Wie lässt sich die Stadt nach einer Krise kulturell wiederbeleben? Eine Rundschau durch Österreichs Städte zeigt, dass es dafür die unterschiedlichsten Ansätze gibt. Allen gemeinsam ist intensives Bemühen um möglichst viele Kunstsparten und das Einhalten aller Regen.
Wie lässt sich die Stadt nach einer Krise kulturell wiederbeleben? Eine Rundschau durch Österreichs Städte zeigt, dass es dafür die unterschiedlichsten Ansätze gibt. Allen gemeinsam ist intensives Bemühen um möglichst viele Kunstsparten und das Einhalten aller Regen.
Innsbruck: Sighthearing und Pop Up-Bühnen
Wie sich im Sommer 2020 Kultur veranstalten lässt, hängt natürlich zuerst einmal von den rechtlich vorgegebenen Rahmenbedingungen ab. „Und die haben sich fast wöchentlich geändert“, so Bernhard Vettorazzi von der Innsbruck Marketing GmbH.
Wenn sich Regeln ständig ändern, verursacht das eine große Unsicherheit. Dennoch hat man in Innsbruck früh, nämlich noch während des Lockdowns begonnen, akustische Spaziergänge anzubieten. Aus quer durch die Stadt verteilten Lautsprechern wurden die Besucher der Innenstadt mit unterschiedlichen Musikrichtungen beschallt.
„Sighthearing statt Sigtseeing. Es ging uns darum zu signalisieren, dass ein Hauch von Normalität in die Stadt zurückkehrt.“ In einer zweiten Phase hat man dann mit Balkonkonzerten losgelegt.
Vor allem den freischaffenden, von der Krise am heftigsten Getroffenen, wurde dort eine Plattform geboten. Die Künstler traten an verschiedenen Standorten auf und bekamen dafür eine Gage.
Das Feedback war überwältigend.
„Die Menschen empfanden die spontanen Konzerte als sehr belebend und befruchtend.“ Die Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landestheater habe so gut funktioniert, dass sie fortgesetzt und auf andere Sparten ausgedehnt wird, so Vettorazzi.
Viele Veranstaltungen mussten natürlich corona-bedingt abgesagt werden. Dass das French Quarter Festival (in Anlehnung an das weltberühmte Festival in der Partnerstadt New Orleans) heuer anders als sonst über die Bühne geht, versteht sich eigentlich von selbst.
Gestrichen wurde es jedoch nicht. Im Gegenteil: Jeden Donnerstag wird in der Innenstadt eine Bühne aufpoppen, wo die heimische Musikszene im Juli und August Soul, Gospel Blues und Jazz zum Besten gibt.
Die Festwochen der Alten Musik finden ähnlich dem Modell der Salzburger Festspiele in abgespeckter Form statt (von 31. Juli bis 30. August), natürlich mit entsprechender Bestuhlung und unter Einhaltung aller Abstandsregeln.
Die Stadtkultur wiederbeleben: Krapoldi im Rapoldi
Im August (25. bis 30. August) gibt es Krapoldi im Rapoldi. Im Rapoldipark wird ein Zelt aufgestellt, in dem Clownerie und neuer Zirkus geboten werden. Es ist also einiges los in Innsbruck.
Gemeinsam ist allen kulturellen Wiederbelebungsversuchen, dass „wir versuchen, die verschiedenen Genres und Sparten zu unterstützen.“ Die Innsbrucker sollen die eigene Stadt neu entdecken.
„Dazu braucht es Veranstaltungen und kulturelle Interventionen, unterschiedliche Formate, aber auch verschiedene Dekorationen, die die Straßen fröhlich und attraktiv machen.“
Bregenz: Kulturelle Flagge bekennen
Genau da, bei der Sichtbarkeit, setzt auch das Bregenzer Konzept an, wo man natürlich stark darunter leidet, dass die Bregenzer Festspiele heuer nicht stattfinden. Die Stadt setze jedoch trotzdem auf Kultur, erzählt Niklas Keller von der Bregenz Tourismus & Stadtmarketing GmbH.
Noch im Mai lud Bürgermeister Markus Linhart zu einem „Runden Tisch“ ins Festspielhaus und betonte dort, dass die Vorarlberger Landeshauptstadt zwar eine Festspielstadt sei, aber vor allem eine Kulturstadt.
„Die Stadt sieht sich gerade auch in der aktuellen Situation als Unterstützerin und als Servicestelle für Kunst und Kultur“, so Linhart damals.
Niklas Keller ergänzt: „Verschiedensten Projekte werden jetzt neu formatiert, damit sie in die Zeit passen und umsetzbar sind.“ Was das heißt?
Konzerte, die sonst drinnen stattfinden, werden in den Außenraum verlegt.
Kleinere Konzerte finden auf Schiffen im Bregenzer Hafen statt, über die ganze Stadt verteilte Interventionen beleben die Szenarie. Im August ziehen die Wiener Symphoniker durch die Gastgärten, und auch das Vorarlberger Symphonieorchester wird den öffentlichen Raum an verschiedenen Orten bespielen. „Es geht darum, ein bewusstes Zeichen zu setzen“, so Keller.
Dass die Stadt kulturelle Flagge bekennt, werden Besucher auch anhand eines anderen Projekts erkennen können: Zum Sommerbeginn wehen ganz unterschiedliche bunte Fahnen im öffentlichen Raum.
„Sie senden Botschaften zur Kultur 2020 und sollen Vorbeispazierende schmunzeln lassen.“
Bregenz: Kulturstrategie
Grundsätzlich trifft es sich natürlich gut, dass die Stadt Bregenz vor rund zwei Jahren ihre erste Kulturstrategie präsentierte. Das Rad musste für das aktuelle Konzept also nicht neu erfunden werden.
Man konnte darauf aufbauen, was gemeinsam mit Kulturschaffenden, Künstlern sowie Bürgern entwickelt wurde, um die Kulturlandschaft gemeinsam weiterzuentwickeln.
„Kultur und Gesellschaft sind zwei Größen, die jeweils ohne die andere nicht zu denken sind“, brachte es Jutta Dieing, Leiterin der Kulturabteilung, anlässlich der Präsentation der städtischen Kulturkampagne auf den Punkt.
„Die Stärkung kultureller Vielfalt ist der Stadt ein großes Anliegen. Das gilt natürlich nicht nur im Sommer 2020, sondern auch darüber hinaus“, ergänzte Bürgermeister Linhart.
Feldkirch: Der Stadtraum wieder spürbar machen
Auch in Feldkirch musste das wichtigste Festival der Stadt, die Montforter Zwischentöne, abgesagt werden, „weil es anfangs hieß, Großveranstaltungen dürften bis Ende August nicht stattfinden“, berichtet Edgar Eller, Geschäftsführer der Stadtkultur und Kommunikation Feldkirch GmbH.
Das Festival, das an der Schnittstelle zwischen klassischer Musik und Dialogformen operiert und versucht, klassische Musik in einen neuen Kontext zu stellen, indem es die Musikdarbietung mit Themen aus der Gesellschaft koppelt, „hatte immer schon unterschiedliche Formate, nicht nur das Konzert.“
So sei klar gewesen, „dass wir weiterhin mit den Formaten arbeiten können, aber auf die Situation reagieren müssen.“ Aber was tun?
Die Stadt als Begegnungsort
Wenn die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird, mache das etwas mit der Gesellschaft, so Eller. „Der Verlust des öffentlichen Raums ist für eine Demokratie gefährlich.“ Genau deshalb zielt das Feldkircher Modell darauf ab, die Stadt wieder als Begegnungsort spürbar zu machen.
„Urbanität bedeutet ja nicht den bebauten Raum, sondern die Art und Weise, wie ich mich als Person im öffentlichem Raum bewege und anderen begegne.“ Dass dabei alle Regeln, die Verordnungen und der gesunde Menschenverstand vorschreiben, eingehalten werden, verstehe sich von selbst.
Konkret wird es mehrere offene Bühnen geben. Die Stadt trete dabei aber nicht als Veranstalter auf, sondern bloß als Koordinator. „Jeder einzelne ist dafür verantwortlich, dass Regeln eingehalten werden, aber keiner kollektiv.“
Natürlich helfe man dabei, Bestimmungen umzusetzen. Es gibt Bodenmarkierungen, die helfen, Sicherheitsabstände einzuhalten. „Und wir helfen auch sonst wo es nur geht, damit sich jeder wohlfühlen kann.“
Darüber hinaus kommuniziert das Stadtmarketing, „was los ist, was die Stadt kann“: Dass die Poolbar etwa schon bald den Außenraum bespielen wird, und dass es Workshops zum Thema „Mobile Stühle“ gibt.
„Niemand ist auf das angewiesen, was an fixer Stadtmöblierung da ist, sondern jeder kann seinen Stuhl dorthin stellen, wo er will und so den Stadtraum okkupieren.“
Im wirtschaftlichen Bereich gelang es, die Gastgartenregelung so zu adaptieren, dass Gastgärten mehr Platz bekommen und so die wirtschaftlichen Einbußen, die dadurch entstehen, dass die Stühle auseinandergerückt werden, kompensiert werden.
Klagenfurt: Stärkung der Szenen, Stärkung der Stadt
Für die neu programmierten „Donnerszenen“ greift Inga Horny, Geschäftsführerin des Klagenfurter Stadtmarketings, auf den verborgenen Schatz Klagenfurts zurück: Die Renaissance-Höfe.
Klagenfurt ist eine Renaissance-Stadt, die teils prächtigen Höfe seien allerdings weitgehend unentdeckt, weiß die studierte Kunsthistorikerin. „Kaum jemand kommt hierher, um sie sich anzuschauen, obwohl dieser Renaissance-Schatz ein tolles touristisches Thema wäre.“
Fünf dieser Höfe werden nun ab 2. Juli bespielt, einer davon mit literarischem Programm (das Musilhaus zeichnet verantwortlich). Die anderen vier mit musikalischen Darbietungen der Kärntner Jazzszene. Wobei sich im Programm Arrivierte neben Jungen finden, die gerade am Sprung in eine vielversprechende Karriere sind.
Jede Band spielt drei Sets á 35, 40 Minuten. Dazwischen gibt es längere Pausen, damit die Menschen reibungslos und mit dem gebotenen Abstand kommen und gehen können.
Das Programm ist auf Duos beschränkt, „weil man zum Planungszeitpunkt noch nicht wusste, ob mehrere Leute überhaupt unter Einhaltung der Abstandsregeln auf eine Bühne dürfen, man also im Trio oder Quartett spielen würde können.“
In dieser Form liege aber auch ein besonderer Reiz: Ein etwas intimeres Setting (die Höfe fassen zwischen zwanzig und hundert Leuten), das den Höfen gerecht wird, und interessante Kombinationen, die man sonst so nicht zu hören bekomme.
Insgesamt schlagen die Donnerszenen zwei Fliegen mit einer Klappe:
Die Stärkung der heimischen Kulturszene bei gleichzeitiger Bewusstseinsbildung für den historischen Schatz der Stadt.
Zum Zug kommt diesen Sommer die Kärntner Kulturlandschaft. Das heißt: „Es ging uns auch darum, ein kulturpolitisches Zeichen zu setzen, dass uns die Kulturschaffenden aus der Region wichtig sind.“
Persönlich hofft Horny, dass die Donnerszenen Nachahmung finden. „Tut etwas für eure Kulturschaffenden landauf landab, denn wir brauchen die Szene. Sie ist essenziell“, so Horny.
Rankweil: Zwanglose Jam-Sessions
Genau das, die gewünschte Nachahmung, ist im Vorarlberger Rankweil bereits passiert.
Inspiriert von Inga Hornys Konzept der Donnerszenen, von denen man über den wöchentlichen Austausch der Stadtmarketing-Organisationen erfuhr, hat man die „Zemm-Sessions“ ins Leben gerufen, erzählt Carolin Frei von der Erlebnis Rankweil Gemeindemarketing GmbH.
„Wir haben zwar keine Renaissance-Innenhöfe, aber man muss eben mit dem arbeiten, was man hat.“ Und das sind in Rankweil eine ganze Menge an Vereinen, 125 an der Zahl, von denen viele veranstalten, aber auch schöne Gastgärten, in denen veranstaltet wird.
So finden Im Juli und August an jedem Donnerstag abends in den Gastgärten Jam-Sessions statt, die so genannten „Zemm-Sessions“. „Es geht uns darum, die Kulturszene zu unterstützen, indem eine freie Bühne zur Verfügung gestellt wird.“
Jeder ist eingeladen, mitzuspielen.
„Wer mitmachen will, macht einfach mit.“ Um zuhören zu dürfen, muss man auch nichts konsumieren. „Eingeladen ist jeder, der lauschen will.“ Die „Zemma Wirta“, ein Zusammenschluss von ortsansässigen Wirten, werden in der Ausgestaltung des Programmes und in der Vermarktung unterstützt.
Das Schönste aber ist: Die Zemm-Sessions sind nur ein Teil des großes Kulturprogramm Rankweiler Sommers. So ist das Alte Kino, wo sich die Kultur-Szene bewegt, sehr aktiv. Und am Marktplatz wird ein großes Sommerkino veranstaltet, das sich „Filme unter Sternen“ nennt.
Hall: Eine Bühne für die Stadt
Nach den Sternen greift man in Hall nicht. „Hall ist eine Kleinstadt mit nur 14.000 Einwohnern“, schickt Michael Gsaller vom Tourismusverband Region Hall-Wattens gleich einmal voraus, bevor er das dortige Konzept erklärt.
Dementsprechend kann man sich nicht mit Städten wie Innsbruck oder Bregenz messen. Es herrschen andere Verhältnisse. Hall hat aber auch einige Vorzüge zu bieten: Einen geschlossenen Altstadtkern etwa.
„Die Altstadt funktioniert gut, der Branchenmix stimmt“, fasst es Gsaller zusammen. Und: „Wenn man die Menschen fragt, was ihnen in der Corona-Zeit am wenigsten abging, dann ist es das klassische Shoppen. Am meisten ging ihnen der Kulturbereich im weitesten Sinne ab, die Unterhaltung und das Soziale.“
Die Menschen wollen wieder in die Stadt.
Hall will die Stadt neu beleben, indem es auf Kunst und Kultur setzt. In einem kleinen Park in der Altstadt, der kaum benützt wird, stellt man eine kleine Bühne auf. „Als sichtbares Zeichen dafür, dass sich die Stadt jetzt der Kultur widmet, und als Kontrastprogramm zum ökonomisches Hochfahren.“
Aufgrund der strengen Besuchervorgaben habe man sich allerdings auf Kinder spezialisiert. Ob Kinderkonzerte oder Märchenerzähler, man wolle im Sommer nun möglichst viele kulturelle Punkte für Kinder schaffen, „die während des Lockdowns im besonderen Ausmaß Leidtragende waren.“
Der Hintergedanke ist aber, dass auch andere die Bühne benützen können – von der Blasmusikkapelle bis zur Impro-Theatergruppe. „Budgets, um das zu erleichtern, sind vorgesehen.“
Über Ausschreibung wurden Künstler, Vereine, Unternehmer und Ideengeber aufgerufen, an diesem Sommerprogramm aktiv mitzuwirken. Innerhalb weniger Tage gingen mehr als dreißig Zusendungen ein. Der Bedarf von Künstlerseite ist also riesig. „Alle freuen sich“, so Gsaller.
Kulturförderung
Politisch interessant ist: Innerhalb von nur drei Wochen gelang es, die Ideen für das Projekt zu sammeln, ein Budget auf die Füße zu stellen und die entsprechenden Beschlüsse im Gemeinderat zu fassen. Wer weiß, wie lange es normalerweise dauert, derlei ins Werk zu setzen, ist beeindruckt.
Interessant auch: Diese Kulturförderung finanziert sich im weitesten Sinne aus der Wirtschaftsförderung. „Alle versuchen, die Wirtschaft anzukurbeln, indem sie sich Wirtschaftskonzepte überlegen, etwa Gastro-Gutscheine verschenken oder zum Konsum aufzurufen“, erklärt Gsaller.
Nach dem Motto: Wer konsumiert, rettet die Wirtschaft. In Hall aber hat man es geschafft , dass sich der Gemeinderat einhellig dafür aussprach, es nicht mit dem Rezept zu versuchen, sondern der Bevölkerung Kultur zu schenken.
„So fördern wir zum einen die wirtschaftliche Lage der Künstler. Zum anderen bringen wir kulturinteressierte Menschen in die Stadt.“ Während sie Kultur genießen, bewegen sie sich in einer konsumfreien Zone, aber vorher und nachher bewegen sie sich natürlich auch in der Stadt und kurbeln, wenn sie wollen, dort den Konsum an.
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