Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden: Die besten Strategien

20.06.2017
Wirtschaft

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(c) pixabay.com

Handelsunternehmen müssen in Zeiten des eCommerce neue Wege gehen, um am Markt nachhaltig erfolgreich zu bleiben. Mit einer radikalen Umstrukturierung können die Geschäfte auch in Ihrer Stadt/Gemeinde den Sprung in den Multi-Channel Retail schaffen und Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden.

 

Die größten Onlineshops in Österreich.

Der Onlinehandel ist per se keine Bedrohung, sondern bringt neue Chancen für den Absatz. Allerdings müssen Unternehmen die Stärken dieses Kanals nutzen und alle Maßnahmen ergreifen, bestehende Kunden zu halten und neue zu bekommen, damit der Umsatz nicht zu anderen Anbietern oder gar ins Ausland fließt.

Nichtheimische Handelsriesen wie Amazon oder Zalando schöpfen über das Internet jedes Jahr zwei Milliarden Euro aus der österreichischen Wirtschaft ab.

Platzhirsch bleibt ungebrochen der Versandhändler Amazon, der aus Österreich im Jahr 2015 gleich 551,6 Millionen eingefahren hat. Wenn Geld über das Internet im Ausland ausgegeben wird, bedeutet das langfristig weniger Jobs, ein niedrigeres BIP, weniger Steuern, weniger Geschäfte und Einkaufsmöglichkeiten in den Stadtzentren, weniger Leben im Ort.

Insgesamt ist der Online-Handel im Jahr 2015 gleich um um zehn Prozent gewachsen, wie eine ausführliche, aktuelle EHI-Studie belegt. Der Gesamtumsatz der Top-250-Onlineshops in Österreich liegt bei 2,3 Milliarden Euro. Hier bleibt das Geld zwar bei uns, allerdings machen derartige Branchenriesen, die meist ein breites Sortiment zu günstigen Preisen anbieten, es den kleinen und auch mittelgroßen Geschäften zunehmend schwer, zu überleben.

Doch der Entwicklung kann jedes Handelsunternehmen Einhalt gebieten und sogar Chancen daraus ziehen, wenn es seine althergebrachten Strukturen radikal umkrempelt und ein integriertes Konzept entwickelt, um Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden zu können. Beide Kanäle haben jeweils ihre eigenen Stärken und haben zusammen großes Potenzial. Immerhin: Laut EHI-Studie sind 43 Prozent der Online-Shops aus dem stationären Handel entstanden.

Diese Strategien wenden Unternehmen an, denen Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden bereits gelungen ist:

 

1. Click & Collect

Die britische Supermarktkette Waitrose hat für Click & Collect eigene Abholstationen in U-Bahnnähe eingerichtet.© Waitrose

Das Click & Collect-System hat sich international als Erfolgsmodell etabliert. KundInnen kaufen zeit- und ortsungebunden auf ihrem PC oder mobilen Gerät ein, und holen die Ware selbst vor Ort ab.

Das hat den Vorteil, dass das Unternehmen die Ausfallsquote durch Rücksendungen oder Beschädigungen sowie die Kosten für Logistik und Verpackung gering halten oder sogar komplett eliminieren kann. Außerdem ist dadurch jeder Umsatz einer bestimmten Filiale zuordenbar.

Dieses Modell ist erfolgversprechend, da es über die Online-Channels zusätzliche Absatzkanäle eröffnet und Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit shoppen lässt.

Derzeit bieten laut EHI-Studie allerdings nur 30 Prozent der Unternehmen ihren KundInnen die Option an, Ware im Geschäft selbst abzuholen. Hier besteht also noch Aufholbedarf.

Ein Bestellterminal bei MediaMarkt macht „Onlineshopping“ vor Ort in der Filiale möglich. Spart Zeit und ist bequem. © MediaMarkt

Das ist zu beachten: Click & Collect stellt neue Anforderungen an das Warenwirtschaftssystem. Gut durchdachte Abläufe sind das Um und Auf, damit die KundInnen in kurzer Zeit auch bekommen, was sie bestellt haben und es nicht zu Verwirrungen und zu langen Wartezeiten kommt. Der Komfort für den Kunden muss so groß wie möglich sein. Möglich sind Drive In-Schalter oder Fastlanes für eine schnelle Abwicklung der Bestellungen.

2. Umtausch in den Filialen

Der In-Store-Return ist kostengünstig, da keine Versandkosten anfallen. Er geht sehr schnell und der Kunde erhält umgehend sein Geld zurück – oder eben eine neue entsprechende Ware. Außerdem führt es schnell zur Unzufriedenheit, wenn der Kunde nur mehr im Selbstbedienungsmodus kauft und keine Art von persönlicher Beratung mehr hat. Die Professionalität eines Verkäufers wird genau in den Situationen spürbar, in denen ein Kunde nicht zufrieden ist.

Das ist zu beachten: Beim In-Store-Return ist es ganz besonders wichtig, dass das Personal gut geschult und freundlich ist. Hier entscheidet sich, ob die Kundenbindung bestehen bleibt oder für immer verloren geht! Wird hier das Fingerspitzengefühl des Personals verfehlt, kann es passieren, dass der Kunde langfristig seine Loyalität abgibt und entweder nur mehr online kauft oder sich der Konkurrenz zuwendet.

 

3. Exklusives Beratungsservice vor Ort

Der Outdoorprofi Globetrotter führt 12 Filialen in Deutschland. © Gobetrotter (2)

Die Beratung und der Kundenservice ist die Stärke des persönlichen Verkaufs in der Filiale. Auch hier haben sich Vorreiter bereits Konzepte einfallen lassen, wie sie diesen Asset noch mehr hervorheben können. Der Fahrradprofi Rose Bike etwa bietet einen Fahrradgenerator im Shop an, der das Verkaufspersonal bei der Beratungstätigkeit unterstützt.

Der Baumarkt Obi punktet seit diesem Jahr mit einem Gartenplaner, bei dem sich KundInnen für alle möglichen Projektideen rund um den Garten vom einem Fachberater ein individuelles Konzept erstellen lassen können. Der Outdoorartikelhersteller Globetrotter veranstaltet in seinen Filialen regelmäßig Vorträge und Seminare zu Sport- und Reisethemen.

Für diese Events können sich KundInnen ebenso online anmelden wie zu einem persönlichen Beratungstermin mit einem Globetrotter-Verkaufsexperten.

Auch das Einkaufen vor Ort wird zum Erlebnis. Mit der Integration des neuen Globetrotter TV und Beiträgen aus dem Globetrotter Magazin wird der Einkauf mit spannenden Inhalten auch in Form von Bewegtbildern angereichert. Das Stöbern nach neuen Produkten wird so zur echten Entdeckungsreise. Und das für jeden individuell maßgeschneidert.

Anhand von Kundeninteressen und der Bestimmung des Standorts werden z.B. Angebote und Produktlistings personalisiert ausgespielt. Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden und zwar auf intelligente Weise, ist ein wesentlicher Faktor im Gesamtkonzept von Globetrotter.

Das ist zu beachten: Studien haben gezeigt, dass Menschen schon bei Anfahrtszeiten ab 15 Minuten sich lieber für den Onlinekauf entscheiden. Sie bauchen also einen Anreiz, den Weg in das Geschäft anzutreten. Wenn ShopbetreiberInnen ihren KundInnen in den Filialen nützlichen Mehrwert anbieten, stehen die Chancen gut, dass die KundInnen regelmäßig die Filiale persönlich betreten.

Nicht zu vernachlässigende Tatsache: In Zeiten steigender Singlequoten sind viele Menschen weitgehend alleine, womit das Einkaufen für viele oft zur einzigen Kontaktmöglichkeit wird. Informationsveranstaltungen aber auch Latenightshoppings mit Erlebnisfaktor sind ein willkommenes Angebot.

 

5. Gutscheinsystem

Deichmann präsentiert seine Standorte auf der Facebookseite.

Nützlich ist es auch, KundInnen mittels speziellen Gutscheinen oder Sammelpässen in die Filiale zu locken. Ganz simpel funktioniert das zum Beispiel mit einem Gutschein für ein Glas Sekt oder Rabatten beim Vor-Ort-Einkauf.

Das ist zu beachten: MitarbeiterInnen müssen immer auf dem Laufenden sein, welche Onlineangebote aktuell in der Filiale eingelöst werden können. Nichts ist unangenehmer als ein Kunde, der einen Gutschein einlösen will und ein Mitarbeiter, der davon nichts weiß.

 

6. Social Media als Schnittstelle

Der traditionelle Handel hat so, wie er einmal war, definitiv ausgedient. © Pixabay

Die sozialen Netzwerke sind für Gutscheine, Events und Spezialaktionen übrigens die perfekte Plattform, um diese online zu bewerben. Eine Facebookseite des Geschäfts kann zur Schnittstelle zwischen der „Online-Einkaufswelt“ und dem realen Shoppingerlebnis werden. Wie können Online-KundInnen besser erreicht und über aktuelle Neuigkeiten informiert werden als über dieses unkomplizierte Medium?

Darüber hinaus kann ein lokales Geschäft sowie ein Onlineshop über Facebookanzeigen direkt und mit spezifischer Zielgruppenauswahl nach Kriterien wie Region/Ort, Interessen, Alter uvm. beworben werden. Auch Instagram ist – insbesondere im Bereich Food und Fashion – als günstiges Werbemedium im Aufwind.

Das ist zu beachten: Als Stadt/Gemeinde können Sie Workshops auch für kleine Handels- und Gastronomiebetriebe anbieten, in denen sie die Basics im Schnellverfahren lernen, wie sie das Internet und die Sozialen Medien als Absatzkanal und Marketingtool selbst kostengünstig nützen können.

 

6. Heimische Plattformen nutzen

shoepping.at ist eine Suchmaschine für Österreichische Webshops.

Damit das Geld aus eCommerce im Inland bleibt, wurden für österreichische Handelsunternehmen bereits Spezialplattformen ins Leben gerufen. Eine davon ist zum Beispiel shoepping.at, die praktisch als Suchmaschine für unterschiedliche Produkte aus heimischen Webshops fungiert. Kleine, regionale ProduzentInnen sind auf dem Portal myproduct.at gut vertreten.

Das ist zu beachten: Sie als Stadt/Gemeinde können sowohl Unternehmen dazu motivieren, sich bei diesen Plattformen einzutragen als auch die Werbetrommel dafür unter Ihren BürgerInnen rühren. Denn die Stärkung des Österreichischen Handels fängt bei jedem einzelnen Konsumenten an.

 

7. Showrooming & Webrooming aktiv nutzen

S’Fachl bietet Präsenz im Shop und Onlineshopping auf intelligente und günstige Weise.

„Showrooming“ definiert das Verhalten von potenziellen KäuferInnen, sich im stationären Handel über Produkte beraten zu lassen und diese „live“ zu testen, um diese dann online zu kaufen – oft bei Anbietern, die günstiger sind. Um diesem unerwünschten Effekt vorzubeugen, braucht es auch hier wieder aufmerksame und exzellent geschulte Mitarbeiter.

Deren Aufgabe ist es, die KundInnen sogar in der Filiale aktiv dabei zu unterstützen, das Produkt gegebenenfalls auch online zu bestellen – sofern deren Intention dazu merkbar ist. Und zwar im Webshop des Unternehmens selbst. Das kann ein Vorteil sein: Denn beim Surfen auf der Webseite kommt es vor, dass die Kunden weitere Produkte sehen und diese gleich „mitnehmen“.

Um Anreize für das Verkaufspersonal zu schaffen, Onlineshopping zu fördern, braucht es oft eine Anpassung der Entlohnungssysteme. Es müssen Systeme entwickelt werden, in denen die MitarbeiterInnen ihre Erfolgsprämien auch bekommen, wenn der Kunde am Ende online kauft – zum Beispiel mit Gutscheinen und Kenncodes, die sie im Geschäft vom Mitarbeiter selbst erhalten.

Showrooming kann auch auf andere Weise aktiv genutzt werden. Zum Beispiel für kleinere Geschäfte, die sich kein eigenes Shoplokal leisten können. So bietet das Portal „S’Fachl“ derzeit neben dem Webshop in sechs österreichischen Städten stationäre Shops an, in dem sich unterschiedliche kleine HändlerInnen mit ihren Produkten in Regalfächern präsentieren. Ab zehn Euro pro Woche kann so ein „Fachl“ gemietet werden.

Webrooming

Es gibt auch den umgekehrten Effekt des Showrooming – nämlich das „Webrooming“. Dabei checken KundInnen das Angebot zuerst im Internet, um es dann im stationären Handel zu kaufen. Vorteil: Es spart Zeit und Wartezeiten für die Lieferung fallen weg. Zusätzlich kann der Kunde vor Ort Fragen an den Verkaufsberater stellen. Eine gute Nachricht: Laut einer aktuellen Studie von Criteo ist der Trend in Richtung Webrooming sogar größer als der zum Showrooming.

Hilfreich ist dabei, Location Based Services und Bewertungsportale zu nutzen, damit der Kunde die am nächsten gelegene Filiale über Computer oder Smartphone sofort finden und sich über (hoffentlich vorrangig gute) Bewertungen online informieren kann.

Das ist zu beachten: Durch gezieltes Leerflächenmanagement können Sie in Ihrer Stadt/Gemeinde Schauräume errichten, bei denen insbesondere kleine ProduzentInnen oder Start-Ups ihre Ware präsentieren können.

 

8. USP noch klarer definieren

Eine wichtige Voraussetzung um Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden zu können ist eine klare Definition des USP. Die Frage nach dem Absatzkanal wird ein Geschäft nicht schädigen, ein schlechtes Produkt oder ein unbrauchbares Konzept hingegen schon. Shops müssen sich heute umso mehr fragen: Was macht mich einzigartig? Warum sollen die KundInnen ausgerechnet zu mir kommen und nicht zu den anderen?

Das ist zu beachten: Sie als Stadt/Gemeinde können durch einen perfekt durchdachten Branchenmix dazu beitragen, dass Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden auf fruchtbaren Boden fällt.

 

Fazit zum Thema „Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden“:

Die Entwicklung des eCommerce ist unaufhaltsam. Geschäfte müssen jetzt umdenken. Wer neue Konzepte radikal umsetzt, mit denen sich Onlinehandel mit stationärem Handel verbinden lässt, kann schon bald als Gewinner hervorgehen. Kundenservice, Erlebnisshopping, Schnelligkeit, professionelle Abläufe, eine gute Warenverfügbarkeit sowie exzellente Produkte und Geschäftskonzepte sind dabei wesentliche Elemente für den nachhaltigen Erfolg über alle Channels.

 

Mehr interessante Zahlen und Fakten zum Onlinehandel in Österreich finden Sie beim EHI Retail Institute.

Fotocredit Titelbild: Fotolia

 

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