Die neuen Puzzle-Hotels und ihre Vorteile für die Stadt
14.11.2017
Wirtschaft
14.11.2017
Wirtschaft
In Zeiten von Air BnB und wimdu dürfen auch Hotels sich neu erfinden. Wir zeigen zwei gelungene Beispiele von Puzzle-Hotels und wie solche neuen Konzepte Stadtkerne und Regionen neu beleben können.
Der Prototyp des Wiener Grätzlhotels war aus einer alten Wiener Schneiderei entstanden. Die heutige Geschäftsführerin des Unternehmens, Theresa Kohlmayr, war damals noch Architekturstudentin und hatte sich mit drei weiteren Kollegen mit einer neuen Idee selbstständig gemacht.
„Wir mieteten das Geschäftslokal in der Wiener Theresianumgasse beim Belvedere und investierten unser Erspartes in die Renovierung“, erzählt die Hotelchefin heute. Dann wurden die Einheiten an Reisende tageweise vermietet. „Es ging uns schon damals darum, vereinsamte Straßenzüge neu zu beleben und Häusern, deren Bausubstanz schon in Mitleidenschaft gezogen war, neues Leben einzuhauchen“, so Kohlmayr über die Vision des innovativen Hotels.
Und diese fruchtete: Schon ein Jahr später gründeten die Jungunternehmer die Urbanautus Hotelbetreibergesellschaft und bekamen von der Bank eine Finanzierung für weitere zehn Einheiten dazu. Im Jahr 2015 schloss man sich mit der Grätzlbetriebsgmbh zusammen, die bereits ein ähnliches Projekt umsetzte.
Seit der Gründung kauften die Gründer mit ihren neuen Partnern weitere Einheiten in insgesamt drei Grätzln dazu. Beim Belvedere, beim Meidlinger Markt und beim Karmelitermarkt. Heute gibt es in diesen drei Grätzln 21 Einheiten, die als einzelne Hotelzimmer in den Straßenzügen verteilt an TouristInnen vermietet werden.
Die Zimmer sind nach ihrer Vorgeschichte benannt und heißen zum Beispiel „Die Schneiderin“, „Der Trafikant“, „Der Hausmeister“, „Die Knopfmacherin“, „Die Zuckerbäckerin“ oder „Der Elektriker“.
Während die Namen und einzelne Gegenstände in den 25 bis 25 qm großen Zimmern noch an die ursprünglichen Zünfte der Räumlichkeiten erinnern, sind die Unterkünfte selbst modern und individualistisch ausgestattet. „Mit unserem Hotelprodukt haben wir verlassene Straßenzüge und Gebäude neu belebt und geben sie einer Halböffentlichkeit zurück“, sagt Kohlmayr. „Damit möchten wir dazu beitragen, auch das Gefühl von Sicherheit in einst verlassenen Grätzln wieder zu stärken.“
Auch die Kooperation mit umliegenden Betrieben wird mit den neuen Hotelgästen gestärkt. „Wir empfehlen die umliegenden Cafés und Restaurants, was ein sanfter Nebeneffekt für die Grätzlbelebung ist“, so Kohlmayr.
Gebucht werden können die Zimmer über Web-Plattformen, aber auch via Telefon oder per Email. Bezahlt wird einige Tage im Voraus. Anschließend erhält der Gast ein Willkommensschreiben mit dem Zugangscode zum Schlüssel. „Dieser befindet sich direkt an der Hausfassade in einem Safe, der über diesen Code zu öffnen ist“, erklärt Kohlmayr.
Ein wichtiges Service, das dem Bedürfnis nach persönlicher Betreuung entgegenkommt, ist die „virtuelle Rezeption“, die rund um die Uhr für die Gäste erreichbar ist. Am Meidlinger Markt hat das Grätzlhotel sogar eine Kooperation mit dem
Lokal „Milchbart“, das als Empfangsservice und Conciergeservice fungiert. „Die Gäste haben hier eine Ansprechperson, wenn sie zum Beispiel weitere Handtücher brauchen“, erklärt Kohlmayr. Bei der Location am Karmelitermarkt übernimmt diese Funktion das Lokal „RisottoBox“.
v.l.: Die Suite „Der Marktschreier“ und „Der Schuster“ am Meidlinger Markt in Wien. (c) Monika Nguyen
Ein ähnliches Konzept hat die Donau Oberösterreich Tourismus GmbH mit den Donau(T)Raumhotels verwirklicht. „Es geht uns darum, den Gästen ein ganz besonderes Zimmer anzubieten“, erklärt Petra Riffert die Idee. Eines der ersten Zimmer war ein Zimmer im Stadtturm, das damals noch von den Pixel-Hotels angeboten wurde. „Wir ließen uns beraten und machten dann weitere Zimmer startklar.“
Man fragte sich also: Welche außergewöhnlichen Locations hat die Donauregion zu bieten, in denen man auch übernachten kann? Die Antwort auf die Frage war: Es waren gar nicht so wenige! So rückten Burgen, Schlösser, Stifte und idyllische Plätze inmitten der Natur in das Zentrum des Interesses.
Heute kann man tatsächlich in einem exklusiven Zimmer auf der Burg Clam übernachten oder in einem Baumhotel einchecken.
Wer es kuschelig und gemütlich mag, entscheidet sich für die Nächtigung im Weinfass auf dem Campingplatz oder zieht in eine Schiffskoje direkt an der Donau ein. „Mittlerweile bieten wir unseren Gästen ganz unterschiedliche Unterkünfte von luxuriös bis ganz einfach an, die aber alle eines gemeinsam haben: Sie rücken die Schönheit der Donauregion in den Vordergrund“, sagt Riffert.
Seit den Anfängen vor drei Jahren werden aktuell elf Einheiten an Touristen vermietet. Allerdings kämen jedes Jahr zwei bis drei neue dazu, sagt Petra Riffert. „Wir ermutigen auch unsere Gemeinden und Tourismusverbände dazu, neue Ideen an uns heranzutragen. Schließlich können wir uns mit diesem Hotelkonzept von der breiten Masse abheben und den TouristInnen wirklich besondere, authentische Erlebnisse anbieten.“
Auch neue Kooperationen würden sich aus den Puzzle-Hotelzimmern ergeben. Derzeit arbeitet man etwa daran, gemeinsam mit einem Reiseveranstalter eine spezielle Radtour zu entwickeln, die alle Donau(T)Raumhotels miteinander verbindet. „Dadurch wollen wir die kleinen Schätze unserer Region bekannt machen und das Versteckte zum Vorschein bringen“, fasst Riffert zusammen.
Auch Kooperationen mit regionalen Betrieben und ProduzentInnen bieten sich an: Wir haben in den Hotels etwa einen Folder der umliegenden Betriebe aufliegen und empfehlen unseren Gästen, diese zu besuchen. Darunter befinden sich ein Käseproduzent, der aus Schaf- und Ziegenmilch besondere Käsepralinen herstellt, eine Konditorei sowie die Tortenproduktion der Linzertorte und viele mehr.
Das Internet hat das Buchungsverhalten der TouristInnen verändert: Individualbuchungen in Privatunterkünften oder Guesthouses werden durch Plattformen wie Air BnB oder Wimdu zum ernst zu nehmenden Mitbewerb für klassische Hotels. Doch Städte, Gemeinden und Regionen können diesen Trend für sich nützen und selbst individuelle Unterkünfte für TouristInnen an verschiedenen Orten anbieten. Die Vorteile überwiegen: Kleine Orte und Regionen brauchen nicht gleich ein ganzes Hotel betreiben lassen sondern können individuell auf die Nachfrage reagieren.
Puzzle-Hotels können dazu beitragen, Leerstände zu beleben und frischen Wind in vereinsamte Grätzln zu bringen. Auch die umliegenden Betriebe können von der neuen Belebung durch die TouristInnen profitieren. Städte und Regionen haben mit der Gestaltung von „besonderen Zimmern“ die Möglichkeit, die besonderen Schätze ihrer Region hervorzukehren und TouristInnen neue Erlebnisse der Übernachtung zu bieten.
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