Der Wert von Städte- und Gemeinde­partnerschaften

22.01.2025
Gesellschaft

Staedte-undGemeindepartnerschaften Weinfest 2024 Kufstein
(c) Magdalena Laiminger

Die Idee zu Städte- und Gemeindepartnerschaften, wie wir sie heute kennen, entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, ab 1947 in Deutschland. Ausgehend von der britischen Besatzungsmacht sollten freundschaftliche Beziehungen zwischen deutschen und britischen Städten aufgenommen werden, um Völkerverständigung „von unten“ zu ermöglichen.

Die durch zwei verheerende Weltkriege in Europa aufgerissenen Wunden, Ängste und Vorbehalte sollten dadurch schneller heilen, indem Menschen aus unterschiedlichen Ländern zusammengeführt werden. Der persönliche Kontakt, über Sprach- und Kulturbarrieren hinweg, galt als eine langfristige und effektive sowie öffentlichkeitswirksame Methode.

Heute haben sich Anspruch und Gründe für Partnerschaften im kommunalen Bereich grundlegend verändert, dennoch kann das Konzept auch im 21. Jahrhundert noch tragen, wenn bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen berücksichtigt werden. Solche Partnerschaften bieten die Chance zu niederschwelligem, internationalen, verbindenden Austausch in einer sich spaltenden Welt.

Eckpfeiler gelebter Partnerschaften

Obwohl man feststellen muss, dass es keine einheitliche Definition von Städte- und Gemeindepartnerschaften gibt, weder auf nationaler Ebene noch in Europa, kann man ein paar Eckpfeiler benennen.

Städtepartnerschaften beruhen auf:

  • dem direkten Austausch der Bürger:innen einer Stadt oder Region mit einer anderen
  • sie sind förmlich, zeitlich und sachlich nicht begrenzt
  • einem Partnerschaftsvertrag (mit Partnerschaftsurkunde)
  • Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigem Bewusstsein und Vertrauen
  • selbst festgelegten und definierten Zielen in unterschiedlichen Bereichen wie Kultur, Ökonomie, Infrastruktur etc.
  • selbst gewählten Beteiligten

Historie & Entwicklung

Die erste offizielle Städtepartnerschaft wurde 1925 zwischen Kiel in Deutschland und Sonderburg in Dänemark geschlossen. Die nächste wurde 1930 zwischen Wiesbaden in Deutschland und Klagenfurt in Österreich besiegelt.

Der Hafen der norddeutschen Stadt Kiel am Abend
Kiel in Norddeutschland gehört zu den ersten beiden Partnerstädten der Welt. Sie ging vor hundert Jahren, also 1925, mit dem dänischen Sonderburg eine Städtepartnerschaft ein (c) pixabay.com

Die meisten dieser Partnerschaften wurden zwischen Städten aus Ländern geschlossen, die noch kurz zuvor durch den Krieg entzweit waren. Die Förderung dieser neuen Bewegung war eines der Hauptanliegen des Rates der Gemeinden Europas (wie er damals hieß) im Jahre 1951. In den 1950er Jahren war ein rasanter Anstieg an kommunalen Partnerschaften zu verzeichnen und sie haben in jeder Phase der Erweiterung der Europäischen Union seit ihrer Gründung, als auch beim Mauerfall und Zusammenbruch kommunistischer Regime, eine wichtige Rolle gespielt.

Darüber leistet die EU mit den Gemeinde- und Städtepartnerschaften einen wesentlichen Beitrag zur friedlichen Entwicklung Europas und schuf seit 1989 eine wichtige finanzielle Unterstützung für Partnerschaften, insbesondere dort, wo ein europäischer Mehrwert sichtbar gemacht werden kann. Unter dem Link www.twinning.org/de/ finden sich unter „Die zehn Schlüssel zum Erfolg“ Informationen über Partnersuche bis hin zu finanzieller Unterstützung. Die technischen Begriffe dafür lauten im Englischen „Sister Cities“ oder „Twin Cities“ und im Französischen „Jumelage“.

Österreich

Auch in Österreich – Mitglied in der EU seit 1995 – pflegt man Städte- und Gemeindepartnerschaften: 900 Gemeinden, das sind 38 % aller Kommunen Österreichs, haben Gemeindepartnerschaften bzw. Kooperationen. Allerdings ist auch hier auf Definitionsschwierigkeiten zu verweisen, was dazugezählt wird und was nicht. Hinzu kommen jährlich rund 18 neue Partnerschaften. Quantität und Qualität dieser Partnerschaften und Kooperationen sind vielfältig und weisen große Unterschiede auf.

Von den 9 österreichischen Landeshauptstädten hat…

Linz mit 20 die meisten Städtepartnerschaften. Die Stadthomepage listet exotische Destinationen wie San Carlos in Nicaragua oder Gwangyang in Südkorea auf.

Klagenfurt 15 Partnerschaften, darunter Duschanbe in Tadschikistan, Laval in Kanada und deutsche Städte, etwa auch Dachau.

Graz 13 Partnerschaften, u. a. mit Dubrovnik und St. Petersburg.

Salzburg zehn Städtepartner mit Schwerpunkten künstlerischen Austauschs.

Innsbruck sieben Partnerstädte, u. a. New Orleans in den USA.

St. Pölten sechs Partnerstädte auf drei Kontinenten

Eisenstadt freundschaftliche Verbindungen mit vier Kommunen.

… pflegt Bregenz vor allem den Kontakt mit der nordirischen Partnerstadt Bangor, um für Bregenzer Einzelpersonen, Gruppen, Vereine und Schulklassen die Möglichkeit für einen Jugend- bzw. Schüleraustausch anzubieten.

Wien setzt auf neun Partnerstädte, u.a .mit Belgrad (Serbien), Bratislava (Slowakei), Brno (Tschechische Republik).

Hier finden Interessierte die Liste aller aktuellen Gemeinde- und Städtepartnerschaften österreichischer Kommunen.

Interessen & Inhalte

Förderlich für eine gelingende Städtepartnerschaft sind Gemeinsamkeiten der jeweiligen Kommunen. Das ist nicht immer der Fall und so werden nicht alle Städtepartnerschaften intensiv gelebt. In den vergangenen Jahren haben sich die Gründe, warum Partnerschaften eingegangen werden, verschoben. Das Stichwort heißt auch hier Globalisierung.

Eingegangene Partnerschaften sollten gepflegt werden. Maßnahmen können z.B. sein:

  • Austauschprogramme
  • Aus- bzw. Weiterbildungsprogramme
  • kulturelle und gesellschaftliche Aktivitäten
  • Sportveranstaltungen
  • gegenseitige Hilfeleistung (z. B. in Krisen- und Notsituationen)
  • touristische Aktivitäten
  • Wirtschafts- und Verwaltungskooperationen
  • Know-how-Hilfe und Technologietransfer

Das Gelingen dieser Vorhaben hängt in erster Linie von der Wahl des richtigen Partners ab und natürlich von der Konsequenz in der Verfolgung der für die Partnerschaft gesteckten Ziele. Halbherzig geschlossene Partnerschaften und/oder mangelhaft gepflegte Freundschaften haben häufig ein Abnehmen der Akzeptanz und der Bereitschaft zur Mitarbeit der Bevölkerung zur Folge. Zudem trägt es sehr zu einer gelebten Partnerschaft bei, wenn es auf jeweils beiden Seiten motivierte Akteur:innen gibt, die diese Partnerschaft aus eigenem Antrieb pflegen und mit Inhalt füllen.

Status Quo & Veränderungen

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gehen europäische Großstädte bis mittelgroße Gemeinden kaum noch neue Partnerschaften ein, wofür es unterschiedliche Gründe gibt:

  • Entfernung, weil zu geringe Begegnungsmöglichkeiten und damit verbundener hoher Finanzbedarf
  • Finanzierung der Partnerschaft kostet jeder Kommune entsprechendes Geld.
  • Individualisierung und Mobilität der Gesellschaft: Freundschaften und Austausch werden lieber individuell und privat gepflegt.
  • Überalterung – Nachwuchsproblem, Personenabhängigkeit, andere Lebenswelt der heutigen Gesellschaft.

Städtepartnerschaften vergrößern Handlungsspielräume

Die drei wesentlichen Erkenntnisse einer Studie der Konrad Adenauer Stiftung Berlin – Ergebnisse siehe hier – zeigen, dass europäische Partnerschaften einen Mehrwert für die Städte und Gemeinden bringen. Es sind vor allem ErfahrungsaustauschQualifikation und Verständnis zu nennen.

Städtepartnerschaften vergrößern Handlungsspielräume, indem Kommunen Ressourcen bündeln und auch bei internationalen Projekten zusammenarbeiten können. Gemeinden und Bürger profitieren vom Austausch durch den persönlichen Kontakt wie Sprach- und Kulturerwerb, Freundschaften, persönliche Verbindungen etc., aber auch auf thematischer Ebene, wie etwa dem Wissenstransfer, lehr- und beruflichen Austausch.

Viele Menschen, u. a. Jugendliche engagieren sich für solchen Partnerschaften, weil es ihnen Spaß macht und sie Qualifikationen durch ihr Engagement erwerben können. Aufgrund der erhöhten Leistungsanforderungen möchte die Jugend ihre häufig begrenzte Freizeit effektiv gestalten.

Kultureller (miteinander) und sportlicher (gegeneinander) Austausch sind wichtige Faktoren, die Kontinuität, Altersunabhängigkeit und Anteilnahme schaffen. Insofern spielen Schulen, Universitäten und Vereine sowie Festivals und Sportwettbewerbe eine zentrale Rolle. Die Partnerstädte könnten beispielsweise abwechselnd die Veranstaltungsorganisation und Einladungen übernehmen.

Zusammenarbeit mehrerer Akteure, Sujet für Städte- und Gemeindepartnerschaften
Gemeinden und Bürger profitieren vom Austausch durch persönlichen Kontakt wie Sprach- und Kulturerwerb, Freundschaften, persönliche Verbindungen, aber auch auf von Wissenstransfer oder lehr- und beruflichen Austausch (c) pexels.com/Diva Plavalaguna

Unterschiedliche Städtepartnerschaften am Beispiel Kufsteins

Die Stadt Kufstein pflegt drei Städtepartnerschaften mit Frauenfeld in der Schweiz, Langenlois in Niederösterreich und Rovereto in Italien. Diese bieten sehr exemplarische und gänzlich unterschiedliche Entstehungsgeschichten für Städtepartnerschaften.

Partnerstadt aus Nachkriegszeiten

Im Jahr 1946 unterstützte die Schweizer Gemeinde Frauenfeld die von den Nachkriegsauswirkungen arg gebeutelte Bevölkerung Kufsteins durch Lebensmittelspenden und sogar Erholungsurlauben für Kufsteiner Kinder in Frauenfeld. Die daraus entstandenen individuellen Freundschaften mündeten schließlich in eine Städtepartnerschaft, die 1988 besiegelt wurde. Gelebt wird sie vor allem durch gegenseitige Besuche und kulturellen Austausch, u. a. mit einem Stand der Freunde aus Frauenfeld beim jährlichen Kufsteiner Stadtfest, dem Kaiserfest.

Partnerstadt als Helfer in der Not

Das zweite Beispiel ist jüngeren Ursprungs: Im Zuge der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002 stellte die Stadt Kufstein einen Hilfstrupp in Form einer Bauhofmannschaft inklusive Gerätschaften zusammen und unterstützte die Gemeinde Langenlois bei den Aufräumungsarbeiten.

Die daraus entstandene Freundschaft mündete zunächst in einem Dankesfest in Kufstein – die Veranstaltung, die inzwischen als Weinfest jährlich wiederkehrend nicht mehr aus dem Veranstaltungskalender wegzudenken ist – und wurde schließlich im Jahr 2012 zu einer Städtepartnerschaft beurkundet.

Hier erfolgt sehr aktiver Austausch, insbesondere auch im touristischen und kulturellen Bereich und brachte sogar einen eigenen Kufstein-Wein hervor, der jedes Jahr erneut ein sichtbares und genussreiches Zeichen der Städtepartnerschaft ist. Kufsteins 1. Wein wurde in der Partnerstadt Langenlois auf „Kufloisianer Primus“ getauft, ein Video daz hier: https://youtu.be/iugzoByyRIw.

Staedte-und Gemeindepartnerschaften_Weinfest Kufstein 2024
Aus dem ursprünglichen „Dankesfest“ wurde ein jährlich wiederkehrendes Weinfest in Kufstein – mit umfassender Einbindung von Produzenten aus der Partnerstadt Langenlois (c) Magdalena Laiminger

Partnerschaft durch gemeinsame Geschichte

Mit der italienischen Stadt Rovereto verbindet Kufstein seit 1989 eine Städtepartnerschaft. Die Städte Kufstein und Rovereto verbinden die gemeinsame Geschichte (Kufstein als die nördlichste und Rovereto als die südlichste Stadt des ehemaligen Tirols) sowie vor allem die beiden in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg errichteten Friedenssymbole, die Glocke „Maria Dolens“ (Rovereto) und die Heldenorgel (Kufstein).

Diese Verbindung wurde etwa 2023 aktiv gelebt, als Kufsteiner Jugendliche zum Europatag Rovereto besuchten und Jugendliche aus Rovereto zeitgleich zu Gast in der Festungsstadt waren. Am Europatag zu Mittag lauschte man dann in Rovereto per Livestream der Kufsteiner Heldenorgel und anschließend hörte man in Kufstein den Klang der Friedensorgel in Rovereto – ein verbindender Moment ganz im Zeichen des europäischen Gedankens und dem Sinn der Städtepartnerschaft.

Fazit

Freundschaften über Ländergrenzen hinaus ergeben sich insbesondere, wenn sie mobil unkompliziert erreichbar sind und die Frequenz von bilateralem Austausch hoch ist. Die Einbeziehung der Bürger:innen und Integration von Projekten aus der Bevölkerung ist hilfreich für das langfristige Gelingen von Städtepartnerschaften. Eine gewisse Regelmäßigkeit von Aktivitäten, z.B. jährlich wiederkehrend, hilft, diese zu institutionalisieren und die Verbindung aufrecht zu erhalten.

Städtepartnerschaften werden vor allem durch Bürger:innen, Vereine und Kulturgesellschaften belebt. Die politischen und verwaltungstechnischen offiziellen Stellen sollten Wege bereiten und ermöglichen sowie finanzielle Mittel bereitstellen. Die direkt von der Bevölkerung initiierten Aktionen, Projekte und Verbindungen sollten unterstützt und gemeinsame Erfahrungen gestärkt werden, denn diese beleben auch die Städte und Gemeinden selbst.

Motivation selbst aktiv am Austausch teilzunehmen, die Welt mit anderen Augen sehen zu können und Vertrautheit zu schaffen sind wichtige Motoren. Kreativer Umgang auch mit Ideen, die auf den ersten Blick nicht umsetzbar erscheinen sind von großer Bedeutung, ebnso wie genügend Finanzmittel bereitzustellen, um Städtepartnerschafts-Projekte überhaupt möglich zu machen.

Das Europa der Bürger (Europe of Citizens) und Regionen wird insbesondere durch kleine, aber nachhaltige Partnerschaften gestärkt. Ausschreibungen, Wettbewerbe, gemeinsame Aktionen, Festivals und Veranstaltungen und regelmäßiger Kontakt verbinden die Menschen von Partnerstädten miteinander und fördern den Gemeinsinn und das gegenseitige Verständnis.

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Thomas Ebner M.A.

Geschäftsführer der Standortmarketing Kufstein GmbH und Vorstand der Innovations.Raum Kufstein eGen. Zudem Vorstandsmitglied im Dachverband Stadtmarketing Austria.

 

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