Inga Horny im Interview mit dem hds: „Vielfalt ist der Garant für Stabilität“

06.04.2023
Gesellschaft, Wirtschaft

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Welche Rolle spielen Städte und Dörfer in Zukunft? STAMA-Austria Präsidentin Inga Horny wurde zum Thema Vielfalt von Mauro Stoffella, dem Leiter des Bereichs Kommunikation im Wirtschaftsverband hds/Südtirol, interviewt.

 

In einem lebenswerten Ort ist der öffentliche Raum ein Ort der Polis, des Austausches und des gesellschaftlichen Treffens. Wir dürfen uns nicht nur auf den Handel fokussieren, sondern müssen auch Bildung, Kultur und Tourismus mitbedenken.

 

Frau Horny, der Handel und der Dienstleistungsbereich befinden sich auf einer Achterbahn: Wie würden Sie die derzeitige Lage beschreiben?

Die Situation bei den Dienstleistern ist relativ stabil. Der Handel leidet enorm unter dem Internet. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Man muss sich den Herausforderungen mit neuen Konzepten stellen. ‚Welches Problem/Bedürfnis hat der Kunde/die Kundin, dass ich mit meinem Angebot lösen/befriedigen kann?‘ Das ist die wesentliche Frage!

 

Innenstädte und Ortzentren sind die Heimat des Handels: Sind sie es noch, und welche Rolle spielen heute noch ortsrelevante Tätigkeiten?

150 Jahre lang waren Innenstädte und Ortskerne die Hochburgen des stationären Handels mit kleinen bis mittelgroßen Läden. Dann setzte zuerst die politisch befeuerte Konkurrenz an der grünen Wiese ein, dann der beinharte Kampf der Immobilieninvestoren gegen private ImmobilienbesitzerInnen und Familien um Ankermieter.

Zuletzt kam der Onlinehandel. Doch die Ortszentren sind immer noch die Hochburgen des Handels nur in zunehmend hybrider Form.

 

Was braucht es, um lebendige und attraktive Innenstädte und Ortszentren weiterzuentwickeln?

Orte müssen zu einem Erlebnisraum werden. Es geht um das Narrativ der Stadt oder des Dorfes. Aufenthaltsqualität, Sicherheit, Sauberkeit und konsumfreie Zonen sind dabei ebenso wichtig, wie spezielle Angebote für die definierten Zielgruppen und die übergeordnete Spange-Qualität. Und es braucht vor allem atmosphärische Stadtgestaltung.

 

Vielfalt
Polis – Lendmarkt Klagenfurt (c) Der Schindler

 

In einem lebenswerten Ort ist der öffentliche Raum ein Ort der Polis, des Austausches und des gesellschaftlichen Treffens. Der öffentliche Raum muss ermöglichen. Ein Ort muss im wahrsten Sinne des Wortes Raum lassen. Wir dürfen uns nicht nur auf den Handel fokussieren, sondern müssen auch Bildung, Kultur und Tourismus mitbedenken.

All diese Felder berühren unser Tätigkeitsfeld als Stadtmarketing-Organisationen. Es ist nötig, sich mit all den AkteurInnen zu vernetzen, die für die Stadt etwas leisten. Wir müssen in unsere Überlegungen und Tätigkeiten alle miteinbeziehen, die die Stadt zu dem machen, was sie ist.

 

Vielfalt als Mehrwert?

Vernetzung ist zur Weiterentwicklung essenziell. Wir müssen das Vorhandene erkennen. Dann müssen wir bei der Gestaltung der Stadt atmosphärisch intervenieren und uns fragen: Wo können wir Potential wecken? Welche Bereiche poppen gerade auf?

Wenn wir uns die Frage stellen, was erforderlich ist, um in einer Innenstadt oder in einem Ortszentrum glücklich zu leben, dann lautet eine der Antworten: Vielfalt. Neben Wirtschaft und Tourismus sind leistbares Wohnen sowie Kultur und Bildung als gleichwertige Standbeine zu fördern.

 

Kultur in der Stadt (c) Thomas Hude, Klagenfurt Marketing, 30.6.2022, Ossiacherhof

 

Gerade in der Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig soziale Kontakte und kulturelle Anregungen für uns sind. Außerdem bringt ein gutes Angebot an Nahversorgung, Dienstleistungen sowie Gesundheitsversorgung in Gehweite die Menschen zurück in die Ortszentren.

Ebenso bedeutsam ist eine hohe Lebensqualität durch ausreichend Freiflächen für Freizeit und Erholung. Die Stadt der Zukunft wird daher für die gesamte Bandbreite der Generationen Platz bieten müssen und Vielfalt ist der Garant für Stabilität.

 

Wie entwickelt sich der Onlinehandel?

Die Tendenz online einzukaufen, ist wachsend. Vor allem bei Waren des täglichen Gebrauchs und der Standardartikel. Der stationäre Handel muss daher umdenken, weg vom standardisierten Angebot mit den uniformen Produkten hin zum sozialen Kauferlebnis. Es müssen Mehrwerte geschaffen werden, um sich vom Online-Shopping zu unterscheiden.

Dem Kunden/Der Kundin müssen Gründe zum Eintreten und zum Verweilen im Geschäft geboten werden. Neue Inszenierungen und Wohlfühlatmosphäre sind gefragt. Aber vor allem muss den KundInnen die Suche, die Qual der Wahl abgenommen werden.

Online-Shopping ist oft mit mühevollem Rechercheaufwand verbunden. Ein Unternehmer, der seine KundInnen kennt, kann sie dadurch optimal individuell beraten und unterstützen. Das spart in unserer schnelllebigen Zeit dem Kunden/der Kundin deutlich Zeit.

 

Wo kann der stationäre Handel punkten?

Es gibt also den Wunsch nach dem Realen, nach dem haptischen Kauferlebnis, der Prüfung der Qualität mit allen Sinnen und natürlich punktet der stationäre Handel durch die zwischenmenschliche Komponente. All das kann das Internet nicht bieten. Es gilt die KundInnen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.

Es geht nicht mehr um Flächenproduktivität. Der/Die stationäre HändlerIn muss weder aufwendige Verpackungen noch Versand anbieten. Onlinehandel produziert Verkehr. Die Städte und das öffentliche Straßennetz werden durch die Zustellung und die hohe Retourenquote massiv belastet.

Eines der wichtigsten Argumente lokal einzukaufen, ist somit das der Nachhaltigkeit. Regionalität, kurze Wege und transparente, nachhaltige Produktion ist vor allem den jüngeren Zielgruppen ein Anliegen. Es werden zunehmend Fragen nach der Herkunft gestellt.

 

Vielfalt
Konsumfreie Zone (c) KLAMAG, Martina Karulle

 

Ist unter diesen Voraussetzungen der Beruf des Handelstreibenden noch attraktiv?

Sicher! Zum Beispiel auch in einer Kombination mit dem Handwerk, das als Teil der städtischen Kultur wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Craft liegt im Trend! Co-Shopping-Konzepte liegen im Trend. Es gibt viel Potential. Upcycling, Vintage Fahrräder, handgemachte Uhren oder individuell hergestellte Parfüms boomen.

 

Vielfalt
Craft liegt im Trend: Landladl Kräuterwerkstatt (c) Manu Lasnik

 

Eine neue UnternehmerInnengeneration drängt auf den Markt und punktet mit innovativen Ideen. Der neue UnternehmerInnentyp ist stark spezialisiert, qualitätsbewusst, kombiniert Wissen mit modernem Denken, ist oft in Kooperation mit AkteurInnen aus anderen Wirtschaftsbereichen (Crossover-Konzepte), ist mit der Digitalisierung auf Du und Du, aufgeschlossen für begleitendes Coaching, gemeinschaftskooperationswillig und nicht zuletzt Ortsmarketing affin.

Kundenservice, Erlebnisshopping, Schnelligkeit, professionelle Abläufe, eine gute Warenverfügbarkeit sowie exzellente Produkte und Geschäftskonzepte sind wesentliche Elemente für den nachhaltigen Erfolg.

Aber vor allem sucht die Generation von heute nach einer sinnstiftenden Tätigkeit, nach einem lebenslangen Lernen. Diese Sinnstiftung kann man als Handelstreibender finden.

 

Welche Zukunft hat in diesem Zusammenhang der ländliche Raum?

Der ländliche Raum hat Potential. In Österreich ist daher besonders die Lage an der S-Bahn attraktiv. Viele siedeln auf das Land, entlang von Bahnverbindungen. Dort kommt es zu einem Revival der Ortskerne. Kitas und Schulen werden neu gegründet. Nahversorger siedeln sich wieder an. Wohnbau am Land entsteht.

Das Land kann von der Stadt lernen und umgekehrt. Man kann wertvolle Urbanität auch im Ländlichen finden. Es ist entscheidend, dass man Orte, an denen sich Land und Stadt überlagern, beim Gestalten unterstützt.

 

Abschließend: In Südtirol sind im Handels- und Dienstleistungsbereich viele Klein- und vor allem Familienbetriebe tätig. Haben diese noch eine Überlebenschance?

Ja, wenn Kreativität und Innovation auf Können treffen!

Titelbild: Begegnungen beim Shoppen (c) Daniel Waschnig Photography

 

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Inga Horny

Präsidentin Dachverband Stadtmarketing Austria | Geschäftsführerin Klagenfurt Marketing GmbH

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