Welcher Kulturmix passt zu Ihrer Stadt?
09.02.2017
Kultur
09.02.2017
Kultur
Kultur in der Stadt wird oft stiefmütterlich behandelt. Steht doch die große Frage im Zentrum, welche Aktivitäten selbst bei knappem Budget wirklich Sinn machen. Wir haben mit dem Experten Christoph Thoma einen Leitfaden erstellt. So finden Sie den Kulturmix, der zu Ihnen passt!
Im Alltag verbinden wir mit dem Begriff „Kultur“ meistens die Hochkultur. Also Konzerte, Theater, Opern oder Kunstausstellungen. Doch der Begriff ist dehnbar und schließt viel mehr Facetten ein. Wenn Sie für Ihre Stadt/Gemeinde Ihren individuellen Kulturmix entwickeln wollen, geht es nicht unbedingt darum, hochprofessionelle Festspiele wie etwa in Salzburg oder Mörbisch abzuhalten. Oder Ihre Stadt/Gemeinde als Kulturmekka zu positionieren. Vielmehr ist das Ziel, der Kultur überhaupt einen Stellenwert in der Stadt/Gemeinde und in ihrer Gesellschaft zu geben. Verwenden Sie sie als Medium und als Instrument, Menschen miteinander zu verbinden.
Kultur erzählt Geschichten. Sie darf sich heute mehr als je zuvor mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen. Zum Beispiel mit Migration, Arbeitsplatz und Mobilität, aber auch mit Kulinarik, Kommunikation und Digitalisierung. „Dabei sollen Meinungen gehört und herausgefordert werden“, sagt Christoph Thoma. Schritt eins bei der Entwicklung eines maßgeschneiderten Kulturmixes ist es also, ein Selbstverständnis einer Kommune zu definieren. Daraus Schwerpunkte zu entwickeln und eine Positionierung greifbar zu machen. „In Folge dessen können Sie als Stadt/Gemeinde ein kulturelles Portfolio anbieten.“
Die Ergebnisse sind bunt. So veranstaltet Mürzzuschlag heuer zum zweiten Mal ein chinesisches Neujahreskonzert mit Künstlern aus China und Österreich. Feldkirch lässt beim Gauklerfestivel Straßenkünstler ihre Performances zum Besten geben. Oder lässt bei den „Montforter Zwischentönen“ an drei Wochenenden pro Jahr in rund 30 Veranstaltungen in der ganzen Stadt interdisziplinär Künstler auftreten.
Das kulturelle Profil einer Kommune ist also gerade in Zeiten knapper Budgets unerlässlich. Als Handlungsempfehlung für die Entwicklung des passenden Kulturmix regt der Experte im ersten Schritt fünf Fragen an.
Bei der Entwicklung einer kulturellen Identität im Hier und Jetzt und in der Zukunft, sollte man sich schließlich mit der Geschichte der Stadt und ihrer Entstehung auseinandersetzen. Denn, so Thoma: „Zukunft kann nur gestaltet werden, wenn man die Stadtgeschichte kennt und diese auch zulässt.“ So lag es für die kleine Gemeinde Dürnkrut im Weinviertel nahe, bei einem Ritterfest jeden August das Mittelalter in dem 2.200-Seelendorf wieder aufleben zu lassen. Nachgestellt wird dabei unter anderem die größte mittelalterliche Ritterschlacht vom 26. August 1278. Eine Schlacht bei Dürnkrut zwischen den Heeren der Könige Ottokar II. von Böhmen und Rudolf I. von Habsburg.
Im zweiten Schritt kann eine Positionierung stattfinden. Und zwar „idealerweise im politischen Konsens aller Parteien und über allfällige Legislaturperioden hinaus“, so Thoma. Das Thema Integration wird die meisten Städte und Gemeinden noch länger beschäftigen. Daher macht es auch Sinn, sich mit der Frage auseinander zu setzen, mit welchen kulturellen Aktivitäten im weiteren Sinn Sie als Stadt/Gemeinde zu einem Austausch zwischen den Kulturen beitragen können. So hat das Restaurant Habibi & Hawara als erstes seiner Art in Wien geöffnet. Geflüchtete Menschen bekochen darin Österreicher und Österreicherinnen mit Spezialitäten aus ihrer Heimat. Zugleich wurde ihnen damit die Chance auf eine Existenz und auf eine Rückkehr in ein würdevolles Leben ermöglicht. Ein Beispiel für gelebte (Ess-) Kultur von seiner schönsten Seite.
Die Gesellschaft befindet sich im Wandel. Daher können Sie auch Zielgruppen für Kulturangebote genau definieren. Wie werden Menschen mit Migrationshintergrund erreicht? Und wie kann man das junge Publikum für Kultur begeistern? Welche Angebote haben Sie für junge Familien parat?
Die Stadtgemeinde Gänserndorf mit ihren ca. 12.000 Einwohnern veranstaltet seit 2011 jedes Jahr erfolgreich die „Sommerszene“. Musiker und Bands verschiedener Stilrichtungen treten über mehrere Wochen lang abends im Stadtzentrum auf. Für das kulinarische Angebot sorgt die lokale Gastronomie.
Experte Thoma ist davon überzeugt, dass ein durchdachter Kulturmix positive Effekte auf die Marke der Stadt hat. „Diese sind in der Begeisterung der Bürger und Bürgerinnen ebenso zu spüren wie in den ökonomischen Folgen.“ Die Menschen in der Stadt/Gemeinde sind schließlich die besten Markenbotschafter. Das sollte man sich immer wieder in Erinnerung rufen. „Dafür braucht es allerdings einen langen Atem und eine konsequente Öffentlichkeitsarbeit“, so Thoma. Soziale Netzwerke können dabei ein erstaunlicher Multiplikator sein.
Freilich gibt es auch Städte wie etwa Mörbisch oder St. Margareten im Burgenland, die sich ihre internationale Reputation einzig durch jeweils ein Festival erarbeitet haben. Doch dass muss gar nicht das Ziel sein. Die meisten Städte und Gemeinden haben in verschiedenen Bereichen Schwerpunkte. Wichtig ist es, einen sinnvollen, stimmigen und aussagekräftigen Kulturmix für die Zielgruppen anzubieten und diese Aktivitäten auch entsprechend zu vermarkten. Dadurch wird das Image, die Bekanntheit, die Zugehörigkeit und die Vernetzung untereinander sowie die Wirtschaft der Stadt/Gemeinde gestärkt.
Nach den Grundwerten Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit müssen Budgets für den Kulturmix geplant werden. Christoph Thoma rät zu Public-Private-Partnership-Modellen. „So können Unternehmen für eine Idee begeistert werden. So lässt sich auch die Breitenwirkung stärken.“ Auch die Bürgerbeteiligung ist ein heißer Tipp bei der Entwicklung einer Kulturstrategie. Denn die Bürger und Bürgerinnen sind es schließlich, die erreicht werden müssen.
Grundsätzlich stellt sich daher auch die Frage, wer die „Schirmherrschaft“ über kulturelle Veranstaltungen hat. Ist es ein Kulturamt, das selbst veranstaltet? Oder das lediglich Veranstaltungen möglich macht? Oder aber sind es Vereine? Diese Fragen gilt es individuell zu beantworten, meint Christoph Thoma. In Hall in Tirol gibt es etwa den Verein Lebenskultur. Dieser hat sich beispielsweise – ohne eine fixe Location zu beanspruchen – der Organisation unterschiedlichster Veranstaltungen verschrieben. Von der Modenschau über die Discoparty bis hin zum Gartenprojekt oder dem Töpferkurs für Kinder ist alles dabei, was das Leben noch lebendiger macht. „Eine Drehscheibe für Individualität, Kreativität, Spaß, Natur und Kultur“, wie er sich selbst bezeichnet.
Hier einige Ideen für Aktivitäten in Ihrem Kulturmix:
Kunst im öffentlichen Raum, Jazzbrunch, Theatergruppen von Bürgern und Bürgerinnen, Modenschauen. Konsumfreie Zonen, kulinarische Events, musikalische Veranstaltungen u.a. mit interkulturellem Austausch und Straßenfestivals. Handwerkliche und künstlerische Workshops und Kurse für Kinder und Erwachsene, Kabaretts, Musicals, Nachwuchskünstler-Wettbewerbe, digitale Performances, Foodfestivals, mobiler Kulturbus uvm.
Zur Person:
Christoph Thoma (43) ist Musiker, Kulturmanager und Kulturpolitiker. Er war bis Ende 2016 einer der Antreiber der Rheintal-Bewerbung 2024 sowie bis Mitte des Jahres Geschäftsführer von Bregenz Tourismus & Stadtmarketing. Mittlerweile hat sich Thoma mit Culturelab e.U. (www.culturelab.at) selbständig gemacht. Er berät unter anderem deutsche Bewerberstädte für 2025 sowie unterschiedliche Kulturprojekte in den Bereichen Strategie, Positionierung und Wahrnehmung. Zwei seiner zentralen Arbeitsfelder bilden Kulturtourismus sowie Schnittstellen von Kultur und Stadtmarketing.
Bei der Zusammenstellung Ihres Kulturmixes setzen Sie auf Qualität statt Quantität. Sie brauchen sich aber nicht mit großen Events zu messen. Denn jede Stadt/Gemeinde ist einzigartig. Und zu ihrem Charakter sollte auch der maßgeschneiderte Kulturmix passen. Seien Sie offen für neue Sichtweisen von Kultur. Sie werden schließlich neue Möglichkeiten für Ihre Kommune entdecken.
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