Das versorgungsunabhängige Dorf gibt es bereits in Teilbereichen. Energieautarke Gemeinden wie etwa Güssing und Kötschach-Mauthen sind hier zu nennen. Aber auch die mittlerweile recht zahlreichen Ökodörfer sind teilweise autark. Ein weltweit bislang einmaliges Community-Modell aus den Niederlanden geht über diese Ansätze weit hinaus. Es zeigt, wie das komplett versorgungsunabhängige Dorf in Zukunft konkret aussehen könnte. Dieses innovative Lebensmodell möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Der Tesla unter den Ökodörfern
ReGen Village heißt das erste komplett versorgungsunabhängige Dorf. Dieses wird derzeit von dem US-amerikanischen Unternehmer James Ehrlich in Partnerschaft mit dem dänischen Architekturbüro EFFEKT in der Nähe von Almere in den Niederlanden errichtet.
Das ReGen Village soll bis Anfang 2018 fertiggestellt sein. Es wird auf einer Fläche von 15.000 qm aus 25 Wohnhäusern bzw. 100 Wohneinheiten sowie mehreren Gewächshäusern und öffentlichen Gebäuden bestehen.
ReGen steht für regenerativ. D.h. für ein geschlossenes Kreislaufsystem, das den Output des einen Systems als Input für ein anderes nutzt. Das Konzept für das versorgungsunabhängige Dorf beruht auf einer Kombination von bewährten Technologien und erprobten Verfahren. Diese machen ein eigenes, von der Außenwelt unabhängiges Ökosystem möglich.
Die BewohnerInnen werden ihren Bedarf an Energie, Wasser und Lebensmitteln zur Gänze selbst decken können. Das autarke Dorf hat somit das Potenzial, unsere Konzepte von Wohnen, Zusammenleben, Konsum und Versorgung nachhaltig zu verändern.
So funktioniert das ReGen Village
Im versorgungsunabhängigen Dorf gibt es neben den Wohneinheiten verschiedene Gebäude, die unterschiedliche Funktionen erfüllen, um für die wichtigen Ressourcenkreisläufe zu sorgen. Das Dorf ist so gestaltet, dass Wohn- und Versorgungsbereiche unmittelbar nebeneinander existieren. Anders als meist üblich, wo Wohnen und Produzieren voneinander entfernt stattfinden.
Die Anordnung der Wohnhäuser erfolgt im Kreis. Gewächshäuser, Gärten, Weiden und Aquaponics liegen im Zentrum. Umgeben sind sie von Gemeinschaftseinrichtungen wie einem Spielplatz, einem Park und einem Schwimmbad. Auch Elektroautos sind geplant, die mit selbst produziertem Ökostrom versorgt werden.
Für die Lebensmittelversorgung des Dorfes werden Hi-Tech-Landwirtschaftssysteme eingesetzt. Diese erwirtschaften laut Berechnungen der ProjektbetreiberInnen im Vergleich zum herkömmlichen Anbau mehr als den zehnfachen Ernteertrag mit 90 Prozent weniger Wasserverbrauch. Und das bei 98 Prozent weniger Landfläche, als die konventionelle Landwirtschaft benötigt.
Diese Zahlen wecken Hoffnung, wenn man bedenkt, dass laut ExpertInnen-Prognosen bis 2050 der weltweite Einsatz von Wasser in der Landwirtschaft noch einmal deutlich steigen wird. Bereits heute werden etwa 70 Prozent des weltweit verfügbaren Frischwassers für die Lebensmittelherstellung verbraucht. Wobei etwa 40 Prozent aller weltweiten Lebensmittel von bewässerten Flächen stammen.
Es stehen eine Reihe von High-Tech Gewächshäusern mit vertikalem Anbau sowie im Freien gelegene Gärten zur Verfügung. Hinzu kommt Tierhaltung sowie Aquaponics, eine flächensparende Kombination aus Fisch- und Pflanzenzucht. Auch die Wohngebäude selbst sind von Glashäusern umgeben, die den Anbau von Lebensmitteln direkt vor der Haustür ermöglichen.
„Wir erwarten buchstäblich Tonnen von reichlichen ökologisch erzeugten Lebensmitteln jedes Jahr – an Gemüse, Obst, Nüssen, Hülsenfrüchten, Fischen, Eiern, Hühnern, Milch und Eiweiß von kleinen Tieren – die kontinuierlich zunehmen können und in den vertikalen Gartensystemen das ganze Jahr über Ertrag bringen können“, erklärt James Ehrlich.
Nachhaltige Energielösungen
Die Wasserversorgung soll über ein cleveres Regenwassermanagement sichergestellt werden. Das gesammelte Regenwasser dient in einer ungefilterten Variante als Bewässerung. Gefiltertes Regenwasser kommt als Trinkwasser zum Einsatz.
Solarkollektoren, Biogasanlagen und andere nachhaltige Energielösungen versorgen die DorfbewohnerInnen rund um die Uhr mit Energie und warmem Wasser. Überschüssige Energie wird in Energiespeichern gespeichert und versorgt das Dorf, auch wenn gerade keine Energie produziert wird.
Der Abfall der EinwohnerInnen wird über ein Kreislaufsystem fast zur Gänze recycelt. Die Bioabfälle werden als Futter für Vieh und Soldatenfliegen verwendet. Letztere wiederum dienen als nachhaltige Nahrungsquelle für die Fische, während die Fischrückstände als Dünger für ein Aquaponiksystem genutzt werden, das die Pflanzen in den Gewächshäusern versorgt. Die Abfälle, die bei der Viehzucht anfallen, werden als Dünger für die außen gelegenen Gärten verwendet. Die nicht kompostierbaren Abfälle nutzt man mittels Verbrennung zur Energiegewinnung.
Wenn sich das Lebensmodell der regenerativen Community als erfolgreich herausstellt, hoffen die Visionäre der ReGen-Villages weitere Pilot-Dörfer in Ländern wie Schweden, Dänemark, Norwegen, Deutschland, China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem afrikanischen Kontinent zu errichten.
ReGen Village als Alternative zur Stadt
Wenn das Konzept für das versorgungsunabhängige Dorf aufgeht, wird eine außerstädtische Entwicklung von „smarten“, halbdichten urbanen Nachverdichtungen mit umfassender lokaler Ressourcen-Versorgung möglich, die gleichzeitig eine Entlastung der Verwaltung und Bürokratie mit sich bringt.
In Zusammenhang mit den hohen CO2 Emissionen und dem immensen Grundwasserverbrauch der herkömmlichen Landwirtschaft, erscheint es unausweichlich, die Wohnbedürfnisse und Wohngewohnheiten der Menschen und damit auch Aspekte der Architektur neu zu definieren. Sinus Lynge, Mitbegründer des Architekturbüros EFFEKT formuliert es folgendermaßen:
„Stadtbewohner müssen hart arbeiten, um ihre Häuser oder Wohnungen finanzieren zu können – Hypotheken, Energie, Wasser, Heizung, Kühlung, Nahrung – all das belastet ihr Leben. Unsere Vision ist es, Häuser zu haben, die für uns arbeiten. Sie produzieren saubere Energie, Wasser, sind unabhängig durch die Eigenproduktion von Nahrungsmitteln und das zu leistbaren Preisen außerhalb der großen Städte!“
Das Leben in derartigen Gemeinschaften wie ReGen Villages bedeutet allerdings auch, dass BewohnerInnen Verantwortlichkeiten übernehmen müssen, um das Ökosystem am Laufen zu halten. So könnte etwa ein Teil der BewohnerInnen die Glashäuser betreiben, während ein anderer Teil die Solaranlagen und Ladestationen betreut.
Die ArchitektInnen sehen in einer solchen Verpflichtung einen doppelten Vorteil: Zum einen die Chance für den Aufbau einer sozialen und moralischen Verantwortlichkeit, zum anderen den gleichzeitigen Abbau bzw. die Verlagerung der übergeordneten Verwaltung an örtliche, lokale Institutionen.
Fazit: Das versorgungsunabhängige Dorf
Bis 2050 werden geschätzte 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Die stetig knapper werdenden Ressourcen an Wasser, Energie und Rohstoffen werden folglich auf immer mehr Köpfe verteilt werden müssen. Hinzu kommt die aufstrebende Mittelschicht in vielen bislang noch unterentwickelten Ländern, deren Konsum und Wohlstand das Ökosystem der Erde zusätzlich belasten werden.
Man kann wohl guten Gewissens sagen, dass es eine globale Herausforderung in diesem Maßstab bisher in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben hat. Sauberes Wasser, gesunde Nahrungsquellen, Abfallentsorgung und knappes Ackerland sind daher globale wie auch kommunale Themen. Für diese wird man neue Lösungen finden müssen.
Wie wir als Gesellschaft mit diesen Themen umgehen, wird entscheidenden Einfluss darauf haben, wie „gut“ wir in Zukunft leben werden. Regenerativer Wohnungsbau und entsprechende Kommunalentwicklung nach dem Vorbild des ReGen Village zeigen einen nachhaltigen Weg in die Zukunft.
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