Data Room: Edgar Eller im Gespräch mit Urs Treuthardt

20.09.2023
Gesellschaft, Trends, Wirtschaft

Edgar-Eller_Urs-Treuthardt

Im aktuellen Podcast von STAMA-Austria, dem Dachverband der österreichischen Stadtmarketing-Organisationen, spricht Edgar Eller mit Urs Treuthardt, dem Geschäftsführer vom Bodensee-Vorarlberg-Tourismus, über gute Räume und ihre Wirkung auf Entscheidungen.

Der Podcast zum Nachhören

 

Der Podcast zum Nachlesen

Urs Treuthardt
Urs Treuthardt (c) Roswitha Schneider Bodensee-Vorarlberg-Tourismus

Edgar Eller: Hallo und herzlich willkommen beim Podcast von STAMA-Austria, dem Dachverband der österreichischen Stadtmarketing-Organisationen.

Mein heutiger Gast ist Urs Treuthardt. Urs ist Geschäftsführer vom Bodensee-Vorarlberg-Tourismus, eine Destinationsorganisation, die sich um die Vermarktung und Gestaltung der Region zwischen Bregenz und Feldkirch in Vorarlberg kümmert.

Er gehört zu den innovativsten Touristikern Österreichs und beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, wie die Region im Westen Österreichs zukunftsfähig gestaltet werden kann. Ich habe mich mit Urs über gute Räume und ihre Wirkung auf Entscheidungen und datengetriebene Entscheidungen unterhalten.

 

Edgar Eller: Hallo Urs.

Urs Treuthardt: Hallo Edgar.

Edgar Eller: Herzlichen Dank für deine Zeit! Schön, dass du da bist. Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, warst du irgendwo in Italien am Strand und hast dein Büro dorthin verlegt. Jetzt sitzen wir hier in einer Raumkonstellation, die du hast bauen lassen, weil du sagtest: „So kann man irgendwie besser arbeiten.“

Man könnte gerade den Eindruck haben, dass du vor deinem Büro fliehst. Aber vermutlich hat es einen anderen Grund. Du beschäftigst dich seit vielen Jahren mit der Frage, was Raum mit uns macht und was Raum in Bezug auf Entscheidungen und auf Arbeit mit uns macht. Erzähl kurz.

Der Raum, in dem wir uns befinden, nennt sich „Data Room.“ Was hat es mir dieser Konstruktion auf sich und wieso glaubst du, dass es so etwas braucht, um besser entscheiden zu können?

 

welcome@data:room

Urs Treuthardt: Der ursprüngliche Gedanke war die Frage, was ein Raum mit Begegnungen macht. Wie kommen Leute gut und gerne ins Gespräch? Schon seit 2012 haben wir ein Format entwickelt, das sich micelab bodensee nennt,. Dort sprechen wir darüber, wie Begegnungen der Zukunft ausschauen.

Inspiriert durch viele ArchitektInnen, die wir interdisziplinär zusammengenommen haben und TheaterdramaturgInnen, diskutierten wir was Raum mit einem macht. Wo sitzt man gerne und wo spricht man gerne über verschiedene Sachen? Wo begegnet man sich gerne? Da ist der Raum ein wichtiger Akteur.

 

Urs Treuthardt im Interview
Dataroom Oldtimermuseum (c) buero-magma.at

Ihr habt euch aus dem Kongressgeschäft heraus mit der Frage von Begegnung beschäftigt. Aufgrund dieser Erfahrungen kamst du auf die Idee, einen Ort zu bauen, wo ihr genau das üben könnt. Habe ich das richtig verstanden?

Urs Treuthardt: Ja, das war eine Kombination daraus. Die ursprüngliche Idee war: Wie kann ich von Daten lernen? Darum auch „Data Room.“ Wie kann ich besser verstehen, wer hier an unserer Destination ist und was er tut? Und wie kann ich das Produkt anhand von Wissen, von Daten so anpassen, dass der Lebensraum zukunftsfähig wird?

Dann sind wir draufgekommen, dass die Daten alleine nichts bringen. Sondern man muss da drüber schauen. Man muss verschiedene Leute einladen, die über die Daten sprechen. Man braucht ein Zukunftsbild. Wir haben schnell bemerkt, dass das in einem Raum stattfinden muss – in einem physischen Raum-, wo die Leute über die Daten schauen und in Diskussion kommen.

So ist dieses Raum-in-Raum-Konzept entstanden. Auch aus dem Hintergrund – darum sitzen wir hier in einer Halle – dass man nicht per se neue Sachen braucht. Viele Räume sind halt leblos und herzlos. Gerade Räume, wo man sich trifft und Meetings abhält.

Und so möchten wir nachhaltig diese Räume wieder aufwerten, mit diesem Raum-in-Raum-Konzept, diesem Data Room, diesem Gerüstbau. Auch mit dieser Lichtatmosphäre und mit verschiedenen Zonen: also Werkstatt und Lagerfeuer, wo man dann in verschiedenen Settings mit den Leuten sprechen kann.

 

Dataroom 2022 im Designforum (c) Magma, Bodensee-Vorarlberg Tourismus

Edgar Eller: Auf das Thema Daten möchte ich nachher noch einmal etwas genauer und länger eingehen. Bleiben wir noch einmal kurz bei dieser Frage der Begegnung und der Entscheidung.

Für euch ist es wichtig, einerseits quasi das üben zu können und zweitens leeren Räumen eine gewisse Atmosphäre oder eine mögliche Nutzung zu geben. Indem man in eine Halle dieses Konstrukt baut, um daraus dann einen Begegnungsort zu machen.

Aber wenn ich dich vorhin richtig verstanden habe, dann geht es grundsätzlich bei Kongressen, Tagungen, oder vielleicht sogar – das müsstest du mir beantworten – auch bei täglichen Meetings bei der Arbeit ganz stark um die Frage des Raumsettings.

 

Also unabhängig davon, ob wir jetzt hier dieses Konstrukt gebaut haben: Würdest du sagen, es macht etwas mit der Entscheidung als solche, in welchem Raum sie stattfindet und wie dieser Raum gestaltet ist?

Urs Treuthardt: Ja, das ist sicherlich ein Teil davon. Der andere Teil ist der Teil des Hostings. Nur der Raum bringt auch nichts. Man muss ihn auch gut hosten, ihn gut kuratieren. Man braucht die richtigen Leute dazu. Also welche Leute treffen sich da? Das spielt alles zusammen.

Weil wir sagen: „Ok, nur SO hat eine Veranstaltung oder ein Meeting, oder ein Kongress auch Zukunft.“ Denn wir müssen ja etwas schaffen. Der Soziologe Gerald Schulze hat es treffend formuliert, wenn er sagt: „Das sind Orte, die für das Hirn und für das Herz sind.“ Sonst ist das überflüssig, oder?

Wenn wir uns treffen, dann muss der Ort und das Hosting so gestaltet sein, dass man sich gerne begegnet, dass daraus Beziehungen entstehen. Wenn ich Agenden abhandeln muss, dann mache ich das heute vor dem Computer. Das ist viel effizienter, viel nachhaltiger und geht viel schneller.

Wenn es aber darum geht, Kreativität und Entscheidungsfindung und eben aber über Daten zu schauen und in einen guten Dialog zu treten, dann macht Raum und die Kuratierung dessen sehr viel aus.

 

Edgar Eller: Ich stelle mir gerade unsere Kolleginnen und Kollegen vor, deren Alltag wahrscheinlich häufig darin besteht, dass sie ihre wichtigsten Sitzungen in irgendwelchen Sitzungszimmern im Rathaus, fünfter Stock in U-Bestuhlung abwickeln. Wenn sie Glück haben ist die Sekretärin so nett und stellt Wasser und Kekse rein. Das ist dann, nach deiner Beschreibung, nicht der ideale Ort, um über Visionen und Zukunftsbilder einer Firma zu reden?

Hast du hier die Erfahrung gemacht, dass tatsächlich dieses Setting auch Runden zur besseren Entscheidung gebracht hat? Also würdest du so weit gehen, zu sagen, dass es Sinn macht, in das Hosting zu investieren vor einer wichtigen Sitzung?

Urs Treuthardt: Ja, unbedingt. Ich bin in letzter Zeit schon so darauf fixiert, dass, wenn ich eingeladen werde – und ich werde viel eingeladen zum Thema Innovation und Transformation – wenn du dann in einen Raum kommst, du beschreibst es richtig, U-Bestuhlung, 25 Meter auseinander, und du sprichst über Innovation , da geschieht einfach nichts! Also dann lass es lieber bleiben! Du merkst es. Die Leute wollen da nach zwei, drei Stunden nur raus. Und anschließend bekommst du einen Filterkaffee draußen… Das macht nichts mit dir. Du möchtest da weg. Die Leute müssen ja mit Freude wieder hingehen. Wie das geht, das probieren wir auch hier.

Das ist unser Labor für Begegnungskultur. Das muss man auch üben. Das geht nicht von heute auf morgen. Man muss das spüren.

Dieses Gespür, was gute Begegnungen mit einem machen und wie man dann Entscheidungen trifft, das ist essentiell.

Ich bin ehrlich gesagt schon so weit, dass ich an Meetings einfach nicht mehr teilnehme, wenn sie nicht gut kuratiert sind und in irgendeinem leblosen Sitzungszimmern gemacht werden, mit viel zu vielen Leuten. Das passt dann nicht. Das ist dann eine reine Zeitverschwendung.

 

Edgar Eller: Wenn jetzt jemand in Vorarlberg eine Sitzung plant, hat er Glück, weil er dich und dein Team fragen kann.

Aber was würdest du Menschen aus den anderen Bundesländern empfehlen? Wie kommt man zu so einer Hosting-Qualität? Es einfach auszuprobieren? In sich selbst reinzuhören, wie es einem selber dabei geht? Wie schaffen wir es grundsätzlich, in unseren Organisationen die Sitzungskultur zu verbessern?

Urs Treuthardt: Genau so, wie du es gesagt hast. Also a) selber ausprobieren, den Mut beweisen, es nicht so zu machen, wie es sonst immer üblich ist. Mit dem Beamer vorne und U-Bestuhlung. Auch wirklich in sich selbst reinzuhören: Wo verbringe ich gerne einen Abend mit Freunden? Wo fühle ich mich wohl? Wie komme ich gut ins Gespräch mit Leuten und was braucht es dazu?

Und das auszuprobieren und die Gruppen auch nicht zu überladen. Ich merke auch immer, dass es viel zu viele TeilnehmerInnen gibt. Dann wird es brutal ineffizient. Man kann nicht 25 Leute in einen guten Dialog einbinden. Das geht nicht! Und die TeilnehmerInnen wirklich gut kuratieren. Wer hat was zu diesem Thema beizutragen?

Nicht einfach den einzuladen, den man halt einladen muss, sondern die Leute einzuladen, die auch wirklich einen Beitrag dazu leisten können! Dann auch mit dieser Zeit gut umzugehen. Weil die Leute sich für etwas Zeit nehmen, muss auch für sie selbst was rauskommen. Man muss das Ziel genau definieren.

Man muss Räume schaffen, wo das gelingen und man auch mal scheitern kann. Dann geht es vielleicht mal nicht so gut. Ein guter Dialog passiert dann, wenn mehr Fragen entstehen. Wenn du angeregter danach rausgehst. Mit einer guten Führung, einem guten Hosting steht und fällt es.

 

Urs Treuthardt
Urs Treuthardt

The Art of Hosting, da gibt es auch Trainings. Das ist etwas, das ich jedem sehr stark empfehlen kann, so ein Art of Hosting-Training.

Da geht es genau um den Einsatz von verschiedenen Formaten. Dann muss man einfach ausprobieren, es ein bisschen anders zu machen und sich immer wieder zu fragen: „Ok, wenn ich irgendwo eingeladen bin, wo fühle ich mich wohl, wo komme ich gut ins Gespräch und wo gehe ich gerne hin?“

 

Edgar Eller: Ein sehr schönes Bild. Es macht richtig Spaß, sich das vorzustellen. Aber an einem Punkt hänge ich noch. Du hast vorhin gesagt, man soll sich die Leute aussuchen, die etwas zu sagen haben und mit denen man sich gerne unterhalten würde. Das geht bei Gremien nicht immer.

Viele unserer Kolleginnen und Kollegen würden sich freuen, wenn sie sich bei ihren Gremien aussuchen könnten, mit wem sie gerne reden wollen und mit wem nicht.

 

Wäre es eine Möglichkeit oder vielleicht auch eine Empfehlung deinerseits, zu sagen: Ok, die Gremien sind das eine – und selbst da kann ich natürlich schauen, es so zu gestalten, dass ein gutes Gespräch passiert – , aber sich vielleicht zusätzlich zu gewissen Themen einfach auch mal außerhalb der Gremien sich gute Leute zu suchen für gute Gespräche?

Urs Treuthardt: Ja, absolut. Ich sehe das auch jetzt. Während Corona haben wir gelernt, dass Agendapunkte und Gremiensitzungen, die auch ich abhalten muss, oder Vorstandssitzungen, online gut funktionieren. Es geht um die Frage: Wo ist es effizienter, sich online zu treffen und wo ist es effizienter, über ein Thema wirklich zu sprechen?

Wo braucht es die Kreativität des Menschen? Da muss man auch hinreisen. Das darf man nicht vergessen. Die Anreise ist nicht zu unterschätzen. Da verliert man viel Zeit. Da ist man nicht effizient, oder? Ich habe gemerkt, die ganzen Meetings, die ich auch abhalten muss, die mache ich heute lieber online.

Da ist man effizienter was Abstimmungen betrifft. Man muss halt einfach lernen, wo es die Kreativität braucht, wo es die Auseinandersetzung braucht. Immer braucht es das nicht, oder? Generell, finde ich, machen wir sowieso zu viele Meetings und Seminare.

Das ist dann eine riesige Zeitverschwendung, wenn man es nicht gut und professionell macht und die Ziele nicht gut definiert.

Also Punkt a), generell zu hinterfragen, ob es das wirklich braucht?!

Wenn ja, welches Format es braucht?

Was will ich daraus? Einen Kreativitätsansatz haben, oder braucht es die Begegnung? Wenn es die Begegnung braucht, dann bitte richtig gut machen! Sonst ist es eine Zeitverschwendung. Sonst ist es über MS-Teams oder ein Onlinemeeting oft viel effizienter, wenn es nicht darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen.

 

Dataroom Bodensee-Vorarlberg

 

Edgar Eller: Vielen Dank für diesen doch sehr inspirierenden Tipp. Ich würde noch ganz gerne auf den zweiten Begriff Data Room zu sprechen kommen. Wir haben jetzt viel über den Raum geredet. Jetzt geht es noch ein Stück weit über Daten.

Du hast vorhin schon erwähnt, das der Haupttreiber oder einer der beiden Treiber war, diesen Raum zu konzipieren, indem ihr von Daten lernen wolltet. Das hat mich etwas verwundert, weil ich dachte: wir haben so viele Daten und die Daten lägen vor und Facebook weiß eh alles über uns. Wir müssen die nur fragen. Ist es nicht so? Oder ist es ein bisschen komplizierter?

Urs Treuthardt: Ja, ich habe am Anfang genau das Gleiche gedacht. Mit diesem Gedanken und mit diesem Anspruch bin ich reingegangen. Ich habe gesagt: „Wenn Google und Facebook alles über uns wissen, dann muss es uns gelingen, das zusammenzutragen.“

Die Daten sind ja vorhanden. Aber es braucht die richtigen Fragen. Das war dann das erste, wichtige Learning: Wenn du keine wirkliche Frage oder keine Entscheidung zu treffen hast, dann bringt es dir nichts, dann musst du die Daten auch nicht zusammensuchen.

Wir haben dann die Frage gestellt, wie sich der Tourismus bei uns in der Destination durch die Pandemie verändert hat.

Mit Daten in PDFs gefangen, kannst du nicht arbeiten. Daten in Einsen und Nullen, die du verschneiden kannst und die standardisiert sind, mit denen kannst du etwas tun. Übrigens auch bei mir – es fehlt uns an einem Grundverständnis, wir nennen es Data-Literacy, was Daten tun und wo Daten herkommen.

Wir haben vergessen, wie man sie liest, wie man sie verarbeitet, was das überhaupt ist. Jeder spricht darüber, aber keiner weiß eigentlich genau, was es ist. Und über welche Daten wir dann konkret sprechen? Sind es Bilder oder sind es Dinge?

Die meisten sagen dann: „Ja, wir haben schon Daten“ und dann fragst du: „Ja wo?“ und dann kommt eine Excel-Tabelle raus oder ein PDF oder ein Word Dokument. Da fehlt es an vielen Orten. Auch hier im Land Vorarlberg gibt es keine Übersicht, wer welche Daten besitzt. Und in welcher Qualität und zu welchem Thema sie aufgearbeitet wurden.

Da besteht ein riesiges Potential, auch für das Gemeinwohl. Wenn du Daten mit öffentlichen Mitteln einkaufst, die du für verschiedene Zwecke brauchen kannst. Die privatwirtschaftlichen Firmen, die wissen alles über uns und machen richtig Geld damit.

Und wir bringen es nicht zustande, diese Daten zu nutzen für das Gemeinwohl.

Das hängt viel mit dem Datenverständnis zusammen. Das ist die erste, große Baustelle. Es ist auch nicht das Problem, dass wir nicht genügend Daten hätten. Das sagt auch Viktor Mayer-Schönberger. Er war hier und hat genau diese Sachen erforscht.

Uns hängen die Daten aus den Ohren raus. Aber es ist nicht die Menge an Daten und Daten sind auch nicht das Gold der Zukunft, sondern Daten sind nur so gut, wie man damit arbeitet. Da fehlt es an vielen Ecken und Enden.

Wir gestalten viele Dashboards momentan und kaufen Daten ein und wissen am Schluss gar nicht, a) was wir damit tun sollen und b) noch viel schlimmer, niemand  trifft die Entscheidung darüber. Man kauft viele Daten ein, um zu bestätigen, was man eh schon weiß. Anstatt mit dem zu arbeiten was man hat und diese Daten zu verschneiden.

 

Urs Treuthardt
Dataroom Bodensee-Vorarlberg

 

Edgar Eller: Den zweiten Teil, glaube ich, den habe ich verstanden. Das heißt, wir brauchen erstmal eine Frage und wir brauchen etwas, das wir entscheiden wollen. Dann können uns Daten helfen, wenn wir wissen, wie wir sie nutzen, um Entscheidungen besser zu treffen. Wo ich noch einmal nachhaken möchte, ist diese Frage, wie diese Daten vorliegen?

Du hast gesagt „Ja, wir haben Daten!“ und dann sagst du: „In PDFs.“ Machen wir mal ein konkretes Beispiel: Ein Standort macht eine Analyse über gewisse Kennzahlen. Frequenzen, touristische Kennzahlen und so weiter. Sehr häufig wird das beauftragt. In der Regel sind es nicht die Akteure selber, die diese Erhebung machen können, sondern man lagert es aus.

In der Praxis passiert es dann häufig so, dass es eine Präsentation und einen Abschlussbericht gibt und das ist dann der Status quo, dass die Ergebnisse in einem PDF, das auf einer Powerpoint basiert, zusammengefasst sind. Wenn ich das aktualisieren möchte, fünf Jahre später, dann gebe ich der gleichen Firma oder einer anderen Firma den gleichen Auftrag und dann kriege ich eine neue Powerpoint als PDF.

Deine Idee wäre, zu sagen: „Wenn ich im ersten Ansatz diese Daten als offene Daten bekommen hätte und bei der Aktualisierung auch noch, dann könnte ich danach mit diesem Überblick von vor fünf Jahren heute ganz anders arbeiten. Weil ich vielleicht Fragen, die erst danach kommen, tatsächlich durch diese Daten beantworten kann und sie nicht jedes Mal wieder neu beauftragen muss.

 

Das heißt, einen großen Mehrwert an Daten habe ich dann, wenn diese Daten in einem lesbaren Format – was auch immer das dann ist, da gibt es, denke ich, verschiedene Qualitätsstufen – aber grundsätzlich in einem lesbaren Format vorherrschen. Ist das so korrekt?

Urs Treuthardt: Genau. Das ist absolut korrekt und das haben wir auch gesehen. Es braucht Daten, also Nullen und Einsen, damit du sie wieder verwenden kannst. Du sprichst Wertschöpfungsstudien an, die wir oft machen oder die auch in Stadtmarketings viel gebraucht werden.

Es gibt Mobilitätsdaten. Wir haben Simkarten-Tracking gemacht. Da kannst du heute über A1 und Hutchinson und wie sie alle heißen, sehr gute Daten, Bewegungsdaten haben. Dann brauchst du Wertschöpfungsdaten. Die kannst du von Kreditkartendaten kaufen. Und das verschneidest du noch mit Wetterdaten.

Also wenn du drei Datensätze hast, über die du verfügen kannst und du verschiedene Thesen und Fragen drüberlaufen lassen kannst, dann hast du schon sehr viel. Dann fängt aber die Arbeit eigentlich erst an. Es bringt nichts, wenn jede Stadt die Daten einzeln kauft. Das ist viel zu teuer.

Wir müssen davon wegkommen, dass jede Destination oder jede Stadt die einzelnen Daten einkauft.

Urs Treuthardt: Das rechnet sich nie! Erstens hast du in der Stadt gar nicht diese DatenexpertInnen, die das lesen können. Zweitens kosten diese Daten viel. Das ist deren Geschäftsmodell. Aber wenn du im großen Topf einkaufst, dann kannst du mit diesen Daten arbeiten.

Das ist auch der große Trugschluss vieler, die sagen dann: „Ok, jetzt habe ich die Daten.“ Aber dann fängt die Arbeit wirklich erst an. Dann musst du sie analysieren, Leute einladen, die verschiedenen Hypothesen stellen. Dann musst du die Grundlage für besseres Entscheiden anhand von dem erarbeiten.

Das unterschätzen viele Leute. Es ist nicht getan mit einem Dashboard. Wirklich etwas verändern tust du erst im Prozess danach. Also wir müssen meiner Meinung nach zwei Sachen tun. Wir müssen wichtige Daten wieder zurückholen zu uns.

Auch wenn wir Gästekarten oder digitalisierte Gästekarten machen, sagen wir: „Ok, wir behalten die Daten. Bei uns bezahlen halt die Gäste mit Daten.“ Aber die stellen wir dann für das Gemeinwohl zur Verfügung. Also wir müssen an die großen Datentöpfe ran und wir müssen begreifen, dass es erst nachher anfängt.

Das Arbeiten mit Daten ist erst nachher effizient. Wenn du die richtige Frage und die ganzen Prozesse dahinter stellst. Das wurde uns hier auch klar in diesem Projekt.

 

Urs Treuthardt
Urs Treuthardt

 

Edgar Eller: Gibt es auch hier für unsere Kolleginnen und Kollegen einen Tipp, wie sie mit diesem riesigen Feld beginnen können? Weil ich glaube, man kann es noch nirgends studieren oder eine Weiterbildung in dem Bereich machen. Das, was ihr hier macht, ist ja Pionierarbeit. Dennoch gibt es sicherlich Einige, die sich ebenfalls auf den Weg machen wollen. Was würdest du denen empfehlen? Wie beginnt man so eine Reise?

Urs Treuthardt: Gute Frage. Wir sind übrigens auch immer noch am absoluten Beginn der Reise. Viktor Mayer-Schönberger hat, gesagt dass wir doch schon weit vorne sind, in diesem Prozess, vor allem im Denken…

Dennoch, beginnen zu sagen: „Ich habe wichtige Entscheidungen zu treffen und ich will das datenbasiert machen.“ Dieser Entscheid muss mit allen Konsequenzen getroffen werden, was danach kommt. Sonst lass es besser sein!

Es geht jetzt nicht mehr lange, dann macht das die künstliche Intelligenz und bearbeitet uns sowieso alles. Du kannst dir das Geld jetzt sparen, wenn du hinterher nicht bereit bist, zu investieren. Wenn du das aber bist, dann brauchst du die besten Köpfe. Dann musst du mit einem offenen Geist rangehen und Step-by-Step das ausprobieren, im Kleinen. Kleine Hypothesen, kleine Fragen.

Oder mit einer Frage beginnen. Dann suchst du und dann gehst du wieder zurück. Dann passt du die Frage an. Dann bringst du die Leute zusammen… Das ist eigentlich der Prozess. Nicht gleich – das machen wir auch oft falsch – nicht gleich einen großen, einen riesigen Datahubspace errichten mit viel Geld, wo dann am Schluss hinten nichts rauskommt.

 

Also entscheide zuerst: „Ok, ich möchte diesen Weg gehen. Der ist mühsam. Das ist Step-by-Step und in kleinen Schritten.“ Darum arbeiten wir hier mit ServicedesignerInnen zusammen. Der Gedanke dahinter ist, dass du klein anfängst und immer wieder Iterationen machst, damit lernst und so weitergehst.

Diese beiden Dinge kann ich empfehlen. Aber wenn du nicht bereit bist, die weitere Arbeit zu machen, kein gutes Team, kein gutes Setup hast, dann lass es lieber bleiben. Dann gibst du viel zu viel Geld für nichts aus.

 

Edgar Eller: Das heißt, in die Menschen und in den Prozess zuerst zu investieren und dann zu schauen, mit welchen Daten man arbeitet, anstatt viel Geld für Daten auszugeben und sich dann zu fragen: „Oh, was mache ich jetzt damit?“

Urs Treuthardt: Genau.

Edgar Eller: Super. Vielen Dank für das Gespräch und für die wertvollen Tipps.

Urs Treuthardt: Danke dir.

 

Titelbild (c) Magdalena Türtscher büro magma

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Edgar Eller

Selbständiger Unternehmensberater und Hochschullehrer.

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