Stadtmarketing zwischen Relevanz und Wirksamkeit

14.10.2020
Wirtschaft

Im Podcast von Stadtmarketing Austria spricht Edgar Eller, Vizepräsident von Stadtmarketing Austria, über die Aufgaben, Relevanz und Wirksamkeit des Stadtmarketings.

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In unserem heutigen Podcast von Stadtmarketing Austria spricht Edgar Eller, Vizepräsident von Stadtmarketing Austria, über die Aufgaben, Relevanz und Wirksamkeit des Stadtmarketings. Stadtmarketing als Netzwerk Hub, Räume, Identität und den Begriff der atmosphärischen Stadtgestaltung.

Der Podcast zum Anhören:

Das Interview transkribiert zum Nachlesen:

Herzlich willkommen bei unserem Interview mit Edgar Eller, dem Vizepräsident des Dachverbandes Stadtmarketing Austria. Herzlich willkommen, Edgar.

Edgar Eller über die Relevanz und Wirksamkeit von Stadtmarketing-Organisationen.
Edgar Eller (c) Dietmar Mathis

Ich habe eine Frage an dich. Wie kann das Stadtmarketing mehr Relevanz bekommen?

Edgar Eller: Eine gute Frage. Ich glaube aber, sie geht ein bisschen in die falsche Richtung. Die Frage ist weniger, wie Stadtmarketing relevanter werden kann. Stadtmarketing ist relevant.

Wir müssen uns eher Gedanken darüber machen, wie es wirksamer werden kann. Wenn ich sage, Stadtmarketing ist relevant, dann greife ich auf etwas zurück, das vor einigen Jahren entwickelt wurde.

Das sind die verschiedenen Aufgabenfelder, in denen Stadtmarketing tätig ist oder eigentlich tätig sein sollte und eben in der Realität leider noch nicht oft wirksam werden kann.

Wir haben mit Stadtmarketing Austria vor ein paar Jahren zwölf Handlungsfelder definiert, die alle Themen, wo Stadtmarketing überall Eingriff nehmen sollte, zeigen.

Themenfelder von Stadtmarketing Austria

In der Realität sind es meistens nur wenige Felder, die die Kollegen draußen in den Städten und Orten bearbeiten.

Die Frage muss also viel mehr sein, wie schaffen wir es, Stadtmarketing so zu positionieren, dass es tatsächlich in all diesen zwölf Feldern aktiv und wirksam werden kann.

Diese Wirksamkeit hängt sehr, sehr stark mit dem Netzwerk zusammen, das wir bewirtschaften können. Auch mit dem Auftrag, den diese Stadtmarketing-Akteure von den Städten oder von ihren Auftraggebern bekommen haben.

Wir wissen natürlich aus der Historie, und auch heute ist es noch so, wenn irgendwo eine Stadtmarketing-Organisation gegründet wird, dann wird es oft aus einem Mangel heraus gemacht.

Jemand hat das Gefühl, man sollte die Stadt vermarkten.

Oder wir haben ein Problem, oder es gibt einen Streit zwischen den Händlern. Wir brauchen jemanden, der schlichtet. Und es ist dann meistens ein sehr, sehr fokussierter Auftrag, den der neue Kollege dann bekommt.

Das heißt, wenn wir wollen, dass Stadtmarketing im gesamten Umfeld die Wirksamkeit entfalten kann, dann müsste es schon in der Auftragslage so definiert sein, dass klar ist, dass der Kollege oder die Kollegin auch die Kapazitäten und auch den Auftrag bekommt, eben all diese Felder abzuarbeiten.

Wir reden hier nicht nur vom Handel, wir reden auch von Bildung, wir reden auch von Kultur, auch von Tourismus, all diese Felder berühren unser Tätigkeitsfeld.

Und wenn man sich nun anschaut, wie dieser Auftrag bewirtschaftet werden kann, dann hängt es immer mit Netzwerken zusammen, die wir bespielen und manche dieser Netzwerke entwickeln wir selber. Das ist unsere tägliche Arbeit.

Das heißt, die Kollegen draußen müssen anfangen, sich mit all den Akteuren zu vernetzen, die für die Stadt etwas leisten, oder die quasi die Stadt zu dem machen, was sie ist. Manche der Netzwerke sind natürlich auch institutionell. Das heißt, wir müssen es schaffen, in diese Netzwerke per Definition rein zu kommen.

POTENTIALE: ein Festival, das den Stadtraum zum Thema hat.

Das heißt also, wenn irgendwelche Stadtentwicklungsthemen oder stadtplanerische Themen laufen, dann muss klar sein, dass das Stadtmarketing dort von Anfang an miteingebunden werden muss.

Diese Einbindung passiert noch nicht sehr häufig. Es hängt ein bisschen, wie gesagt, zum einen mit dieser Auftragslage zusammen, die oft sehr, sehr fokussiert auf nur ein einziges Thema ist und zum anderen auch vom Unwissen.

Oder auch von diesem Glauben, Stadtmarketing wäre jetzt irgendwie Werbung.

Und wenn ich einen Stadtteil entwickele, brauche ich vielleicht keine Werbung, also brauche ich auch kein Stadtmarketing. Das ist ein doppeltes Missverständnis!

Das ist schon allein von der Begrifflichkeit des Marketings falsch. Also wenn man sich die Definition von Marketing anschaut, dann macht es deutlich mehr als nur Werbung. Es gibt diese berühmten Ps und da ist Promotion, also die Werbung, nur ein Teil davon.

Modernes Stadtmarketing

Aber das ist nicht das, worauf wir uns beziehen, wenn wir von modernem Stadtmarketing reden. Es hat sich einfach aufgrund der Erfahrung, des Needs in den Städten entwickelt. Also nachdem wir gemerkt haben, wo sind Themen, die bearbeitet werden wollen und wo sind unsere Stärken.

In den letzten Jahren hat sich herauskristallisiert, dass Stadtmarketing eben in diesen Bereichen extrem viel bewirken kann. Also wenn wir über Wirksamkeit reden, dann reden wir sehr häufig über Netzwerke in Städten.

Netzwerken: Stadtmarketingvertreter und Mitglieder von Stadtmarketing Austria bei der diesjährigen DenkwerkStadt in der Villa Trapp in Salzburg.

Also das heißt, wie kann ich mich mit den Leuten vernetzen und wie kann ich die aktivieren, die tatsächlich für die Stadt Relevanz haben?

Das sind zwei unterschiedliche Zugangsweisen und Handlungsfelder. Das eine sind die Netzwerke, die wir in unserer Arbeit selber aktivieren und auch bewirtschaften.

Also das heißt, jeder Kollege, jede Kollegin muss sich mit den Akteuren in der Stadt vernetzen, die etwas für die Stadt leisten und die Stadt zu dem machen, was sie ist. Seien das Kulturschaffende, sei es die Touristik, et cetera.

Die mobile Gastfreundschaft der POTENTIALe: Wer sie entdeckt, ist eingeladen: An den verschiedensten Schauplätzen der Stadt Feldkirch wurden in diesem Sommer Neugierige zum gemeinsamen Genuss eingeladen. Zum Einsatz kommen drei Vorarlberger Kochkollektive und zwei fahrbare Küchenelemente. Gastgeber Eugen Fulterer ist gelernter Koch und Theaterwissenschaftler. Das Foto zeigt ein Projekt im Frauenmuseum Hittisau. ©Angela-Lamprecht
Die mobile Gastfreundschaft der POTENTIALe: Wer sie entdeckt, ist eingeladen: An den verschiedensten Schauplätzen der Stadt Feldkirch wurden in diesem Sommer Neugierige zum gemeinsamen Genuss eingeladen. Zum Einsatz kommen drei Vorarlberger Kochkollektive und zwei fahrbare Küchenelemente. Gastgeber Eugen Fulterer ist gelernter Koch und Theaterwissenschaftler. Das Foto zeigt ein Projekt im Reichenfeld. ©Angela-Lamprecht

Netzwerk-Hub

Aber es gibt natürlich auch institutionelle Netzwerke, das heißt, Planungsgruppen, Stadtplanung, Stadtentwicklung und hier muss sichergestellt sein, dass das Stadtmarketing in diese Netzwerke oder in diese Institutionen integriert wird als Netzwerk-Hub.

Und das passiert noch nicht so häufig. Das hat zum einen sicherlich etwas mit dieser sehr indifferenten oder sehr reduzierten Auftragslage zu tun, die ich vorhin angesprochen habe.

Aber auf der anderen Seite glaube ich, hängt das auch mit dem großen zuvor angesprochenen Missverständnis zusammen, dass Stadtmarketing als Werbung verstanden wird.

Wenn man einen neuen Stadtraum oder ein Areal gestaltet, dann hat man das Gefühl, noch brauche ich keine Werbung oder ich brauche vielleicht überhaupt keine Werbung für dieses Areal und deswegen brauche ich auch kein Stadtmarketing.

Wir haben aus der Erfahrung der letzten Jahre, aus dem Need, den wir in den Städten gespürt haben gelernt, wo wir wirksam sein können und dass Stadtmarketing ein ganz spezielles Feld bearbeiten kann.

Ein Feld, das sonst in der Stadt sehr häufig brach liegt und eben nicht in dieser Art bewirtschaftet wird.

Das Stadt/Studio ist eigentlich eine neue Form des Städtebaus. Es ist ein Konzept, das überall aufschlagen kann. Im Sommer 2018 entwarfen, planten und bauten fünfundzwanzig Studierende des „Stadt/Studio“ von Martin Mackowitz und Wolfgang Schwarzmann einen Teepavillon auf dem Raiffeisenplatz mitten in der Stadt. Es ging darum, die Aufenthaltsqualität des Innenhofs zu steigern, dabei aber einen inklusiven Ansatz zu verfolgen, also auch soziale Randgruppen, die den ruhigen Platz in den vergangenen Jahren für sich entdeckt hatten, nicht auszuschließen. Ein für alle einladender und gastlicher Ort der Kommunikation sollte hergestellt werden. ©Patricia Keckeis

Das bedeutet eben Leute zu aktivieren, Netzwerke zu bespielen und der Stadtentwicklung eine eigene Ebene zu geben.

Wir haben uns dann auf die Suche gemacht nach einer Begrifflichkeit  und sind an den Begriff der atmosphärischen Stadtraumgestaltung hängen geblieben.

Das heißt, wir machen keine klassische Stadtentwicklung, wir bauen keine Plätze, wir bauen keine Straßen.

Aber wenn es darum geht die Stadt zu gestalten, dann können wir atmosphärisch intervenieren.

Das Feldhotel am Montfjord: ein Kultur-Quartier und Hort mobiler Gastlichkeit. Ein temporärer Raum, um Notwendiges und Zukünftiges zu verhandeln. Auch ein Ort für Bürgerbeteiligung. Das Feldhotel wurde auch als neutrales, kommunikatives Werkzeug eingesetzt mit dem Ziel, Ideen bekannt zu machen, Impulse zu setzen, Bürger und Bürgerinnen mitdenken zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich einzubringen. Foto © Magdalena Türtscher

Also wir können schauen, was braucht dieser Platz, was könnte dort entstehen, was sind Dinge, die gerade am Aufpoppen sind? Wo ist zumindest ein Potenzial, das man mal wecken kann.  Das geht deutlich über die Bebauung hinaus. Vielleicht braucht es überhaupt keine Bebauung.

Vielleicht braucht es quasi nur eine Aktivierung, die Netzwerke. Eine Aktivierung der Akteure, die dort etwas tun wollen und diese atmosphärische Stadtraumgestaltung zu entwickeln. Also eine Gestalt zu entwickeln in der Stadt, die auf einer atmosphärischen Ebene passiert.

Die mobile Gastfreundschaft der POTENTIALe© Angela Lamprecht

Das ist eine Qualität, die Stadtmarketing kann! Und dadurch schließt sich dann der Kreis dieser zwölf Handlungsfelder. Weil all diese Bereiche eben nur einen Teil der Stadt abdecken.

Lesen Sie hier mehr zum Thema „Atmosphärische Stadtraumentwicklung“.

Aber die Frage, welche Aura oder welches Gefühl vermittelt diese Stadt, ist für alle Gruppen relevant.

Das ist für den Touristiker relevant, das ist für den Stadtplaner relevant, das ist für den Bürger relevant, das ist für das Thema der Bildung relevant. Und wenn wir hier von Räumen reden, dann geht es weniger um tatsächliche Räume. Also eher diese englische Unterscheidung.

Es geht nicht um den Room, also um den Raum, der quasi gebaut ist, sondern es geht um diesen Space, um diesen atmosphärischen Raum, der sich quasi über einen Platz spannt, und der spürbar ist.

Und diese Felder, die kann Stadtmarketing bearbeiten und die muss es auch bewirtschaften. Vielleicht hat man so das Gefühl, es wäre zusätzlich ein Luxus, den man sich leisten kann, oder den man auch sein lassen kann.

Das wäre aber ein Missverständnis, weil wenn es um attraktive Städte geht, dann ist es immer genau das. Das lernen wir ein Stück weit von den Touristikern oder die Touristiker von uns, je nachdem von welcher Seite man es sehen möchte.

Wenn ich mir den Tourismus anschaue, klassischen Ferientourismus, dann ist die Hardware-Seite mehr oder weniger immer gleich und sehr, sehr stark austauschbar. Es gibt Skilifte, es gibt Berge, es gibt Hotels, es gibt Frühstück, es gibt Betten.

Das heißt, den Unterschied, vor allem den verkaufsfähigen Unterschied, macht die Geschichte.

Was die hochpreisige Destination von der nicht so hochpreisigen Destination unterscheidet, ist die Geschichte, die ich erzählen kann und die vor Ort spürbar ist. Das ist diese Atmosphäre, die gestaltet werden kann, die gestaltet werden will, die aber nicht beliebig gestaltet werden kann. Es geht nicht um das Gewollte, sondern es geht immer um das Vorhandene.

Es geht um Identität und nicht um Image. Und diese Unterscheidung einzuführen, vor allem auch im Tourismus, ist eine Qualität, die man sicherlich im Stadtmarketing besonders kultiviert.

Deswegen auch für Städte und Regionen einen großen Wert durch das Stadtmarketing setzen kann.

Wir sehen also, Stadtmarketing ist relevant.

Die Relevanz hat sich in den letzten Jahren massiv gezeigt und wir konnten auch in einigen Städten entwickeln, was getan werden konnte.

Die Frage ist weniger die der Relevanz, sondern die der Wirksamkeit. Hier ist definitiv noch in vielen Städten Nachholbedarf. Es fehlt die Sicht auf diese ganzheitliche Möglichkeit, die Stadtmarketing bildet.

Dachverband Stadtmarketing Austria

Nochmal zusammengefasst, wer kann also diese Wirksamkeit erhöhen?

Zum einen natürlich jeder Stadtmarketing-Akteur als solches, der versucht, breit in diese Netzwerke zu kommen. Der ist aber sehr, sehr oft behindert in der Struktur, in der er steckt.

Wenn er jetzt den Auftrag hat, sich nur um den Handel zu kümmern, dann kann er nicht in der vollen Breite wirksam werden, weil er sich ja per Definition oder per Auftrag gar nicht um die anderen Felder kümmern dürfte.

Das heißt also, wir brauchen auf alle Fälle Auftraggeber, die verstehen, welche Werkzeuge sie hier eigentlich in der Hand hätten, wenn sie sie denn arbeiten ließen.

Das heißt also Bürgermeister, Vorstände, Vereinsvorstände, je nachdem wie die Struktur des Stadtmarketings ist, müssen verstehen, dass es um deutlich mehr geht als Handelswerbung. Es geht um eine atmosphärische Stadtraumgestaltung.  

Stadtmarketing ist in der Stadt, möchte wirksam werden, wird aber ein Stück weit ausgebremst von den Akteuren. Wenn wir hier schaffen, ein Verständnis zu erzeugen, dann sind wir sicherlich einen großen Schritt weiter und dann ist Stadtmarketing nicht nur relevant, sondern auch wirksam.

Das Gespräch führte Teresa Biersack bei der DenkwerkStadt 2019 am Attersee.

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Edgar Eller

Selbständiger Unternehmensberater und Hochschullehrer.

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