10 Strategien gegen Abwanderung aus Klein- und Mittelstädten

20.06.2024
Gesellschaft

Blog Strategien gegen Abwanderung von Klein und Mittelstädten: Einkaufsbummel in Heidelberg
(c) Marketing Heidelberg

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Klein- und Mittelstädte mit gezielten Strategien erfolgreich gegen Abwanderung vorgehen können. In diesem Kontext habe ich zehn bewährte Ansätze identifiziert, die Bürgermeister, Stadtplaner und Stadtmarketingmitarbeiter inspirieren können.

In der öffentlichen Wahrnehmung gelten Klein- und Mittelstädte oft als „Provinz“, als Inbegriff von Romantik mit restaurierten historischen Bauten, gepflasterten Fußgängerzonen, heimeligen öffentlichen Plätzen und einer attraktiven, historischen Stadtmitte.

Dabei wird die enorme Bedeutung dieser regionalen Zentren für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung oft verkannt. Aber wie sehen die Situation und Entwicklung dieser Städte aus? Wie steht es um die Infrastruktur-Ausstattung? Sind die Bewohner zufrieden mit den Lebensbedingungen? Vor welchen Problemen stehen die Städte und wie kann die Politik ihnen begegnen?

Hier sind zehn Strategien, die Klein- und Mittelstädte gegen Abwanderung einsetzen können:

1. Förderung der lokalen Wirtschaft

Ich glaube, dass Gemeinden Maßnahmen ergreifen sollten, um lokale Unternehmen zu stärken und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Friedrichstadt in Schleswig-Holstein, die gezielt kleine Unternehmen unterstützt und innovative Geschäftsideen fördert.

Ein weiteres Best-Practise-Beispiel aus Österreich: Das New Generation Carinthia Mentoring-Programm für berufliche Aufsteiger:innen, Durchstarter:innen und Rückkehrer:innen sowie innovative Unternehmen geht bereits in die 11. Runde.  Es bietet High Potentials ein Jahr lang von namhaften Persönlichkeiten aus der Kärntner Wirtschaft begleitet zu werden und von deren Expertise und Netzwerk zu profitieren.

Umgekehrt sammeln Ihre Führungskräfte wertvolle Erfahrungen im Austausch mit der jungen Generation und erweitern ihr Netzwerk. Es ist eine konkrete Maßnahme gegen die Abwanderung von qualifizierten jungen Menschen aus Kärnten, Generationenübergreifendem Austausch zur Sicherung einer nachhaltigen Wertschöpfung, Aufzeigen beruflicher Perspektiven für qualifizierte Arbeitnehmer:innen und Gründer:innen und Sichtbarkeit der Potenziale von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen in Kärnten.

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Veranstaltung der NEW GENERATION Carinthia Mentoring an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (c) BFC

2. Verbesserung der Infrastruktur

Investitionen in die Breitbandversorgung und den öffentlichen Nahverkehr halte ich für essentiell, um die Attraktivität von Städten zu erhöhen. Die Europäische Union hat dazu diese 22 Empfehlungsschritte ausgearbeitet.

Die Gemeinde Gmünd in Kärnten setzt erfolgreich in den Ausbau des Glasfasernetzes. Kelag-Connect  hat sich zum Ziel gesetzt, Kärntner Haushalte und Unternehmen mit zukunftssicherer Glasfaser-Technologie zu erschließen. Diese Maßnahme trägt maßgeblich zur Zukunftssicherheit der ländlichen Regionen in Kärnten bei und wirkt somit auch der Abwanderung junger Generationen und Betrieben entgegen. Neben eigenständigen Projekten werden auch Kooperationen mit Gemeinden und regionalen Partnern gemeinsam entwickelt und umgesetzt.

3. Interkommunale Kooperation

Gemeinden sollten zusammenarbeiten, um Synergien zu nutzen. Ein Beispiel ist die Städtekooperation zwischen Erfurt und Weimar in Deutschland, die gemeinsam kulturelle Veranstaltungen und Tourismusmarketing betreiben.

Ein weiteres Exempel: „Wege zu Cranach“ in Kronach und damit am Geburtsort des großen Renaissance-Malers Lucas Cranach des Älteren wurde 2011 gegründet, mittlerweile führt die Kunstgeschichte 18 Städte über vier deutsche Bundesländer zusammen

Gemeinsames Ziel der Kooperation ist es, das umfangreiche künstlerische Erbe der Cranach-Familie am authentischen Ort zu bewahren und mit neuen museumsdidaktischen Methoden einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Außerdem werden gemeinsam touristische Produkte entwickelt sowie die Cranach-Orte einerseits stärker vernetzt, andererseits ihnen aber auch klar unterscheidbare Cranach-Schwerpunkte zugeordnet.

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Wege zu Cranach: Bei dieser interkommunalen Kooperation führt die Kunstgeschichte 18 Städte über vier deutsche Bundesländer zusammen (c) Screenshot https://www.wege-zu-cranach.de/

Ein spannendes Projekt gibt es auch in der Steiermark auf Initiative der Regionalentwicklung Oststeiermark: Hier wird Probewohnen zum Kennlernen der Region geboten. Die Aktion startete erstmals diesen Sommer und verloste in einem Gewinnspiel neun mal jeweils drei Nächte in ausgewählten Ferienwohnungen in einer der fünf teilnehmenden Gemeinden.

Für Gemeinden zeigten sofort Interesse an der „verrückten Marketingidee“ – wie die Initiatorin selber sagt: Wenigzell, Pöllauberg, Passail, Loipersdorf und Grafendorf dürfen sich nun Probewohnorte nennen. Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin führt die Probewohner durch die Gemeinde und erzählt aus dem Gemeindealltag. Im Vordergrund steht die Interaktion mit den Menschen im Ort. Das Angebot soll vor allem junge Familien oder Paare vor der Familiengründung anlocken, die überlegen, aufs Land zu ziehen.

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Probewohnen in der Oststeiermark gegen die Abwanderung: Im Rahmen eines Gewinnspiels werden 9 mal jeweils 3 Nächte in ausgewählten Ferienwohnungen in einer der fünf teilnehmenden Gemeinden verlost (c) Pexels

4. Revitalisierung historischer Bausubstanz

Die Sanierung und Nutzung historischer Gebäude kann das Stadtbild aufwerten und neue Bewohner anziehen. Eine österreichweit einzigartiges Gebäude-Ensemble entsteht derzeit in Linz mit quadrill.at.

Wo einst pro Minute und Maschine 8.000 Zigaretten produziert wurden, befeuert heute ein kollaborativer Konzern die kreativen Potenziale einer ganzen Stadt. Die historische Tabakfabrik Linz definiert sich als universelle Fabrik der Zukunft, als Verdichtungsraum von Kunst und Forschung, Wissenschaft und Kreativwirtschaft, Industrie und Handwerk, Bildung und Ausbildung, als neuer Stadtteil, in dessen Zentrum die Schaffenskraft der Menschen steht. Zur Miete: 18.000 m² Büroflächen, Hotel, 8.400 m² Wohnraum, 1.800 m² Gastronomie- und Handelsflächen – Fertigstellung 2025.

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Das QUADRILL Linz Tabakfabrik: Ein neu entstehender Stadtteil, in dessen Zentrum die Schaffenskraft der Menschen steht (c) quadrill

5. Bürgerbeteiligung

Einbeziehung der Bürger in Entscheidungsprozesse und die Möglichkeit, Ideen einzubringen, stärken das Gemeinschaftsgefühl. In einigen österreichischen Städten werden Stadtentwicklungskonzepte von Bürger:innen angeregt, Wünsche deponiert und Erfahrungen eingebracht – die Umsetzung erfolgt von Architekten.

Ebenso haben sich Jugendstadträte bewährt und Lebenskonzepte für Junge in die Städte eingebracht. Eine sehr einfach umsetzbare Strategie ist online über die Wunschbox Fahrrad -Wien möglich. Die Mobilitätsagentur ist neugierig auf Ihre Ideen, vernetzt Menschen und hilft Ihnen bei Anliegen zum Fuß- und Radverkehr weiter.

6. Förderung von Bildung & Kultur

Attraktive Bildungs- und Kulturangebote ziehen Menschen an. Heidelberg in Deutschland ist Kulturstadt mit den höchsten Pro Kopfausgaben für Kultur und bietet vielfältige kulturelle Veranstaltungen speziell für Kinder und Jugendliche, um Talente zu fördern und Kultur zu genießen. Der kreative Nachwuchs wird in Heidelberg gezielt gefördert. Viele Kultureinrichtungen treffen mit ihren Angeboten den Nerv der Heranwachsenden vom Theater bis zur Bücherei, dem Kreativzentrum und der Universität.

Mehr Anregungen, was Klein- und Mittelstädte tun können, um die Jungen zu halten, stehen auch in diesem Blogbeitrag über zukunftsfähige Stadtzentren.

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Der kreative Nachwuchs wird in Heidelberg gezielt gefördert (c) Marketing Heidelberg

7. Wohnraum schaffen

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist entscheidend. Zeitgemäße Nachverdichtung, Generationenwohnen, teils geförderte Wohnungen mit Nahversorger und Dienstleistungsbetrieben gehören heute zu einer urbanen städtischen Architektursprache, die dem Stadtbild angemessen ist.

8. Grüne Stadtentwicklung

Nachhaltige Stadtplanung mit Grünflächen, Radwegen und umweltfreundlichem Verkehr trägt zur Lebensqualität bei. Freiburg in Deutschland ist ein Vorbild für nachhaltige Stadtentwicklung, wo die einzelnen Schritte der Planung und Umsetzung gut unter diesem Link verfolgt werden können – Stichwort „Green City“.

Je nach Möglichkeiten der Stadt und Bereitschaft der lokalen Politiker:innen wird die Notwendigkeit der grünen Stadtentwicklung bereits umgesetzt – ein Prozess, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

9. Attraktive Freizeitangebote

Sport, Kultur und Naturerlebnisse sind wichtig für die Lebensqualität. Innsbruck in Tirol bietet vielfältige Freizeitmöglichkeiten in den Alpen und auf einer eigenen Homepage gesammelt. Auf einen Klick finde ich in der Region Innsbruck 365 Tage im Jahr besondere Aktivitäten. Ob Indoor oder Outdoor, vom Alpenrundflug inklusive Nervenkitzel, einer gemütlichen Lamawanderung in idyllischer Landschaft oder genussreich bei einer Food Tour mit typischen Spezialitäten.

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Sport, Kultur und Naturerlebnisse sind wichtig für die Lebensqualität. Bestes Beispiel: die Sportstadt Innsbruck (c) Innsbruck Tourismus

10. Kooperation mit Hochschulen & Forschungseinrichtungen

Die Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen kann Innovation und Wissenstransfer fördern. Kinderunis und die „Lange Nacht der Forschung“ haben sich in vielen Städten durchgesetzt und sind beliebte Hotspots für Neugierige. In Wels ist das www.welios.at als Mitmachmuseum eine besonders Attraktion, die sich auf naturwissenschaftliche Themen, Sonderausstellungen, Führungen, Workshops für Schulen aber auch den Teatime-Talk für Erwachsene spezialisiert hat.

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Das Mitmachmuseum Welios hat sich auf die niederschwellige Vermittlung naturwissenschaftlicher Themen für Kinder spezialisiert (c) Welios

Fazit

Ich bin überzeugt, dass die Zukunft von Klein- und Mittelstädten in der Kombination verschiedener Maßnahmen liegt: Förderung der Wirtschaft, Verbesserung der Infrastruktur, Bürgerbeteiligung und nachhaltige Stadtentwicklung. Indem sie diese Strategien anwenden, können Städte ihre Attraktivität steigern und dem Trend der Abwanderung entgegenwirken.

Blickfänger Magazin, Rankweil Gemeindemarketing

Karolin Frei

Geschäftsführerin der Gemeindemarketing Rankweil GmbH sowie Stabstellenleiterin Marketing und Kommunikation der Marktgemeinde Rankweil.

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