Ortsidentität: Wie man Orte und Städte lebenswerter macht

11.12.2020
Architektur, Wohnen

Im Interview gibt Dr. Deinsberger-Deinsweger Tipps, wie man Orte und Städte lebenswerter machen kann. Wir sprechen über Ortsidentität und das richtige Ambiente, das zum Verweilen einlädt.

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Im Blogbeitrag Wohn- und Architekturpsychologie: Ihre Bedeutung und ihr Einfluss auf Städte, sprachen wir mit Dr. Harald Deinsberger-Deinsweger und Bettina Purkarthofer, wie Räume, Gebäude und das Umfeld auf den Menschen wirken und welchen Einfluss räumliche Strukturen auf die persönliche Entwicklung und Entfaltung haben.

Des Weiteren gingen wir der Frage nach, warum erholsame Umwelten wichtig sind und wie groß die Bedeutung der Natur ist.

Im zweiten Teil des Interviews gibt Dr. Deinsberger-Deinsweger Tipps, wie man Orte und Städte lebenswerter machen kann. Wir sprechen über Ortsidentität und das richtige Ambiente, das zum Verweilen einlädt.

Ist es möglich, durch Wohn- und Architekturpsychologie eine Stadt zu einer ökonomisch relevanten zu machen?

Harald Deinsberger-Deinsweger: Wohn- und Architekturpsychologie kann Empfehlungen geben, damit Städte, bestimmte Stadtquartiere oder einzelne Flächen, Bereiche, Plätze attraktiver werden.

Das heißt: eher aufgesucht werden. Das hängt aber nicht nur von der schönen Gestaltung ab, da braucht es noch mehr.

Es braucht die Erkennbarkeit von bestimmten Bedürfnissen. Es braucht das richtige Ambiente, dass Leute auch dazu angehalten werden, dort länger zu verweilen und nicht schnell wieder weitergehen.

Ein zentraler Aspekt ist die sogenannte emotionale Ortsbindung. Ich habe das früher schon kurz erwähnt. Diese emotionale Ortsbindung, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, entsteht nicht bloß aufgrund einer sorgfältigen, schönen Gestaltung. Sie entsteht dadurch, dass Aneignungsmöglichkeiten erkennbar und auch genutzt werden.

Das heißt, dass Bewohner ihre Wohnumgebung auch direkt aneignen können, sich dort aufhalten können, sich mit anderen treffen können. Eventuell sogar mitgestalten können. Das wäre die stärkste Form der emotionalen Ortsbindung.

Mit emotionaler Ortsbindung bezeichnen wir in der Wissenschaft das, was man gemeinhin als Heimatgefühl bezeichnet.

Wenn es gelingt, das zu etablieren, hat das zahlreiche positive Konsequenzen.

Die Leute geben mehr Acht auf ihr Wohnumfeld, gehen sorgsamer damit um. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt ist. Es erhöht auch die Bereitschaft zur sozialen Kontrolle. Das heißt, sie geben mehr Acht darauf, was in der Umgebung passiert.

All das zusammen reduziert die Gefahr von sogenannten Incivilities, wie wir es nennen. Incivilities sind alle möglichen unerwünschten Verhaltensweisen. Das beginnt bei Verschmutzungen, Verwahrlosungen, bis hin zu Vandalismus oder noch Schlimmerem.

Das heißt, wenn es mir gelingt, emotionale Ortsbindung zu etablieren- emotionale Ortsbindung ist die höchste Form der emotionalen Verbundenheit-, dann beginnen die Menschen, sich mit dem Ort zu identifizieren. Das heißt Ortsidentität.

Ortsidentität: Dann sagen wir nicht mehr, ich wohne hier, sondern das ist mein Viertel, das ist mein Quartier.

Wenn das gelungen ist, hat man schon ein sehr hohes Ziel erreicht. Ein Beispiel, an dem gut erkennbar ist, dass die Ortsidentität erreicht wurde, ist wie folgt:

Wenn jemand spazieren geht, der hier wohnt und auf dem Boden eine Blechdose liegen sieht, daran vorbeigeht oder sogar noch etwas dazu wirft, hat eine sehr geringe emotionale bzw. negative Ortsbindung. Regt er sich über die Blechdose auf, ist schon eine gewisse emotionale Ortsbindung vorhanden.

Wenn er die Blechdose aufhebt und in den nächsten Mülleimer wirft, dann ist die Ortsbindung wirklich gelungen. Dann braucht man sich eigentlich keine Sorgen mehr zu machen.

 

Wer sollte sich mit Wohn- und Architekturpsychologie beschäftigen?

Bettina Purkarthofer: Es ist egal, ob es der Planer, der Errichter, der Investor, oder der Betreiber von Gesundheitseinrichtungen oder Bildungsbauten ist, oder die Bewohner selbst sind.

Die Ortsbindung und Ortsidentität entsteht dann, wenn sich die Menschen wohlfühlen. Dann passen sie auch aufeinander und auf ihre Umgebung auf.

Dann ist ein allgemeines Wohlbefinden das Resultat. Das hat zur Folge, dass Leerstände tendenziell reduziert werden kann, bzw. die Mieterfluktuation reduziert wird. Im Endeffekt bleiben auch die Erhaltungskosten günstiger.

Oft nimmt man an, die Berücksichtigung von wohn- und architekturpsychologischem Know-how in der Planung würde den Wohnbau verteuern.

Da kann man nur darauf antworten, sie verteuert nicht, sondern ganz im Gegenteil. Sie führt zu Kosteneinsparungen.

Fazit

Städte leben davon, dass sich Menschen wohlfühlen! Soziale Beziehung, Schutz, Sicherheit, Erholung, Gesundheit, und vieles mehr prägen das Verhalten.

Städte  müssen darauf achten, dass die Menschen dort gerne wohnen und leben. Dann entsteht Ortsidentität und Ortsbindung.

alle Fotos (c) www.iwap.institute/

Karin Klotzinger

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