Der neue City-UnternehmerInnen-Typus
08.03.2023
Wirtschaft
08.03.2023
Wirtschaft
Ein neuer UnternehmerInnen-Typus erobert die Innenstädte. Wie er tickt, was er braucht und wie die Stadtzentren von ihm profitieren können, beschreibe ich in diesem Beitrag. Die Innenstädte befinden sich im Umbruch. Alte Strukturen brechen weg, neue Betriebe erobern die Stadtzentren.
Stadtkernbezogene Neugründungen mit innovativen Konzepten sind bereits seit einigen Jahren am Vormarsch. Corona hat den bestehenden Trend weiter befeuert, man spricht gar von einem erwarteten Phönix-Effekt in der Post-Covid19-Phase.
Nachhaltigkeit, Qualitätsbewusstsein, Regionalität sind die neuen Werte der Konsumentinnen, die idealerweise mit digitalisierten Zusatzangeboten gekoppelt werden. So entstehen Fahrradshops mit Reparaturwerkstatt und Transportdienstleitungen (etwa: Pedal Piraten, Lustenau oder Mountainbiker in Klagenfurt), ein handverlesener Gewürzladen mit Webshop (etwa: 7Spices, Lustenau), eine Messermanufaktur mit Kursangebot und Webshop (etwa: Messermacher in Salzburg oder ein stationärer und E-Shop für nachhaltige Kindermode und – spielzeug (etwa: Frech & Wild Lieblingskinderladen, Ried).
Dahinter steht ein neuer City-UnternehmerInnen-Typus mit ganz speziellen Qualitäten – und die große Chance für mehr Vitalität in all den Innenstädten, die mit Leerständen zu kämpfen haben. Die neuen City-UnternehmerInnen sind Startups im bodenständigen Sinn, die frischen Wind und wieder mehr Frequenz in die Stadtkerne bringen.
Und als solche sind sie eine wichtige Zielgruppe für Stadtmarketing-Organisationen in ihren Aufgabengebieten wie Standortmarketing, Geschäftsflächen-Management oder Fragen der Immobilienbewirtschaftung und der Stadtentwicklung an und für sich.
NeugründerInnen, die mit ihrem Unternehmen nun die Innenstadtlagen bevorzugen, haben in der Regel ein recht eindeutiges Profil. Zu ihren Charakteristika zählen:
Der neue UnternehmerInnen-Typus braucht gewisse infrastrukturelle und atmosphärische Bedingungen, die erfüllt sein sollten. Deshalb bevorzugen sie Städte mit folgenden Qualitäten:
Finanzielle Förderungen. Information. Vernetzung. Beratungsleistungen. Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, mit denen man den neuen City-UnternehmerInnen auf den Weg helfen kann. Einige spannende Ansätze, die erfolgreich in unterschiedlichen österreichischen Städten umgesetzt wurden, werden folgend beschrieben:
Vonseiten der Länder, Städte, Gründeragenturen und anderen öffentlichen Institutionen haben sich unterschiedliche Fördermodelle etabliert.
Die Pop Up Store-Kooperation in Klagenfurt etwa bietet im Rahmen eines Wettbewerbs neben Direktzuschüssen vom Kärntner Wirtschafts Förderungs Fonds auch Mietzuschüsse bis 50 Prozent der Nettomiete auf ein halbes Jahr, die die Stadt finanziert. Darüber hinaus werden Gratis-Beratungsleistungen zum Geschäftsmodell sowie dem Finden einer geeigneten Fläche angeboten.
Ein Förderprodukt, das mittlerweile in vielen österreichischen Städten über die Stadtmarketing-Organisationen umgesetzt wird, ist „StadtUP“. Es setzt bei der gezielten fachlichen, marketingtechnischen Förderung und Begleitung der GründerInnen und JungunternehmerInnen im Verlauf des ersten, meist schwierigen Startjahres an.
Im Zuge eines Bewerbungs- und Auswahlverfahrens werden die besten marktfähigen und umsetzungsreifen Unternehmenskonzepte unterstützt. Beispielsweise mit einem Marketingstartpaket, Unterstützung bei der Geschäftsflächensuche, Förderberatung, diversen Internet-Leistungen, Steuer- und Rechtsberatungsleistungen etc. Diese Leistungen werden durch ein breites Partnernetzwerk generiert und über EU-Mittel kofinanziert.
Auf eine innerstädtische Ballung von innovativem Unternehmergeist setzen Stadtentwicklungsprojekte wie die international beachtete „Tabakfabrik“ in Linz, die „Postgarage“ in Dornbirn oder der Makerspace Carinthia in Klagenfurt.
Hier geht es in erster Linie um die Bereitstellung von geeigneten, leistbaren Flächen und die Vernetzungsmöglichkeit der GründerInnen untereinander. Mit dem positiven Nebeneffekt, dass dadurch Innenstädte mit neuem Publikum belebt und ganze Stadtteile neu geframed werden.
Binnen 13 Jahren wurde beispielsweise die Tabakfabrik ein „inspirierender Kreativcampus, eine gefragte Eventlocation, vielseitiger Bildungsstandort und kollaborativer Konzern, in dem mehr als 250 Organisationen – vom Start-up bis zum Global Player – von einem gemeinsamen Innovationsökosystem profitieren“, sagt Chris Müller, Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden der Tabakfabrik Linz.
Der Stadtteil rund um die alte Zigarettenfabrik wächst. Neue Unternehmen, Wohnprojekte und Freizeiteinrichtungen siedeln sich an.
Es müssen aber nicht immer die ganz großen Dimensionen sein. Die „Gießerei“ in Ried beweist, dass die neuen City-UnternehmerInnen selbst Hand anlegen, wenn sie wollen. Initiiert wurde die Gießerei beispielsweise vom Verein zur Förderung nachhaltiger Lebens- und Wirtschaftsteile TRAFOS, der für das Projekt eigens eine Genossenschaft gegründet hat.
Die Mitglieder haben dafür in Summe 1500 Stunden Arbeit ehrenamtlich in die Sanierung des 700 Jahre alten Zinngießerhauses gesteckt. Ganz nach ihrer Prämisse, daraus ein Haus der Nachhaltigkeit zu entwickeln. Heute ist die Gießerei ein Treffpunkt mitten in der Stadt und ein Kristallisationspunkt für neue Ideen – samt Marktplatz für regionale handgearbeitete Produkte, einer Kaffeerösterei, Pop Up-Geschäftsflächen und Co-Workingspace.
Ein ähnliches Beispiel ist die Hafenstadt Urban Area in Klagenfurt. Dabei handelt es sich um ein leerstehendes, altes Gebäude direkt am zentralen Lendhafen, das vom nunmehrigen Betreiber Michael Pontasch zu einem multifunktionalen urbanen Begegnungszentrum wachgeküsst wurde, samt Cafe-Betrieb, Co-Working-Spaces & Ateliers, einem kleinen Laden für regionale Lebensmittel, Kulturbetrieb im Kellergewölbe sowie vielen Potenzialräumen, die für Pop Up-Stores genutzt werden können.
Der Weg der Villacher Lederergasse von der wilden Partyzone zur Flaniermeile mit netten Betrieben neuen Zuschnitts führte über eine ehrliche Thematisierung der Situation und die aktive Einbindung der Betroffenen. 2011 gründete man daher einen Verein der ImmobilienbesitzerInnen, sie erhielten finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand für neue Ansiedelungen. Die organisatorische Abwicklung hat das StaMa übernommen.
Heute ist die Lederergasse also voll rehabilitiert, mit netten Ausgehlokalen, innovativen Läden für Aromatherapie oder Holzspielzeug und einem Co-Workingspace, aus dem heraus sich immer neue Unternehmen in der Gasse ansiedeln. Gerhard Angerer, unter dessen Ägide man die Quartiersentwicklung startete, sagt: „Die Lederergasse zeigt, dass Ausdauer und somit der Faktor Zeit bei innerstädtischen Entwicklungsprojekten notwendig sind.“
Er sieht den neuen UnternehmerInnen-Typ, der nun pandemiebedingt schneller als erwartet auf den Markt drängt, als „Jahrhundertchance“ für die innerstädtische Entwicklung.
Ähnliches vollzieht sich beispielsweise gerade in Klagenfurt rund um den Kardinalsplatz. Die eigens dafür gegründete Viertelagentur von Bea Bednar wurde 2016 damit beauftragt, dem etwas verschlafenen, und von Leerständen gekennzeichneten „Kardinalviertel“ neues Leben einzuhauchen. Die Arbeit beginnt nun, Früchte zu tragen.
Derzeit wird ein großes, zuvor lange vor sich hin dämmerndes Gebäude am Platz renoviert. In ihm soll schließlich eine Co-Living-Initiative Platz finden für günstiges, vernetztes Wohnen in der Stadt. Eine österreichweite Burger-Kette im Erdgeschoss wird bis zum Sommer ihre erste Kärnten-Filiale eröffnen, eine sommerliche Konzertreihe namens „Urban Echo“ bringt dann im Sommer immer mittwochs Konzerte ins Viertel.
Angrenzend wurde der Lebensraum Bahnhofstraße geschaffen. Dabei handelt es sich um eine verkehrsberuhigte Zone mitten in der Stadt, die Raum lässt für Fußverkehr und kleine Events und Verweilmöglichkeiten bietet wie einen outdoor Stadtarbeitsplatz.
„Finanzielle Unterstützung allein halte ich nicht für nachhaltig. Wir in Wels setzen vor allem auf professionelles Begleiten von GründerInnen. Sie brauchen rasche und saubere Information und Zugänge zu Locations und Immobilieneignern bzw. passgenaue Vernetzung mit anderen Servicestellen “, meint etwa Peter Jungreithmayr vom Wels Marketing, wo man auf nachhaltige Ansiedelung von City-Startups setzt. „Das Potenzial dieser jungen UnternehmerInnen ist also unerlässlich gegen den Niedergang des Innenstadthandels“.
Er denkt das StaMa-Portfolio diesbezüglich im großen Zusammenhang. „Das reicht daher von Markenarbeit über Dekoration bis hin zu Stadtplanung und einem gesamtheitlichen Ansatz von Lebensraum-Bespielung.“ Mit Erfolg. In Wels gibt es derzeit in A-Lagen 0 Prozent Leerstände, in der gesamten Innenstadt sind es 2,5 Prozent.
Der neue City-UnternehmerInnen-Typus stellt also auch an die Stadtmarketing-Organisationen (StaMa) neue Anforderungen und bedeutet einen Paradigmenwechsel in ihrem Aufgabenportfolio. Vonseiten des Stadtmarketings braucht es daher:
Befeuert von den strukturellen und persönlichen Veränderungsprozessen der Corona-Phase drängt der neue City-UnternehmerInnen-Typus nun folglich noch massiver als erwartet in die Innenstädte, das wurde auch hier schon erörtert.
Dieser Beitrag ist Teil 1 einer zweiteiligen Serie zum neuen UnternehmerInnen-Typus, beleuchtet die Eigenschaften und Bedürfnisse dieser Innenstadt-NeugründerInnen, listet Best Practice-Beispiele aus Österreich im Umgang mit diesem neuen Typus auf und thematisiert die dadurch auf Stadtmarketing-Organisationen zukommenden, neuen Aufgaben.
Teil 2 wird sich dann mit konkreten UnternehmerInnen-Beispielen und ihren USPs quer durch Österreich beschäftigen und demnächst hier am Blog veröffentlicht.
Titelbild: Der neue City-UnternehmerInnen-Typus am Beispiel Stadtarbeitsplatz Lebensraum Bahnhofstraße (c) KLAMAG
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