mit sich und anderen umzugehen. „Resilienz, Glück und die Fähigkeit, sich zu entspannen sind laut wissenschaftlichen Erkenntnissen der Glücksforschung tatsächlich erlernbar und trainierbar„, sagt Hellbert, „Es wäre so wichtig, dies den Kindern und Jugendlichen als fixer Bestandteil des Lehrplans beizubringen. Es ist deutlich merkbar, dass sie alleine immer mehr Probleme damit haben, mit sich zurechtzukommen und mit den Schwierigkeiten umzugehen.“ Corona habe diese Entwicklung noch verschärft.
Gerade in Zeiten, in denen die Digitalisierung stark vorangetrieben werde, sei es notwendig, die Selbstfürsorge und Beziehungsstärke der Kinder und Jugendlichen zu stärken und zu erhalten. „Wir brauchen auch künftig positive und kreative Menschen. Durch Medienkonsum alleine erreichen wir das nicht!“, ist Bianka Hellbert überzeugt.
Für den Glücksunterricht können sich Lehrerinnen zum Beispiel wie Bianka Hellbert am Fritz Schubert Institut in Heidelberg ausbilden lassen sowie beim Verband der Österreichischen Lebens- und SozialberaterInnen oder auch bei der Glückstrainerin und Psychologin Heide-Marie Smolka. Das Unterrichtsfach Glück kann entweder als eigenes Fach – auch online via Zoom – unterrichtet werden, oder mit einzelnen Übungen in den laufenden Unterricht eingebaut werden.
Heide-Marie Smolka bietet im Rahmen der Aktion „Gesunde Gemeinden Österreich“ auch eigene Glückswanderungen an, die auch von den Gemeinden selbst initiiert und lokal umgesetzt werden können – zum Beispiel auch mit einem/-er Lebens- und Sozialberater/-in aus der Region.
Im Rahmen der Initiative Gesunde Gemeinde Niederösterreich beispielsweise werden derzeit Glückswanderungen zu folgenden Themen abgehalten:
„Zur Auswahl stehen in diesen Themenbereichen ein Vortrag mit der Dauer von etwa eineinhalb Stunden, Workshop über etwa drei Stunden, eine Themenwanderung zu ebenfalls etwa drei Stunden sowie eine spezielle Themenwerkstatt die ca. 1,5 Stunden pro Einheit umfasst und im Abstand von maximal sechs Wochen mit einem Referenten umfasst“, sagt Irene Burian, Leiterin des Bereiches Vorsorge bei der Tut gut Gesundheitsvorsorge GmbH in St. Pölten. Die Wanderungen sind – da sie im Freien stattfinden – coronatauglich und ermöglichen eine professionell angeleitete Selbstreflexion in freier Natur.
Darüber hinaus kann zum Thema »Stress lass nach! – Mein Weg zu mehr Gelassenheit« ein zweitägiges Seminar im Rahmen der Initiative Gesunde Gemeinde mit Förderungen gebucht werden.
Einreichwürdig für die Förderungen im Rahmen der „Gesunden Gemeinde“ und der „Gesunden Schule“ sind alle Projekte, die öffentlich – also grundsätzlich für alle – zugänglich sind und eben die Stärkung der Gesundheit zum Ziel haben.
„Die Natur ist besonders jetzt eine wichtige Ressource für die Menschen“, sagt Glückstrainerin Smolka, hier können wir uns wieder auf uns selbst besinnen und Fähigkeiten wie Achtsamkeit, in den Moment kommen, Wertschätzung und Dankbarkeit lernen.“
Smolka regt – besonders in Schulen, aber auch in Gemeinden – dazu an, unterschiedliche Wettbewerbe zu starten. „Bei einem Fotowettbewerb können Menschen aller Altersstufen ihre Stadt oder Gemeinde jetzt aus neuen Blickwinkeln betrachten und sich kreativ beschäftigen“, sagt Smolka.
Schön fände sie auch einen Wettbewerb mit Geschichten zum Thema „Was mir jetzt am besten hilft“. Darin könne jeder seine persönlichen Erfahrungen und Tipps wiedergeben und damit einen Beitrag für alle leisten.
„Sehr nützlich wäre es in Zeiten wie diesen auch, eine Ich helfe-Börse einzurichten“, sagt Smolka weiter. Auf einer Schwarzen Tafel könne jeder ausschreiben, was er für die anderen sucht und anbieten kann – angefangen vom Einkaufsdienst bis zum Gang zur Apotheke, vielleicht auch einen Schal oder eine Mütze stricken oder am Telefon ein Gesprächspartner zum Reden und Zuhören sein. „Besonders für weniger technikaffine Menschen kann nun gewiss auch eine Unterstützung für Onlinetools wie Zoom eine große Hilfe sein.“
Gerade jetzt ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf das Gute zu richten und auf das, was funktioniert. „Dankbarkeit führt erwiesenermaßen zu einem größeren Glücksempfinden“, sagt Smolka. So könne man jetzt im Rathaus oder an Schulen Plakate anbringen, auf denen jeder niederschreiben kann, wofür er/sie gerade dankbar ist.
Ein ähnliches Konzept hat der Schweizer Soziologe Mark Riklin bereits umgesetzt. Mit einer „Meldestelle für Glücksmomente“ hat er BürgerInnen in St. Gallen dazu aufgerufen, ihre persönlichen Glücksgeschichten öffentlich zu sammeln und zu teilen. „Weil Glück vor allem eine Frage der Wahrnehmung ist“, sagt Riklin.
Nachahmer hatte es während der letzten 17 Jahre einige gegeben – so zum Beispiel in Luzern, Solothurn, Weinfelden und Wien. Sein Credo ist: „Dinge kann man oft nicht verändern – die Sichtweise darauf aber schon.“
Wichtig sei Riklin vor allem, nicht nur bei seinem eigenen Glück stehen zu bleiben, sondern sich auch zu überlegen, was man zum Glück anderer beitragen könne. Der Effekt zahlt sich aus: Denn wer andere glücklich macht, macht am Ende auch sich selbst glücklich.
Die Meldestelle für Glücksmomente ist ein erster Schritt dafür.
Während der Coronakrise haben psychische Probleme und Erkrankungen deutlich zugenommen. Seit fast einem Jahr befindet wir uns in einem Ausnahmezustand und viele geraten an und über ihre Grenzen. Zudem hat die Arbeitslosigkeit Rekordwerte erreicht und viele Menschen haben ihr existenzielles Fundament verloren.
Jetzt können Städte und Gemeinden ihre BürgerInnen gezielt unterstützen. Ein kostenloses Beratungsangebot für Menschen in Krisen und Veränderungen ist ein erster, starker und produktiver Schritt, um konkret zu helfen.
Auch Initiativen zur Stärkung der positiven Gefühle und Kräfte können jetzt hilfreich sein: zum Beispiel Workshops, Seminare und Wanderungen im Freien zum Thema Resilienz und Glück. Insbesondere das Unterrichtsfach Glück an Schulen kann Kindern und Jugendlichen jetzt dabei helfen, ihre positive Kraft zu stärken.
Fotocredit Titelbild: Regula
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