UNESCO-Weltkulturerbe in Wien: umstrittene Auszeichnung
30.05.2017
Architektur, Kultur
30.05.2017
Architektur, Kultur
Ein Blogbeitrag von Mag. Thomas Mitzka, Wirtschaftskammer Wien, zum Thema „UNESCO-Weltkulturerbe in Wien“.
Durch ein lange geplantes Bauprojekt, die Neugestaltung des Heumarkts, könnte Wien seinen Weltkulturerbe-Status verlieren. Eine wichtige Entscheidung dazu soll bereits im Sommer fallen. Wer verstehen will, worum es in dieser Diskussion geht, sollte sich mit dem „Erbe der Menschheit“ auseinandersetzen.
International gibt es derzeit über 1.000 UNESCO-Welterbestätten. Was sie alle vereint, ist ihre Außergewöhnlichkeit und hohe Bedeutung. Ernannt werden sie von der UNESCO, der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Grundlage dafür ist die sogenannte Welterbekonvention. Dieser Völkerrechtsvertrag ist 1975 in Kraft getreten, fast alle Mitglieder der Vereinten Nationen haben ihn ratifiziert. Kern der Konvention ist die Verpflichtung, das gemeinsame Erbe zu sichern. Dazu werden schützenswerte Kultur- und Naturgüter in eine internationale Liste aufgenommen.
Dahinter steht der Gedanke, dass diese Stätten zum Erbe der gesamten Menschheit gehören und als solche bewahrt werden sollen. Die Zerstörung oder der Verfall dieser Orte und Stätten wäre demnach für die Menschheit ein unersetzlicher Verlust. Das gilt für die ägyptischen Pyramiden ebenso wie für die Kulturlandschaft Wachau.
Damit eine Stätte in die Liste aufgenommen wird, muss der jeweilige Staat die Welterbekonvention unterzeichnet haben – so wie Österreich im Jahr 1993. Die Anträge für Objekte werden jeweils bis zum 1. Februar für das darauf folgende Jahr beim Welterbezentrum der UNESCO in Paris eingereicht. Anschließend folgt eine umfassende Prüfung durch ExpertInnen des ICOMOS (Internationaler Rat für Denkmalpflege) und der IUCN (Weltnaturschutzunion), die eine Empfehlung abgeben.
Jedes Jahr wählt das Welterbekomitee Stätten aus, die in die Liste aufgenommen werden. Diese Objekte können entweder Weltkulturerbe, Weltnaturerbe oder beides sein. Voraussetzung ist, dass die Stätten bereits von bestehenden Gesetzen des jeweiligen Staates geschützt werden. Darüber hinaus gibt es Kriterien, von denen eines oder mehrere erfüllt sein müssen: zum Beispiel, dass das Objekt die Entwicklung von Architektur oder Landschaftsgestaltung zu einer bestimmten Zeit wesentlich geprägt hat.
Die meisten Einträge auf der Liste gehören zur Kategorie der Kulturerbestätten. Darunter finden sich beispielsweise die Chinesische Mauer, die Akropolis in Griechenland und der Kölner Dom. Die Aufnahme bringt eine Reihe von Verpflichtungen mit sich, etwa das Befolgen von Managementplänen zu Schutz und Erhaltung der Stätten.
In Österreich gibt es derzeit neun Welterbestätten (in der Reihenfolge ihrer Ernennung):
2001 wurde das historische Stadtzentrum Wiens zum Weltkulturerbe erklärt. Die geschützte Fläche umfasst den ersten Bezirk und reicht bis in die Nachbarbezirke hinaus. Bald könnte diese Auszeichnung für die Bundeshauptstadt jedoch der Vergangenheit angehören.
Stein des Anstoßes ist die geplante Umgestaltung des Heumarkts im dritten Wiener Gemeindebezirk durch InvestorInnen. Neben dem Hotel Intercontinental und dem Areal des Wiener Eislaufvereins soll ein Wohnturm mit Luxuswohnungen entstehen. Ursprünglich hätte der Turm 73 Meter hoch werden sollen, nach längerer Bedenkzeit wurde auf 66 Meter reduziert. Die UNESCO kritisiert, dass der Turm damit immer noch zu hoch wäre. Außerdem würde die Baustruktur nicht ins historische Stadtbild passen. Damit steht die Entziehung des Welterbe-Status für das Stadtzentrum im Raum.
Bereits 2016 hat die UNESCO klargemacht: Wenn die Stadt Wien an den Umbauplänen festhält, kommt sie auf die „Rote Liste“. Mit diesem Warnsystem werden der jeweilige Staat und die übrigen Mitglieder zum Handeln aufgerufen, um die gefährdete Stätte zu retten. Ursache für den Eintrag in der Roten Liste können Kriege und Naturkatastrophen sein – oder eben, wie in Wien, bauliche Veränderungen. Falls diese Warnung keine Wirkung zeigt, ist die finale Konsequenz das Streichen von der Welterbeliste.
Genau das ist vor einigen Jahren in Deutschland passiert: Das Dresdner Elbtal war 2004 zum Weltkulturerbe ernannt worden, zwei Jahre später wurde es auf die Rote Liste gesetzt. Der Grund war, dass die Stadt den Bau einer Straßenbrücke durch das Tal plante. Als die Bauarbeiten begannen, wurde damit aus Sicht der UNESCO die Kulturlandschaft zerstört und schließlich – als Konsequenz – der Welterbestatus aberkannt.
Umstritten bleibt, wie wichtig diese Auszeichnung für eine Stadt tatsächlich ist. Lohnt es sich, für die bauliche Umgestaltung den Entzug des Welterbe-Status zu riskieren?
Herr Kettner, welche Bedeutung hat der Welterbe-Status für Wien?
Wien wurde das Prädikat „Weltkulturerbe“ verliehen, weil die Stadt Bauten aus verschiedenen Epochen vorzuweisen hat und diese gut schützt. Dass wir mit unserem historischen Erbe auch für künftige Generationen achtsam umzugehen haben, nicht zuletzt um eine attraktive Destination für Reisende zu bleiben, steht völlig außer Frage.
Welche Folgen hätte der Entzug des Welterbe-Status?
Diese Frage thematisierte der ehemalige Direktor des UNESCO-Weltkulturerbe-Zentrums Francesco Bandarin 2004 in seinem Vorwort für das Buch „The Politics of World Heritage“. Er bezweifelte darin, dass sich der Weltkulturerbe-Status in international wohlbekannten Standorten auf Gästezahlen auswirken würde – im Gegensatz zu weniger bekannten Destinationen. Die Verleihung des Prädikats Weltkulturerbe an die Wiener Innenstadt 2001 hatte keine messbaren touristischen Folgewirkungen. Eine Aberkennung wäre bedauerlich, hätte aus touristischer Sicht allerdings ebenso keine Auswirkungen.
Wo sehen Sie die Herausforderungen des Welterbes zwischen dem Bewahren und Entwickeln einer historischen Stadt wie Wien?
Ohne eine qualitätsvolle – auch architektonische – Weiterentwicklung der Stadt weist man seinem eigenen Erbe nur noch musealen Wert zu und untergräbt damit dessen wichtige Bedeutung. Eine Stadt muss sich weiterentwickeln, um für BewohnerInnen und Gäste attraktiv zu bleiben. Wenn ich im Ausland unterwegs bin, werde ich nie gefragt: „Ist Wien noch schön?“, sondern jeweils: „Was gibt es Neues?“. Leider haben sich die Architekturdiskussionen der vergangenen Jahre weg von einer Qualitäts- hin zu einer reinen Epochen- und Höhendiskussion entwickelt.
Herr Landerer, was bedeutet der Weltkulturerbe-Status für Wien?
Das Weltkulturerbe ist für uns Prestige und Auszeichnung – und eine Verpflichtung.
Was wären die Folgen einer Entziehung des Welterbe-Status?
Die Folgen wären Prestigeverlust sowie eine weltweite kulturelle Blamage. Meines Wissens wären wir international die erste Stadt, die den Weltkulturerbe-Status verliert. Denn in Dresden ging es ja nicht um die Stadt selbst, sondern um das Dresdner Elbtal. Der Verstoß gegen die Welterbekonvention wäre auch ein Staatsvertragsbruch – und damit das Ende des Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit.
Steht das Weltkulturerbe aus Ihrer Sicht einer Weiterentwicklung der Stadt im Weg?
Jedes Bauvorhaben in Wien ist gesetzlich reglementiert, der Weltkulturerbe-Status bringt nur vergleichsweise leichte Einschränkungen mit sich. Aus meiner Sicht spricht kein triftiges Argument dagegen, die geplante und von der UNESCO kritisierte Kubaturvergrößerung durch Höherzonung außerhalb des als Welterbe geschützten Areals zu errichten.
Weltkulturerbe Wien: Ungewisse Zukunft
Das Welterbekomitee der UNESCO tagt nur einmal im Jahr, heuer in Krakau. Im Juli 2017 wird dort entschieden, ob Wien auf die Rote Liste gesetzt wird. Schon ein Jahr später könnte der Bundeshauptstadt der Weltkulturerbe-Status entzogen werden.
Anfang Juni soll folglich der Wiener Gemeinderat über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan auf dem Heumarkt-Areal abstimmen. Inzwischen hat Baden bei Wien angekündigt, sich gemeinsam mit zehn weiteren europäischen Kurstädten als UNESCO-Weltkulturerbe zu bewerben. Rund um das Welterbe in Österreich bleibt es also spannend.
Um einen tieferen Einblick zu erhalten, haben wir mit einem Experten zum Thema Welterbe gesprochen: Professor Kurt Luger hat an der Universität Salzburg den UNESCO-Lehrstuhl für „Kulturelles Erbe und Tourismus” inne. In wenigen Tagen lesen Sie hier im Blog, welche Perspektiven Wien jetzt hat und welche Erfahrungen in Salzburg – schon länger eine Weltkulturerbe-Stadt – bereits gesammelt wurden.
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