Studenten und Studentinnen in der Stadt – Gaudeamus igitur?
22.03.2022
Gesellschaft, Trends
22.03.2022
Gesellschaft, Trends
Das Student*innenleben hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verändert, denn es gibt immer mehr Studenten in der Stadt, die ihre akademische Ausbildung berufsbegleitend abschließen. Fachhochschulen mit ihren vielfältigen Angeboten halten sich an ein striktes Curriculum, das ganztägigen Schulformen ähnelt.
Neben den traditionellen Universitäten in Wien, Graz, Leoben, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt und Linz sind neue Standorte dazugekommen, die Privatuniversitäten, ausgelagerte Institute und Fakultäten beherbergen. Vor allem die Fachhochschulen haben sich überwiegend in Bezirkshauptstädten etabliert.
Daher verlangt das „süße Student*innenleben“ nach neuen Parametern. In wenigen Städten leben Student*innen mitten in der Stadt und sind Teil des Alltags. In den meisten Fällen hat sich die Idee des Uni-Campus durchgesetzt. Diese geänderte Situation ist für Städteplaner*innen und Entscheidungsträger*innen von eminenter Bedeutung. Werfen wir daher einen durchaus kritischen Blick auf das Hier und Heute.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. An den österreichischen Universitäten ist die Zahl der Studierenden in den letzten zehn Jahren um 16,3 Prozent gestiegen. Derzeit sind mehr als 376.000 Menschen inskribiert. Mit rund 45.660 ordentlichen und 2.500 Lehrgangs-Studierenden belegen Fachhochschulen aktuell den zweiten Platz des Hochschul-Rankings.
Die 21 Standorte mit mehr als 66.500 Studierenden in 708 Studiengängen befinden sich zum Gutteil in kleineren Städten. Mehr dazu lesen Sie hier.
Die saisonalen Anforderungen an den öffentlichen Verkehr, an Gastronomie- und Freizeiteinrichtungen, sowie der gestiegene Bedarf an konsumfreien öffentlichen Räumen stellen Kommunen vor große Herausforderungen. Dazu kommt die Selbstverständlichkeit von leistungsstarkem Internet in der ganzen Stadt und cooler Möblierung des öffentlichen Raums.
Mit der Zahl der Studierenden steigen die Herausforderungen. Klassische Student*innen von anno dazumal existieren nur mehr am Rande. Viele Studierende arbeiten dreißig Wochenstunden und bevorzugen geblockte Lehreinheiten. Vorbei ist das Vergnügen beim anschließenden Treffen in der Stadt oder mit dem Studenten*innen-Abo für Theater und Oper. Die meisten verlassen bereits Donnerstag ihren Studienort und fahren nach Hause ins „Hotel Mama“ um Geld zu sparen oder aus Bequemlichkeit.
Die strengen Eltern der Nachkriegsgeneration gibt es nicht mehr. Freiheit ist auch zu Hause möglich – das Wochenende verbringen sie also nicht vor Ort. Was kann man tun, um als Stadt attraktiv zu sein, studentisches Flair zu schaffen und „Bewohner*innen auf Zeit“ stärker an den Studienplatz zu binden?
Student*innenheime gibt es, doch haben sie zu wenig Plätze oder sind zu teuer. Für Einzel- oder Zweibettzimmer ab 10m² werden monatlich zwischen 300 bis 470 Euro verlangt – inklusive Heizung, Strom, Internet (Wi-Fi), Zimmerreinigung, Reparaturservice etc.
Dafür sind die Appartements voll möbliert und haben Gemeinschaftseinrichtungen wie Fitnessraum, Sauna, Waschsalon, Veranstaltungs- und Party-Raum sowie Fahrradabstellplatz inkludiert. Andere Anbieter*innen wie Student*innenorganisationen, die Katholische Hochschuljugend oder Kolpingheime sind günstiger, können aber den Komfort klassischer Studentenheime oftmals nicht bieten.
Alle Wohnheime haben eine Gemeinsamkeit. Sie sind zugleich Orte der Freizeit und ihre Bewohner*innen müssen das Zuhause für abendliche Vergnügungen nicht verlassen. Sie konsumieren in den eigenen vier Wänden günstig mit der eigenen Community und fallen als Gäste in der Gastronomie weitgehend aus.
Student*innenlokale gibt es in den klassischen Universitätsstädten rund um die Unis zuhauf, aber sie werden von Jahr zu Jahr weniger. Wo ein Campus besteht, ist die Gastronomie tagsüber zu besuchen, aber am Abend gehen die Lampen aus.
Welche Gastronomieformen wollen Studierende eigentlich? Eine schöne Bar mit cooler Musik, bodenständiges, frisches Essen und faire Getränkepreise. Das Lokal soll Integrationsort und zweite Heimat sein. Snacks oder Convenience-Food sind Student*innen zu wenig, das bekommen sie an jeder Ecke bei Pizza- und Kebabständen günstiger.
Durch Personalmangel werden typische, urige Lokale weniger, ihre Qualität sinkt. Das Schnitzel mit Pommes und Kartoffelsalat kommt aus der Mikrowelle – da entscheiden viele potenzielle Ausgeher, lieber zuhause zu kochen.
Wer studentisches Publikum gewinnen möchte, muss sich den Gegebenheiten anpassen und deren Wünschen nach geschmackvollem Essen, Qualität und modernem Speisenangebot entgegenkommen.
„Student*innen verfügen selten über viel Platz und Zeit, um selbst großartig zu kochen, aber das nötige Kleingeld für tolle Restaurantbesuche fehlt ebenfalls. Dementsprechend wird schnelles, internationales Fastfood oder Streetfood konsumiert – durchaus bewusst und gesund muss es sein“, umreißt Anita Moser von www.private-tasty.at die Geschmäcker.
Elegante Restaurants, tolle Bars und elitäre After-Work-Treffs sind also Gastronomieformen, die Student*innen eher nicht ansprechen, weil sie zu teuer sind. Dem wirken Formate wie der „Studenten-Mittwoch“ beispielsweise in Salzburg entgegen, weil er viele junge Menschen mit günstigen Menüpreisen in die Stadt bringt.
Für die Freizeit zwischen den Vorlesungen wünschen sich Studierende konsumfreie Indoor-Zonen mit gemütlichen Sitzgelegenheiten oder Outdoor im Schatten der Bäume am Campus und in Parks – inklusive Bänke, Tische und Liegestühle.
Wünschenswert sind entsprechende Infrastruktur mit kostenlosem, leistungsstarkem W-LAN, damit diese Plätze tatsächlich genutzt werden. Klagenfurt bietet am „Business Beach“ im öffentlichen Strandbad Maria Loretto starkes Internet, um nach internationalem Vorbild Karibik-Flair in die sommerliche Stadt zu bringen.
Viele Student*innen sind auf den öffentlichen Verkehr angewiesen, um kostengünstig an ihre Lernstätten zu kommen – entscheidend ist weniger die Lage der Uni als die Größe der Stadt. Dort, wo mit U-Bahn oder Straßenbahn gefahren wird, ist eine Taktung von unter zehn Minuten und die Nutzung mehrerer Linien gewährleistet – wo nur Busse mit großen Intervallen fahren, wird die Situation schwierig.
Ermäßigte Student*innen-Tickets und Nachtlinien sind eine absolute Voraussetzung, damit Öffis genutzt werden. Kostenlos angebotene Fahrräder, E-Bikes und Sammeltaxis entwickeln sich als kluge Alternativen, um Studierende zu mobilisieren und in die Stadt zu bringen.
Einziehen und Wohnen ohne großen Aufwand – in ansprechender Atmosphäre mit zeitgemäßer Einrichtung, viel Service und guter Anbindung liegt also bei Studierenden voll im Trend. Entscheidend sind daher die Kommunikation und Vernetzung der Bewohner*innen und ein gemeinsames, konstruktives Leben. Dieses „Co-Living“-Konzept bedient mehrere Aspekte moderner Stadtentwicklung.
In Klagenfurt ist beispielsweise im Kardinalviertel ein Pilotprojekt mit Studierenden geplant, um eine völlig neue Szene mit „All-inklusive-Paket“ entstehen zu lassen. Die Landschaftsarchitektin Beatrix Bednar hat zusammen mit Studierenden und privaten Immobilienbesitzern, die über leerstehende Gebäude und Geschäftsflächen verfügen, ein Konzept entwickelt. Maßgeschneidertes Wohnen und Leben für Student*innen, angepasst an den Zeitraum eines Studiums – sinnvoll, logisch und trotzdem mit eigenem Flair.
Unser aller Leben ist massiven Veränderungen ausgesetzt und diese machen vor den Studierenden und ihren Lebensumständen ebenso wenig halt. Doch Transformationen bedeuten zugleich die Möglichkeit, Althergebrachtes zu justieren, neue Maßstäbe zu setzen und als Stadt den Anforderungen neuer Zeiten zu entsprechen.
Das umfasst alle Bereiche des privaten und öffentlichen Raumes und bedarf eines Umdenkens in vielerlei Hinsicht – wer zuerst die Zeichen des Wandels erkennt, hat am Ende die Nase vorne.
Titelbild (c) Medienfrau Doris Schulz
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