Potentiale von Coworking Spaces im ländlichen Raum
27.07.2022
Trends, Wirtschaft
27.07.2022
Trends, Wirtschaft
Die Arbeitsform Coworking ist in Großstädten bereits seit vielen Jahren etabliert, ist ein fester Bestandteil des New Work-Konzepts und gewinnt immer noch an Beliebtheit. Im ländlichen Raum steigt die Zahl der Angebote seit einigen Jahren. Die voranschreitende Digitalisierung und die damit verbundene Platzungebundenheit im Arbeitsleben machen dies möglich. Ein Beitrag über die Potentiale von Coworking Spaces.
Bei uns in St. Johann in Tirol sind wir gerade mitten in der Realisierung eines solchen Coworking Space. Mit unserem Weltraum bieten wir den zukünftigen Coworkern einen flexiblen Arbeitsplatz und ergänzen so die Infrastruktur im Ort. Es soll ein kreatives und innovatives Netzwerk entstehen, das sich aktiv an der Ortsentwicklung beteiligt und Impulse und Ideen liefert.
Im Zuge unserer „Weltraum-Mission“ haben wir uns intensiv mit dem Thema Coworking und den Chancen, die es für die Ortsentwicklung bietet, auseinandergesetzt. In diesem Artikel beleuchte ich nicht nur einige österreichische Coworking-Beispiele, sondern möchte auch darauf eingehen, wie Coworking Spaces am Land zu einer positiven Ortsentwicklung beitragen können.
Gemeinsam haben alle Coworking Spaces die gemeinschaftliche Nutzung von verschiedenen Leistungen und Räumlichkeiten wie Internet und Schreibtisch, sowie Besprechungsräume, Drucker, Kaffeeküchen und Gemeinschaftsräume. Hierdurch ersparen sich die Unternehmer:innen und Coworker Bürokratie sowie Liefer- und Wartungsaufträge für die Benutzung der Geräte.
Bei Stadtmarketing Austria haben wir diese Arbeitsform in mehreren Beiträgen bearbeitet und weisen auf die vertiefenden Links hin:
Makerspace Corworking und mehr
Jeder Coworking Space ist anders und auf die individuellen Bedürfnisse des Standortes sowie auf den Fokus der Gründer:innen abgestimmt. Bei der Planung eines Coworking Space ist es sehr hilfreich, im Vorfeld die verschiedenen Konzepte und Modelle anzusehen. Für die Erarbeitung des eigenen Konzepts ist es jedoch wichtig, sich auf die Gegebenheiten vor Ort und die eigenen Ziele zu fokussieren.
In Engerwitzdorf im Grüngürtel von Linz liegt der nachhaltig sanierte „2kanter CO | WORKING | HOF“ mit modern ausgestatteter 500 m² Fläche. Auf zwei Etagen verteilen sich zehn geschlossene Büros mit gemeinsam genutzter Infrastruktur und zwei moderne Meetingräume.
Bei After-Work-Programmen wie Grill & Chill ist der Erfahrungs- und Wissensaustausch mit Potenzial für erfolgreiche Kooperationen unter Gleichgesinnten vorprogrammiert. Michaela und Gernot Neuhauser sind Eigentümer, Gründer und Community-Manager zugleich. „Corona hat uns in die Hände gespielt, da viele Firmen versuchen, ihre Mitarbeiter:innen auszulagern oder Personen ihr Home-Office gegen einen richtigen Arbeitsplatz austauschen wollen“, erklärt Gernot Neuhauser.
Unterstützt wurde dieses Vorhaben von der LEADER-Region Sterngartl-Gusental. „Wir leisten einen Beitrag zur Gestaltung eines innovativen Umfeldes für die Ein-Personen- und Kleinstunternehmer:innen und versuchen Start-ups ideale Rahmenbedingungen zu geben“, skizziert Geschäftsführerin Martina Birngruber das Projekt.
In Sierning in der alten Kaiser-Josef Volksschule steht der Inbegriff von Kooperation – „Das Franzi“. Das Gebäude stand leer, deshalb startete „Frau in der Wirtschaft“ ein Kooperationsprojekt. Unter dem Motto „Old School. New Work“ wurde zusammen mit der örtliche Raiffeisen-Bank ein Coworking Space entwickelt.
Petra Baumgarthuber ist Frau der ersten Stunde und schätzt besonders: „dass die Planung des Raumkonzepts den Community-Gedanken beinhaltete und so ein offenes Gemeinschaftsbüro entstand, das der neuen Arbeitswelt entspricht.“ Auf 250 m² wurden rund 20 flexible Arbeitsplätze sowie Platz für Meetings und Veranstaltungen geschaffen.
Kooperationen mit Linz und Wien ermöglichen Arbeiten an mehreren Standorten zu einem Tarif. Zusätzlich stellte die Hausbank drei kostenlose Flex-Desks für Studierende, damit sie ihre Seminar- oder Bachelorarbeiten in professioneller Umgebung schreiben können.
Der größte „Workspace“ in Oberösterreich befindet sich in der Stadt Wels, in dem die Hälfte der Unternehmen aus den umliegenden Gemeinden und Bezirken kommen.
„Wir haben 2016 in einem komplett neu errichteten Gebäude mit der Vernetzung für die nächste Generation von Firmen begonnen. Kleine Unternehmen können hier gesund wachsen und erste Kooperationen knüpfen“, berichtet die Community Managerin Sonja Krennmair.
Sie hat selbst als Betreiberin einer Werbeagentur in diesem Workspace begonnen und managt nun knapp 50 Unternehmen, in denen zwischen einem und maximal sechs Mitarbeiter:innen arbeiten. „Der Space ist 2.000 m² groß und gleich einem Miniorganismus angelegt, in dem sich viele wie in einer zweiten Familie fühlen“, ergänzt Krennmair. Stadt und Land profitieren voneinander.
Der Verein „Coworkation im Alpenraum“ wurde zur Weiterentwicklung von alpinen Regionen in Bayern, Tirol und Südtirol und sowie als Plattform für Coworkation-Angebote und Locations geschaffen. Die Verbindung von Community (Gemeinschaft), Work (Arbeit) und Vacation (Urlaub) inmitten der spektakulären Kulisse der Alpen ist einzigartig.
„Coworkations“ sind organisierte Reisen, die durch eine Kombination von außergewöhnlichen Locations, arbeitsfreundlicher Infrastruktur, Raum für Austausch und Gemeinschaft und organisierten Rahmenprogrammen bestechen. Wandern, Yoga, Kochen oder Workshops bieten jedem die Möglichkeit, neue Kreativität zu tanken und den Alltag – mit Blick auf die Berge – hinter sich zu lassen.
Der Verein „CoworkationALPS e.V“ richtet sich an Regionen, Location-Betreiber:innen und potentielle Anbieter:innen von Rahmenprogrammen oder ganzen Coworkations. Alle Interessierten, die gerne einmal die spannende und cokreative Synthese aus Urlaub, Arbeit und Gemeinschaft am Kraftplatz Alpen erleben wollen, werden damit angesprochen.
„Wir möchten die Chance der New-Work-Bewegung nutzen, um neue Perspektiven zu schaffen und den ländlichen Raum der Alpen mit seinen einzigartigen Potentialen nachhaltig zu stärken“, so Julia Scharting von der Stadtortagentur Tirol.
Jungunternehmer:innen, heimische Start-ups, Freiberufler:innen, Kreative, Gäste für Workation aber auch Start-ups aus anderen EU-Ländern sind die zukünftigen Drahtzieher:innen des Kitzbüheler Start-up-Ökosystems.
Die Initiatoren des „Start.n“ – selbst Experten in den Bereichen Wirtschaft, Förderungswesen, New Work – bündeln in diesem zukunftsorientierten Projekt ihr Know-how und unterstützen die zukünftigen Unternehmer:innen mit einem umfangreichen Start- und Mentoringprogramm.
In Premium-Containern auf 800 m² ist dieses Gründerzentrum Mitte 2022 mit fixen Büroeinheiten für 30 Unternehmen und flexible Plätze für Pendler:innen und temporäre Arbeitsplätze entstanden.
„Das Start.n ist mehr als ein Gründerzentrum und ein perfekter Mix aus lockerem Come-Together und konzentriertem Arbeitsumfeld und ermöglicht Kollaboration, Kreativität, Problemlösung und Weiterentwicklung.
Für befruchtenden Austausch gibt es neben klassischen Büros auch eine Lounge mit Catering. Alle Mieter:innen bekommen eine pauschale Miete inkl. Strom, Heizung und Internet. Damit gibt es keine versteckten Kosten, denn Gründer:innen brauchen Planungssicherheit.“ beschreibt Investor Gregor Gebhardt die Philosophie.
Sind lokale Coworking Spaces – sogenannte Dorfbüros – auch im Tiroler Unterland, vor allem in den Bezirken Kufstein und Kitzbühel, gefragt? Und wenn ja, ist dieses Angebot auch für die Zielgruppe der Arbeitnehmer:innen interessant, etwa als Alternative zum klassischen Homeoffice? Diesen Fragen geht seit Oktober 2021 das Regionalmanagement KUUSK auf den Grund.
Im Fokus des Projektes steht zum einen die Vernetzung und Information von bestehenden und potenziellen Coworking Space-Anbieter:innen, zum anderen die Erhebung eines Stimmungsbildes bei den Unternehmen.
Denn die Grundvoraussetzung, um als Arbeitnehmer:in in einem Coworking Space seine Arbeit zu verrichten, etwa in der Heimatgemeinde, ist die grundsätzliche Homeoffice-Option im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.
Die Befragung fand im ersten Schritt in Unternehmen mit hoher bis mittlerer Arbeitnehmer:innenanzahl im Inntal statt, wobei eine gewisse Pendelzeit zur Erreichung der Arbeitsstätte (aus dem Bezirken Kufstein/Kitzbühel) berücksichtigt wurde.
„Solche Dorfbüros in den Gemeinden könnten sich als gute Alternative zum klassischen Homeoffice etablieren und unter anderem zur Attraktivitätssteigerung von Dorfkernen beitragen“, erläutert KUUSK Geschäftsführerin Melanie Steinbacher.
Pendler:innen finden sich eher in Großunternehmen. Bei mittleren Unternehmen ist das Mitarbeiter:inneneinzugsgebiet entscheidend kleiner, somit die Fahrstrecke kürzer. Ebenso war eine grundsätzliche Zustimmung zur Idee, dass Arbeitnehmer:innen mit Homeoffice-Option in möglichen Dorfbüros arbeiten, in großen Unternehmen höher.
Ein Stolperstein könnte das Thema Schutz von betriebsinternen Informationen sein. Unisono waren sich alle Unternehmen einig, dass ein „Dorfbüro“ jedenfalls ausreichend Rückzugsorte für ungestörte Telefonate oder Videokonferenzen bieten müsste.
Ein weiterer Aspekt ist die aktuelle Rechtslage zum Thema Versicherungsschutz bei Arbeitnehmer:innen. Die Tätigkeit im Homeoffice ist ortsgebunden, das heißt, dass die Arbeitsleistung durch die Beschäftigten von zu Hause aus erbracht wird. Zu klären wird noch sein, ob die Arbeitnehmer:innen, die in Dorfbüros ihre Tätigkeit ausüben, etwa im Fall eines Sturzes entsprechend versichert sind.
Insgesamt konnte jedoch eine positive Haltung zum möglichen Beitrag solcher Dorfbüros zur lokalen Wertschöpfung der Gemeinden festgemacht werden. Als essenziell wurde bewertet, dass Dorfbüros jedenfalls in attraktiver Lage im Ortszentrum anzusiedeln seien, um möglichst gute Infrastruktur und kurze Wege zu gewährleisten.
Auch die Idee, den Arbeitnehmer:innen etwa ein Jahresticket für ein Dorfbüro als Alternative zum Homeoffice als Benefit zur Verfügung zu stellen, fand Anklang. Abschließend kann festgehalten werden, dass die neuen Arbeitswelten viele Möglichkeiten, auch für Gemeinden im ländlichen Raum, mit sich bringen.
Und wie immer gilt: Rechtliche Rahmenbedingungen folgen zumeist etwas zeitverzögert auf Bedarfe. Es ist also davon auszugehen, dass sich auch für vermeintliche Stolpersteine in absehbarer Zeit Lösungen finden werden.
Potentiale von Coworking Spaces im ländlichen Raum (c) Medienfrau
„Coworking auf dem Land ist gut für Umwelt, Regionalentwicklung, Fachkräftesicherung und die persönliche Work-Life-Balance“ ist eine der Kernaussagen der Studie der Bertelsmann Stiftung „Coworking im ländlichen Raum“ aus dem Jahr 2020.
Aus den zahlreichen Interviews, die im Rahmen der Studie geführt wurden, stellt sich heraus, dass Coworking Spaces am Land anders funktionieren als in Großstädten, weil die Bedürfnisse andere sind.
Coworking Spaces bieten Chancen für Stadt und Land. Flexibilität ist allerorts gefragt und durch die gemeinschaftliche Nutzung von Strukturen, sprich Sharing, werden schließlich Kosten gespart und die Umwelt geschont. Kommunikation und inspirierender Austausch sind besonders wichtige Aspekte.
Menschen arbeiten in Coworking Spaces zwar getrennt voneinander, können sich aber jederzeit mit anderen Branchen und Firmen austauschen. Die Zukunft wird viele neue Formen der Arbeit mit sich bringen. Coworking ist ein Beispiel dafür, dass konzentriertes Business und soziales Leben kompatibel sind.
In der ständigen Transformation unserer Gesellschaft ist Coworking also ein neuer Weg hin zu mehr Kommunikation, Zusammenhalt und Effektivität. Was Coworking Spaces am Land umso interessanter macht, sind die Potentiale, die sie für die Gemeinschaft und Standortattraktivität mitbringen.
Vielfach sind Menschen am Land mit der Region eng verwurzelt und schätzen die hohe Lebensqualität vor Ort. Mit einem Coworking Space kann ein urbanes, kommunikatives Umfeld sowie eine perfekte Büroinfrastruktur geboten werden, damit das Arbeiten in der Heimatregion an Attraktivität gewinnt. Außerdem können Pendlerkilometer eingespart und Staus vermieden werden.
Von unserem „Weltraum Projekt“ kann ich derzeit berichten, dass es sehr große Zustimmung und Unterstützung der heimischen Wirtschaft gibt. Lokale Unternehmen unterstützen unser Vorhaben tatkräftig – sowohl mit Sachleistungen als auch finanziell.
Außerdem gibt es bereits einen bunten Anfragemix von Unternehmen und Freiberufler:innen aus der Region. Einige davon haben wir vorher nicht einmal gekannt. Wie sehr Coworking verbindet, zeigt sich bereits in der Planungsphase. Diese ersten positiven Erfahrungen motivieren und wir blicken gespannt auf die Zeit nach der Eröffnung!
Titelbild: Geschäftsführerin Marije Moors im Weltraum St. Johann in Tirol (c) Ortsmarketing St. Johann in Tirol
Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?
Weil wir gezeigt haben, dass „Miteinander“ mehr bringt. Im Miteinander machen Sie für Ihren Standort das Mögliche zum Machbaren. Wir unterstützen Sie dabei mit Know-how, das sich in der Praxis bewährt hat, mit Weiterbildung, die neue Perspektiven eröffnet sowie mit Erfahrungsaustausch, der Sie in Ihrer Rolle stärkt.
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