Welchen Wert haben Grünflächen in der Stadt?

28.03.2024
Trends

14_Boutiquehotel_Wien_Begrünung
(c) Dachgrün

Grünflächen sind für die städtische Lebensqualität unverzichtbar und erfüllen neben der Funktion als Erholungsorte auch eine Vielzahl ökologischer Aufgaben, deren Bedeutung im Zuge des Klimawandels immer stärker in den Vordergrund rückt.

Die Notwendigkeit, Städte an die Herausforderungen der Klimakrise anzupassen, zeigt sich unter anderem in der Zunahme autofreier oder autoarmer Zonen, die häufig mit verstärkten Begrünungsmaßnahmen einhergehen. Die Hitzewellen der vergangenen Jahre haben diesen Trend beschleunigt und sorgen dafür, dass auch kleinere Gemeinden die Wichtigkeit urbaner Grünflächen erkennen. In der Stadtplanung gewinnen Grünflächen daher zunehmend an Bedeutung.

Grünflächen in der Stadt gegen „Citywarming“

In dicht bebauten Stadtgebieten führen versiegelte Oberflächen dazu, dass Städte zu gigantischen Hitzespeichern werden. Eine NASA-Studie verdeutlicht, dass die Temperatur in urbanen Hitzeinseln direkt mit der Anzahl und Beschaffenheit der Grünflächen korreliert.

Nasa Studie: Auswirkung von Grünflächen in der Stadt auf die Temperatur
Abbildung 1: Versiegelte Oberflächen (ISA) und Temperaturdifferenz zum Umland (Δ T). Bis zu einem Anteil der versiegelten Oberflächen in der Höhe von 35 Prozent bleibt die Temperatur im Stadtgebiet bei konstant 1,3 Grad über der Stadtumgebung. Darüber steigt die Differenz auf z.B. 1,6 Grad bei einer Verbauung von 65 Prozent. © NASA

 

Zusätzliche Grünflächen haben das Potenzial, die sommerlichen Temperaturen in Städten signifikant zu senken. Studien belegen, dass eine Erhöhung des Grünflächenanteils um zehn Prozent die Temperaturen um bis zu drei Grad reduzieren kann. In Metropolen wie Tokio führte eine gezielte Nachbegrünung sogar zu einer Temperaturabnahme von bis zu 13 Grad.

Strategien für mehr Grün in der Stadt

Um die Temperaturen in den Städten zu senken, sind neben der Entsiegelung und Renaturierung von Flächen insbesondere Dach- und Fassadenbegrünungen, Alleen, große Parks und Wasserelemente von Bedeutung. Auch ein entsprechendes Regenwassermanagement trägt zur Kühlung bei und sollte vor allem in neuen Stadtteilen verstärkt forciert werden.

Grünflächen brauchen kreative Planung

Je dichter die Städte verbaut werden, desto weniger potenzielle Grünfläche ist vorhanden. Und desto intelligenter muss sie durchdacht und geplant werden.

Die klimatischen Entwicklungen erfordern eine andere Art der Bepflanzung als noch vor einigen Jahren. Bäume, Sträucher, Gräser, Stauden und Blumen müssen sowohl extremer Hitze als auch starker Kälte trotzen können, und das in immer kürzeren Abständen.

Stark im Kommen sind seit einigen Jahren mit gutem Grund sogenannte Präriegärten, die aus Gräsern und Stauden mit wunderschönen, lang blühenden Blüten bestehen, die selbst wiederum resistent gegenüber Hitze und Trockenheit sind. Der holländische Pflanzenentwickler Piet Oudolf gilt als Vorreiter in der Gestaltung dieser Präriegärten.

Bei den Bäumen sind robuste Sorten gefragt wie zum Beispiel der Zürgelbaum oder der Schnurbaum. Die Straßenplaner sind zunehmend gefordert, neben jeder Straße ausreichend Sickerflächen für das Regenwasser einzuplanen, was zum Beispiel durch Sträucher oder Alleen erreicht werden kann.

Sicherstellung der Grünflächenrealisierung

Einige Städte, wie Klagenfurt, setzen bei großen Wohnbauprojekten auf Bankgarantien von Bauträgern, um sicherzustellen, dass die in der Planung definierten Grünflächenprojekte realisiert werden. Diese Vorgehensweise dient als Absicherung für die Stadt, dass die notwendigen Ressourcen für die Schaffung von Grünflächen vor der Genehmigung von Bauvorhaben bereitstehen.

Klimaresiliente Städte durch Entsiegelung von Flächen

In Österreich steht die Entsiegelung urbaner Räume noch in den Anfängen, doch einige Städte nehmen bereits eine Vorreiterrolle ein und realisieren ambitionierte Projekte.

So geht etwa die Stadt Amstetten mit der umfassenden Neugestaltung ihres Hauptplatzes einen entscheidenden Schritt in Richtung Entsiegelung: Die versiegelte Fläche wird auf 35 Prozent reduziert, gleichzeitig erfolgt die Einbindung von 70 Prozent des Regenwassers in das Schwammstadtkonzept und die Pflanzung von 76 neuen Bäumen.

Einen Schritt weiter in Richtung ökologischer Stadtentwicklung geht Wieselburg, wo eine zunächst für Wohnzwecke reservierte Fläche von 6.000 Quadratmetern nahe des Bahnhofs wieder in Grünland umgewidmet wurde.

Ebenso ambitioniert zeigt sich die Stadt Tulln in ihrem Großprojekt zur Neugestaltung des Nibelungenplatzes, bei dem der versiegelte Bereich drastisch von 7.200 Quadratmetern auf 1.500 Quadratmeter reduziert wird. Die vormals als Parkplatz genutzte Fläche im Stadtzentrum wurde zu einem flexibel nutzbaren, grünen Areal entwickelt und soll im Juni 2024 fertiggestellt sein.

In den 60er-Jahren wurden städtebauliche Projekte allerorts an die Bedürfnisse des motorisierten Individualverkehrs angepasst und das Prinzip „autogerechte Stadt“ verfolgt. Was damals wichtig erschien, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Heute geht es um Klimawandelanpassung, Stadt der kurzen Wege, attraktive und beschattete Aufenthalts- und Begegnungszonen und um Reduktion und Entsiegelung von Parkplätzen.

Peter Eisenschenk, Bürgermeister Tulln 

Umgestaltung des Nibelungenplatzes in Tulln in einen multifunktionalen Grünraum
Abbildung 2: Der neu gestaltete Nibelungenplatz verfügt unter anderem über eine Holz-Sitzlandschaft, einen Foto-Hotspot, WLAN, eine kleine Bar und E-Bike Ladestationen. © Stadtgemeinde Tulln

Gebäudebegrünung: Klimatische Durchlüftung der Stadt

Um der urbanen Hitzeentwicklung bestmöglich entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Stadt mit möglichst vielen Grün-Inseln zu unterwandern. Denn die Höhe der Bebauung sowie die Größe und Anzahl der Grünflächen bestimmt mitunter auch, in welchem Ausmaß die Stadt im heißen Sommer auf natürlichem Weg gekühlt werden kann. Begrünungen von Dächern und Fassaden tragen dazu bei, nicht nur die Gebäude selbst zu kühlen, sondern auch ihre Umgebung.

Photosynthese kühlt natürlich

Begrünungen von Gebäuden – ob auf Fassaden, Dächern oder rund um die Gebäude – wirken wie natürliche Klimaanlagen. Pflanzen betreiben mit Hilfe der Sonne Photosynthese und produzieren dadurch nicht nur Sauerstoff, sondern verdampfen auch Wasser. Dabei entziehen sie der Umgebung Energie, wodurch der Kühlungseffekt entsteht.

„Unbegrünte Gebäudeoberflächen werden tagsüber deutlich heißer als die Umgebungsluft und strahlen diese Hitze dann auch noch über Stunden bis in die Nacht ab“, sagt Vera Enzi, Geschäftsführerin des Wiener Innovationslabors GRÜNSTATTGRAU, das sich auf die Begrünung von urbanen Hitzeinseln spezialisiert hat. Urbane Hitzeinseln entstehen vor allem durch versiegelte Flächen.

Blattoberflächen hingegen erhitzen sich nur unwesentlich mehr als die Umgebungsluft selbst. Damit unterstützen sie ein angenehmes Klima – sowohl im Gebäude selbst als auch in seiner Umgebung.

Mit Pflanzen um bis zu 13 Grad kühler

Erhebungen haben ergeben, dass mit Begrünungen und ihren natürlichen klimatischen Effekten die gefühlte Temperatur bis zu 13°C gesenkt werden kann. Die gefühlte Temperatur setzt sich neben der tatsächlichen Temperatur, die am Thermometer abgelesen werden kann, aus weiteren Faktoren wie Wind, Luftfeuchtigkeit oder Beschattung zusammen.

Entscheidend für die Auswahl der passenden Pflanzen und ihren Rankhilfen ist außerdem die Art der Fassade und die Umgebung des Gebäudes. Als Kosten kann man je nach System ab 700 Euro pro Quadratmeter kalkulieren, aufwändigere Konstruktionen reichen bis 1.000 Euro und mehr.

Vertikale Gärten als zusätzliche Grünflächen in der Stadt
Abbildung 3: Vertikale Gärten und Rooftop-Bepflanzungen verbessern die Gebäudetemperatur und das Mikro-Klima. © Daniel Zimmer

Grundsätzlich unterscheidet man 3 Arten grüner Klima-Anlagen für Gebäude:

1. Bodengebundene Begrünung

Bei der einfachsten Kategorie der Fassadenbegrünung werden die Wurzeln direkt in der Nähe des Gebäudes eingebracht. Die Pflanzen ranken dabei quasi an der Wand des Gebäudes nach oben.

In dieser Gruppe unterscheidet man zwei Arten:

  • Zu den Selbstklimmern zählen Pflanzen wie Efeu oder Veitschi (Wilder Wein). Sie benötigen daher keine Rankhilfe und haften selbst an der Mauer.
  • Die Gerüstkletterpflanzen können nicht selbst klettern, sondern brauchen eine Rankhilfe. Dafür kommen Seile, Spaliere oder Netze in Betracht.

Gerüstkletterpflanzen können im Sommer optimal auch für Sonnenschutz und Beschattung sorgen. Im Winter werden durch den Laubwurf sogar solare Gewinne ermöglicht! 

Beispiel: Institut für Physik, Humboldt Universität Berlin

20 Arten von Kletterpflanzen wurden in 150 Trögen an neun unterschiedlichen Fassaden gepflanzt. Bei der Auswahl der Kletterpflanzen wurde besonderer Wert auf Arten gelegt, die unter den extremen Bedingungen in Trögen wachsen können.

Verwendete Pflanzen:

Von den verwendeten unterschiedlichen Kletterpflanzen hat sich der Blauregen und die Pfeifenwinde am besten entwickelt. Eine spezielle Form der Anstaubewässerung und zwei unterschiedliche Substrate sind vergleichend verwendet worden.

Zum Ausgleich von Temperaturschwankungen und zum Schutz gegen tiefe Temperaturen im Winter wurden die Tröge gedämmt.

Besonderheiten:

Die Fassadenbegrünung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der energetischen Optimierung des Gebäudes. Im Sommer ist die Fassade begrünt und bietet einen aktiven Sonnenschutz, während das Sonnenlicht im Winter die Glasfassade ungehindert passieren kann.

Ein zweiter Effekt ist die Erzeugung von Verdunstungskälte zur Verbesserung des Mikroklimas innerhalb des Gebäudes und im unmittelbaren Gebäudeumfeld.

Bewässerungssystem:

Regenwasser wird in Zisternen automatisch in einem 5-Minutenraster über speicher-programmierbare Steuerung gesammelt und für die Bewässerung verwendet. Über die Gebäudetechnik wird auch die Düngung automatisiert gesteuert.

physikalisches_institut_hu__christo_libuda_lichtschwaermer_groesser-800×506-1
Abbildung 4: Am Institut für Bauphysik in Wien sorgen 20 Arten von Kletterpflanzen für gutes Klima. ©  Christo Libuda, Lichtschwärmer

 2. Fassadengebundene Begrünung

Mit den richtigen Strategien und gezielten baulichen Maßnahmen können Gebäude den Auswirkungen des Klimawandels entgegenwirken. Dazu zählt auch die Begrünung von Fassaden. Vertikalbegrünungen können Umwelt und Gebäude im Vergleich zu unbegrünten Bauwerken in vielerlei Hinsicht maßgeblich beeinflussen:

  • Verbesserung des Mikroklimas und der Aufenthaltsqualität
  • Regenwassermanagement und Entlastung der Kanalisation
  • Förderung urbaner Biodiversität
  • Ökologischer Ausgleich von Grünflächenverlusten
  • Beschattung, Kühlung, Dämmung und Schutz des Baukörpers
  • Reduktion des Schallpegels
  • Aktivierung ungenutzter, urbaner Flächen als multifunktionale Oberflächen
MA48 Fassadenbegruenung
Abbildung 5: Beim Gebäude der MA 48 in Wien kam auf 850 m2 fassadengebundene Begrünung mit 2.850 Laufmetern Pflanzentrögen aus Aluminium zum Einsatz. ©  GRÜNSTATTGRAU

Bei dieser aufwändigeren Variante haben die Pflanzen selbst keinen Kontakt zum Boden. Sie sind direkt an der Fassade angebracht.

  • Bei den vorgelagerten Systemen wird die Pflanzfläche samt den Trögen und Regalen der Fassade vorgelagert.
  • Bei den integrierten Systemen wird die Pflanzfläche als hinterlüftetes System direkt in die Oberfläche der Fassade integriert.

Fassadengebundene Begrünungen erbringen die vollumfassende Leistung einer Fassaden-Dämmung. Sie werden in der Regel durch Sensorik voll automatisch überwacht und versorgt. Smarte Grün-Fassaden kann man mittels Apps am Handy begleiten und steuern.

Beispiel: Tower Flower Paris mit vorgelagerten Pflanztrögen

Das Pariser Wohnhaus „Tower Flower“ ist ein frühes Beispiel für begrünte Fassaden und einer der ersten sozialen begrünten Wohnbauten. Es versteht sich als grüne Insel mitten in der Stadt, bei dem Stadt und Natur miteinander verschwimmen.

Besonderheiten:

Architekt Edouard Francois hat bereits während des Bauprozesses 380 Stück ein Meter hohe Pflanzentöpfe in die Fassade integriert, aus denen Bambus wächst. Die Töpfe sind Elemente der Fassade und sind Pariser Blumenkästen nachempfunden.

Es sieht so aus, als würden sie wie auf einem Balkon frei stehen, tatsächlich aber sind sie fix in die Gebäudestruktur integriert.

Verwendete Pflanzen:

Bambus in 380 Blumentöpfen, die jeweils etwa einen Meter hoch sind.

Bewässerungssystem:

Eine automatische Bewässerungsanlage bereitet Regenwasser auf.

Tower Flower Paris mit integrierten Grünflächen
Abbildung 6: Der Tower Flower in Paris zeigt übergroße Blumentöpfe an der Fassade. © Edouard François

 3. Dachbegrünungen

Dachbegrünungen bringt man direkt auf den Dächern der Gebäude an. Sie können aber auch als grüne Dachgärten angelegt werden, die von den Menschen auch als Erholungszone genutzt werden können.

In Wohnbauanlagen wie zum Beispiel in der Biotope City in Wien erfolgte die Begrünung nicht nur auf den Freiflächen, sondern auch entlang der Fassaden sowie auf dem als Freizeitoase konzipierten Dach.

Biotope City Wien - Grünflächen auf dem Dach und der Fassade
Abbildung 7: Biotope City am Wienerberg in Wien: Bei diesem Mega-Projekt wurde Begrünung groß geschrieben. Nicht nur horizontal am Boden, sondern auch auf den Dächern und vertikal auf den Fassaden. © Wien Süd/www.schreinerkastler.at

Auch Dachgärten mit Urban Farming-Charakter sind beispielsweise eine innovative Möglichkeit, die ansonsten ungenutzte Fläche von Flachdächern gleich vielfach zu nutzen.

Gemeinsam mit dem Joanneum Research LIFE Institut und den Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und dem Bildungsbereich wird beispielsweise seit Herbst 2018 am Dach des Science Tower Graz ein Urban Farming Projekt“ entwickelt.

Smart City Rooftop Farming in Graz ist das erste Dachgarten-Biosphärenprojekt Österreichs, das in diesem Sinne auf die Produktion von Nahrungsmitteln in unmittelbarer Nähe zu den Konsumenten im urbanen Raum setzt.

Roof-Top-Farming-JR_Science_Tower-1-900×506-1-823×463
Abbildung 8: Mitarbeiter des Science Towers Graz ernten frisches Gemüse. © Joanneum Research LIFE

Mehr Ideen, Projekte und Informationen zur Bauwerksbegrünung finden Sie unter:

Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung

Neben der Schaffung neuer Grünflächen in der Stadt und der Nutzung von Gebäudeflächen ist auch die Renaturierung als Strategie nachhaltiger Stadtentwicklung zu sehen, insbesondere im Kontext der EU-Wiederherstellungsverordung.

Städte müssen zukünftig für mehr Grünflächen sorgen

Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur sieht vor, dass Städte und Gemeinden aktive Maßnahmen zur Renaturierung und zum Schutz urbaner Ökosysteme ergreifen müssen. Die Kartierung der betroffenen Städte und Gemeinden findet auf nationaler Ebene statt.

Zentraler Bestandteil dieser Verordnung sind ein Nettoverlustverbot städtischer Grünflächen und ein geforderter Zuwachs an städtischem Grün. Ab 2030 darf der städtische Grünflächenanteil nicht unter das Niveau zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung fallen. Ab 2031 ist dann ein gesamtstaatlicher Anstieg der Grünflächen gefordert.

Die Verordnung tritt voraussichtlich im Mai/Juni 2024 in Kraft.

Renaturierung in der Stadt

Gegenstand von Renaturierungsmaßnahmen im städtischen Kontext sind insbesondere aufgelassene Gewerbe-, Infrastruktur- und Siedlungsflächen sowie Fließgewässer und Moore. Dabei entstehen sowohl parkartige, teils extensiv gepflegte Erholungsflächen, aber auch neue produktive Landschaften mit forst- und landwirtschaftlichen Nutzungen oder „Biodiversitäts-Hotspots“.

So werden etwa in Klagenfurt zahlreiche Pflege- und Renaturierungsmaßnahmen für Moore und Sümpfe in der Landeshauptstadt gesetzt und neue Feuchtflächen angelegt. Da nasse Moorböden sehr viel CO2 speichern, ist „Moor4Klagenfurt“ ein wichtiger Beitrag zu Klagenfurts Weg zur Klimaneutralität 2030.

Ein prägnantes Beispiel ist auch die Stadt Wels, die derzeit ein zehn Hektar großes, ehemaliges Messegelände an der Traun in einen urbanen „Central Park“ transformiert.

Renaturierungsprojekt Welser Cental Park: Schaffung von Grünflächen durch Entsiegelung des alten Messegeländes
Abbildung 9: Der Welser „Central Park“ wird als Erholungsraum in der Stadt die Lebensqualität essentiell aufwerten. ©  Stadt Wels

Effizientes Regenwassermanagement durch Grünflächen

Mit vergleichsweise kleinem Budget lässt sich durch Schaffung von Grünflächen in der Stadt ein effizientes Regenwassermanagement umsetzen. Bäume und Grünflächen machen die Stadt nicht nur lebenswerter, sie speichern auch Wasser und sind daher in der Lage, das Kanalisationsnetz bei starken Niederschlägen zu entlasten.

Ulrike Pitha und Vera Enzi (Universität für Bodenkultur) nennen drei Strategien für nachhaltiges Regenwassermanagement:

  • Versickerung durch aktive Bodenfilterpassage: Versickerungsfähige Oberflächen, Mulden-Becken-Rigolsysteme, Dach- und Fassadenbegrünung.
  • Speicherung und Verdunstung: Transpiration Pflanzen, Evaporation Substrate -> Evapotranspirationsleistung.
  • Speicherung und Nutzung: Zisternen, Bewässerung, Gebäudekühlung, WC-Spülung.
Regenwassermanagement durch Grünflächen
Abbildung 10: Versickerung, Retention und Verdunstung, Speicherung und Wiederverwendung – drei Strategien des Regenwassermanagements für Städte.

Durch die bewusste Einplanung von Bepflanzungsmaßnahmen wie Bauminseln, Baumstreifen, Versickerungsmulden und -becken wird eine natürliche Wasserversickerung erreicht.

Die Entsiegelung von Freiflächen (z. B. Parkplätzen) und versickerungsfähige Oberflächenbelege bei der Erschließung neuer Wege und Parkplätze bringt zusätzliche Qualitätsverbesserungen im Regenwassermanagement.

Ebenso stellt die Nutzung des brachliegenden Flächenpotentials von Bauwerken wirksame Maßnahmen dar. Insbesondere Dach- und Fassadenbegrünungen können einen wichtigen Beitrag zum Regenwassermanagement leisten. Gerade in verdichteten und versiegelten Stadtbereichen sollten sie verstärkt eingesetzt werden.

Regenwassermanagement Strategien
Abbildung 11: Versickerung, Retention und Verdunstung, Speicherung und Wiederverwendung – drei Strategien des Regenwassermanagements für Städte (Pitha und Enzi, 2013)

Regenwassermanagement durch Grünflächen in der Stadt bietet somit zahlreiche Vorteile:

  • Finanzielle Vorteile durch die Entlastung von Kanalsystemen und Kläranlagen.
  • Verringerung der Hochwasserabflussmengen.
  • Reduktion von Hochwasserschäden bzw. erforderlichen Schutzbauten.
  • Kühlung der Umgebung durch die Verdunstungskälte.
  • Laufende Erneuerung des Grundwassers, da das Wasser im natürlichen Kreislauf bleibt.
  • Versorgung des Bodens und der Pflanzen mit Wasser.
  • Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch die Verdunstung von Regenwasser.
  • Einsparung von Trinkwasser durch Nutzung von Regenwasser für Bewässerungszwecke.
  • Nutzung von gespeichertem Wasser in Trockenperioden.
  • Erhaltung bzw. Neuschaffung von Grünflächen und Feuchtbiotopen.

Eine Beispiel für erfolgreiches nachhaltiges Regenwassermanagement ist das Boutique-Hotel in Wien.

Beispiel: Boutique-Hotel Stadthalle

Das Boutique-Hotel Stadthalle in Wien steht exemplarisch für innovatives Regenwassermanagement in der Architektur. Durch den Umbau zum Nullenergiehaus und die Erweiterung um ein eingeschossiges Gebäude mit begrüntem Dach, setzt das Hotel Maßstäbe in ökologischer Bauweise. Die begrünten Dachflächen fungieren als natürliche Wasserspeicher und tragen zur Temperaturregulierung im Außenbereich des Hotels bei.

Ergänzt wird dieses nachhaltige Konzept durch einen Vertikalgarten an der Fassade, der mit einer Vielfalt an bodenständigen und mehrjährigen Pflanzenarten wie Storchenschnabel, Purpurglöckchen, Lavendel und Walderdbeeren sowie selbstkletternden Gewächsen wie Efeu und Wildem Wein ausgestattet ist.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Wassermanagements ist die Installation einer Regenwasserzisterne mit einem Volumen von 10.000 Litern. Dieses System sammelt Regenwasser für die Bewässerung der Grünflächen und die Versorgung der sanitären Anlagen innerhalb des Hotels. Die Bewässerungstechnik basiert auf einer ausgeklügelten Tropfbewässerung, die durch Bodensensoren gesteuert wird.

Boutiquehotel Wien Begrünung
Abbildung 12: Aus der Fassade des Boutique-Hotels Stadthalle sprießen unter anderem Walderdbeeren heraus. © Dachgrün

Bienen erobern die Grünflächen der Stadt

Die Natur auf dem Land hat sich verändert. Monokulturen, Umweltverschmutzung, Pflanzenschutzmittel, Schädlinge und Krankheiten machen den Bienen schwer zu schaffen. Gleichzeitig ist aber in der Stadt durch neue Formen der Begrünung und dem Trend zum Urban Gardening das Angebot an Pflanzen gewachsen, deren Blüten kaum durch Pestizide belastet sind.

Seit Jahren ist daher auch ein Anstieg von Bienen in der Stadt zu beobachten, die hier einen neuen Standort finden. Immer mehr Städte und Gemeinden reagieren auf diese Entwicklung und schaffen eine bienenfreundliche Umgebung:

  • Anlage von Blühflächen mit regionalen Blumenmischungen, die sich durch eine Mischung von früh-, mittel- und spätblühende Arten mit einem hohen Angebot an Nektar und/oder Pollen sowie langer Blütezeit auszeichnen.
  • Wassertränken im Sommer.
  • Überwinterungsquartiere durch brachliegenden Wiesenflächen.
  • Mähzeitpunkte erst nach dem Winter und im kleinen Rahmen.
  • Aufstellen von Insektenhotels und richtiges Befüllen mit passenden Nistmaterialien.
  • Pflege öffentlicher Grünflächen ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel.

In Linz ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Nach dem Vorbild der Pariser Oper, auf deren Dach Bienen gezüchtet werden, setzten mehrere Initiativen ähnliche Projekte an verschiedenen Standorten in Linz um. Mittlerweile ist die Stadt mit dem Linzer Stadthonig eine Nische für Imkerei geworden und seit 2021 „Bienenfreundliche Gemeinde“.

Das Netzwerk der Bienenfreundlichen Gemeinden umfasst in Oberösterreich bereits 102 Gemeinden und Städte. Seit drei Jahren können sich auch burgenländische Gemeinden als „beefit“ – also „fit für Bienen“ – zertifizieren.

Bienen suchen sich vermehrt Grünflächen in der Stadt, die nicht von Pestiziden belastet sind.
Abbildung 13: Die ImkerInnen der DACHMARKE haben sich zum Ziel gesetzt, auf den Dächern von Stadthonig auf hohem Niveau zu kultivieren. © DACHMARKE, Florian Voggeneder

Fazit: Nachhaltige Grünraumplanung in der Stadtentwicklung

Grünflächen sind als Erholungsräume in der Stadt von essentieller Bedeutung für die Lebensqualität der StadtbewohnerInnen. Darüber hinaus erfüllen sie eine Reihe weiterer wichtiger Funktionen: Sie fördern die Grundwasserbildung, sind ein wirksamer Schutz vor Überschwemmungen, erhalten die biologische Vielfalt und tragen dazu bei, Hitzebelastungen im Sommer zu reduzieren und die Luft von Schadstoffen zu reinigen.

Effektive Umsetzungsschritte im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung können u.a. folgende Maßnahmen darstellen:

  • Erhaltung und gezielte Erweiterung von Grünfächen in der Stadt, um die Kaltluftzufuhr und -entstehung zu sichern und zu steigern.
  • Verbindung städtischer Grünflächen über „grüne Strahlen und Speichen“ mit dem Umland (Biotopverbund).
  • Schaffung von Parkanlagen als Erholungsflächen auf z. B. Konversionsflächen, um das Stadtklima zu verbessern.
  • Prüfung und Umsetzung von Entsiegelungen und Begrünungen auf versiegelten Flächen.
  • Einrichtung von baumbestandenen Straßenzügen in verdichteten Quartieren zur Vernetzung der innerstädtischen Grünräume.
  • Schaffung von Investitions- und Beratungsprogrammen zur Förderung von Dach- und Fassadenbegrünungen.
  • Unbefestigte Stadtbahntrassen als Rasengleise anlegen.
  • Förderung und Schaffung von Standorten für Bienenstöcke.
  • Sicherung und Weiterentwicklung des städtischen Baumbestandes.

Allgemein betrachtet ist somit für eine grüne Stadt grundsätzlich eine klimaoptimierte Stadtplanung notwendig, die keine weitere Versiegelung und Verdichtung der Innenstadtbereiche durch Schließen von „Baulücken“ mit Gebäuden vorsieht.

 

 

stadtmarketing-referenten-ellercdietmar-mathis

Edgar Eller

Selbständiger Unternehmensberater und Hochschullehrer.

Jetzt Mitglied werden

Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?

Weil wir gezeigt haben, dass „Miteinander“ mehr bringt. Im Miteinander machen Sie für Ihren Standort das Mögliche zum Machbaren. Wir unterstützen Sie dabei mit Know-how, das sich in der Praxis bewährt hat, mit Weiterbildung, die neue Perspektiven eröffnet sowie mit Erfahrungsaustausch, der Sie in Ihrer Rolle stärkt.

Formen Sie aktiv die Zukunft des Stadtmarketings!

Werden Sie Teil unserer dynamischen Gemeinschaft und nutzen Sie unsere vielfältigen Angebote zur fachlichen Weiterentwicklung und Einflussnahme.

Datenschutzinformation
Der datenschutzrechtliche Verantwortliche (Dachverband Stadtmarketing Austria, Österreich) würde gerne mit folgenden Diensten Ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Zur Personalisierung können Technologien wie Cookies, LocalStorage usw. verwendet werden. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, können Sie Ihre Einwilligung jederzeit via unserer Datenschutzerklärung anpassen oder widerrufen.