Diese wunderbare Sprache namens „Licht“

04.07.2017
Architektur, Kultur

Boerse-Frankfurt

Ein Blogbeitrag von Michael Batz, deutscher Autor, Dramaturg, Regisseur und Lichtkünstler in Hamburg, zum Thema „Licht“ als Gestaltungselement.

Um hell machen geht es natürlich auch – aber vor allem handelt es sich beim Licht, über das wir verfügen können, darum, Geschichten zu erzählen, einen Raum der Imagination zu öffnen, einen Bildraum voller Bedeutungen, Stimmungen, Evokationen. Licht ist Erzählung und Erzähler zugleich, es stiftet eine Literatur der Nacht, in der die Dunkelheit nicht Feind, sondern Fond und Rohstoff ist.

 

Im Dialog mit der Dunkelheit versammelt Licht alle Leidenschaften zwischen Dämmerung und Zwielicht, harten Schatten und gleißender Aura, zwischen industrieller Tristesse und dem kleinen, herzlichen Kerzenlicht bis hin zur Fackel des Protests.

Mit Licht beginnt die Welt – aber darin endet sie auch.

Theatro Municipal, Sao Paulo (Foto Michael Batz)
Theatro Municipal, Sao Paulo (Foto Michael Batz)

Seit Menschengedenken wird Licht gleich gesetzt mit Verheißung. Auch mit Göttlichkeit ebenso wie mit Aufklärung, Freiheit, Wissenschaft, Fortschritt, mit Fest und Macht. In der Oper steht Parsifal im Scheinwerfer, im Lichtermeer der Innenstädte kreist der moderne Stadtmensch um die leuchtendsten Angebote.

Seit dem instrumentellen Freiheitsbegriff der technischen Moderne ist die Stadt zur Bühne von Steigerungen geworden. Je heller die Stadt, desto urbaner mutet sie an. Nicht nur in ihren bebauten Flächen und Architekturen, auch in ihrer Belichtung wird die Maßstäblichkeit einer City zum Ausdruck gebracht.

Definiert sich die klassische europäische Stadt immer noch über Identität und Charakteristik, Stadtbild, Silhouette, Struktur und Räume, vor allem über Zentrum und Mitte, ist das urbane Design in den globalen MegaCities nur über Topografien der Lichtmenge möglich. Die Zentren sind dort, wo die größte Performance, die Präsenz von Energie, stattfindet. Stadtwirklichkeit wird Inszenierung. Inszenierung wird Realität. Realität vermittelt sich medial.

 

Digitalisierung von Licht

Eine Stadt, die nicht ständig unter Strom steht, ist keine Stadt. Eine Fläche, die nicht beschriftet ist, sei es mit Graffiti oder eben mit belichteten Content-Displays, bloß unkommentiert und zeichenlos leer ist, gilt kaum noch als zeitgemäßes Design. Mit der Digitalisierung des Lichts auf Screens, Monitore und Displays, dem großen technischen Fortschritt, werden wir an Leuchtdichten gewöhnt, vor denen Menschen früherer Jahrhunderte zurückgeschreckt oder in die Knie gegangen wären.

 

Um das Licht selbst, seine Qualitäten, geht es dabei vor allem hinsichtlich der Sichtbarkeit. Es dient als Lautsprecher und visueller Geschmacksverstärker einer ortsungebundenen, mobilen Gesellschaft, die Informationen nicht nur zwischen zwei Terminen, sondern auch während der Termine aufschnappt und ebenso schnell auch wieder vergisst. Dabei wäre es gut, Licht, diesen Reizstoff, weniger im Supermarkt, als viel mehr in der Apotheke zu kaufen.

Die Dimension des Dialogs, die dem Licht zugrunde liegt, da eine Sichtbarkeit sonst nicht entstehen könnte, ist dem Nachrichtenstrom fremd. Auch ein Twittergespräch, das darin besteht, dass man sich fortlaufend bestätigt, im Gespräch zu sein, ist kein Dialog. Ein Dialog ist Begegnung. Er schließt das Ungleiche, das Fremde, das Andere mit ein, so wie sich Licht brechen und an Objekten teilen muss, um zu sein.

Denn Licht hat eine andere Zeitform als die Information. Licht verbraucht sich nicht mit der Wahrnehmung, sondern eröffnet ihre Dauer. Nicht physikalisch, aber ästhetisch bekennt es sich zur Langsamkeit, zur Subtilität.

 

Stadtgestaltung mit Licht

Seine Entwicklungsgeschichte hat das Licht eben nicht nur bei der instrumentellen Erzeugung und Technik, sondern auch und vor allem bei der Kultur. Die Stadt war nie bloß funktionaler Siedlungsraum, sie war immer und vor allem auch imaginativer und narrativer Raum. Und sie war immer Ort der Vielfalt und der Gegensätze.

Die Aufgabe, Stadt zu gestalten, mit Licht zu erzählen, neben aller Orientierung auch Lesbarkeit herzustellen, Lebensqualität und Lebensgefühl zu unterstützen, diese operative Aufgabe darf den Horizont des Ambivalenten nie aus dem Auge verlieren. Die Steigerung der Lichtmengen ist keine Steigerung der Erkenntnis noch der Emotion. Das immer stärker nachgefragte Produkt Licht camoufliert sich leicht und bedenkenlos als permanentes Stadtfest, ohne es zu sein.

Pixels don’t tell stories, people tell stories… Bei allen Strategien von Darstellung und Wahrnehmung im öffentlichen Raum stellt sich die Frage nach der Partizipation am Licht.

Speicherstadt Hamburg (Foto Michael Batz)
Speicherstadt Hamburg (Foto Michael Batz)

 

Welcher urbane und soziale Wert wird produziert bzw. zugelassen?

Wer ist im Licht und wer nicht?

Für Schatten gibt es keine Auftraggeber. Beauftragt wird immer das Licht. Nicht immer mit hoher Sensibilität, nicht immer im Sinne einer abgestimmten Bildkomposition, die jedem quartierlichen Stadtraum guttut. Ja, der gesamten Ansicht einer Stadt, sofern sie noch möglich ist.

Vielleicht sind wir im gegenwärtigen Stadium die letzten Simulanten einer Welt, die im Licht selbst und nicht nur in seinen applikativen Dienstleistungen ein unmittelbar narratives Element gesehen haben. Vielleicht hängen wir einer ausklingenden Musik nach, einem sich auflösenden Epos, das den Serien-Stories der Industrie nicht standhalten kann.

Aber nur vielleicht.

Zu den Institutionen, die verstanden haben, dass Städte eine Story brauchen, um über den Moment hinaus anziehend zu sein, weil sie etwas zu sagen haben, gehört das kluge Stadtmarketing. Ganz häufig gibt es die Impulse, über das Ganze der Stadt nachzudenken, nicht allein über Teilaspekte oder Partikularinteressen. Und dafür eine Form zu finden, eine Begrifflichkeit, eine Lesbarkeit und vor allem ein Bild. Das setzt fast immer bei den Mythen an, vom Ursprung, überstandenem Unglück und immer wieder neuem Leben.

 

Beispiel: Projekt Getreidegasse in der Salzburger Altstadt

Ein besonders schönes Projekt stellt die Getreidegasse in der Salzburger Altstadt dar. Die Erfahrungen aus dem erfolgreichen Konzept für das Kaiviertel – bereits im Jahr 2011 vom Altstadt Salzburg Marketing initiiert – erweisen sich auch hier als zielführend.

Angestrebt wird eine angemessene und zeitgemäße Lichtgestaltung. Diese soll sowohl den spezifischen Funktions- und Repräsentationsansprüchen der Getreidegasse im Kontext des Altstadtquartiers als auch den Erfordernissen eines historischen Wahrzeichens entsprechen.

Das reiche und vielfältige Tagbild dieser einstigen Bürgerstraße mit großer Tradition soll in Abstimmung mit der Denkmalpflege in ein Nachtbild übersetzt werden. Es soll die Identität der Getreidegasse bewahren und um die Möglichkeiten nächtlicher Inszenierung behutsam erweitern.

Im Sinne eines Gesamtkonzeptes werden neben baulichen Gegebenheiten, wie etwa den Durchhäusern, auch besondere Merkmale wie die Zunftzeichen zum Thema gemacht. Ergänzt durch Empfehlungen zum gewerblichen Licht. Zur Verbesserung der Energiebilanz und allgemeinen Effizienz nimmt das Salzburger Maschinenamt die Ablösung des konventionellen Lichtsystems der öffentlichen Beleuchtung durch ein steuerbares und flexibles System auf LED-Basis vor.

 

Licht als Kultur und als Sprache

 

Lichtgestaltung befragt die Stadt nach Geschichten. Sie lotet Bildschwellen aus. Und sie versucht, die Geschichten so in Bilder zu bringen, dass sie anfangen, zu „sprechen“, sich fein und unaufdringlich mitzuteilen.

Licht, die Literatur der Nacht, die sich des Rohstoffs Dunkelheit bedient und dankbar dafür ist, ohne Feindseligkeit und Vertreibungsreflexe, ist eine Erzählung der Welt als Welt, nicht bloß als Produkt oder Information, die von der folgenden Information gefressen wird.

Wenn alle aufrüsten, bleiben alle auf der Strecke.

Eine Erzählung wird aber erst dann zu einer Erzählung, wenn nicht alle im Raum zugleich brüllen, sondern es Regeln gibt. Wenn man sich zuhören kann, sich selbst als Teil eines Ensembles versteht. Und keineswegs gibt es einen unmittelbaren und garantierten Zusammenhang zwischen einem schrill beleuchteten Schauraum und dem sofortigen Klingeln der Kasse.

Licht, als Kultur und als Sprache verstanden, elementar und universal, bewahrt die Stadt auch im 21. Jahrhundert davor, ihre Identität zu verlieren und zur beliebigen Hardware globalisierter Breaking News zu werden.

 

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