Onlinehandel mit Lebensmitteln: Warum lokale Einzelhändler auf neue Trends achten sollten
14.12.2021
Trends
14.12.2021
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Seit Beginn der Coronapandemie boomt in Österreich der Onlinehandel mit Lebensmitteln. Neue Geschäftskonzepte sind entstanden und konkurrieren mit dem traditionellen Einzelhandel. Wir werfen einen Blick auf die aktuelle Angebotslandschaft in Österreich, beleuchten die möglichen Auswirkungen neuer digitaler Vertriebsformen wie Blitzsupermärkte und zeigen Möglichkeiten nachhaltiger Strategien auf.
Die Coronakrise hat die Verbraucherlandschaft verändert und vor allem das Geschäft in den Städten angekurbelt. Der über zwei Jahrzehnte stagnierende Onlinehandel mit Lebensmitteln wurde zur am schnellsten wachsenden Produktkategorie im gesamten e-Commerce:
Mit einem Online-Anteil von 2,5 Prozent (168 Mio. Euro) im Lebensmittelhandel gehört Österreich zu den europäischen Schlusslichtern. Das liegt laut einer aktuellen KPMG-Studie zum einen daran, dass sich österreichische Kunden von der Lebensmittelqualität lieber vor Ort überzeugen.
Zum anderen wirken sich hohe Lieferkosten negativ auf den Onlinekauf von Lebensmitteln aus. Der vergleichsweise niedrige Anteil liegt wohl auch daran, dass Österreich eine relativ hohe Dichte an Supermärkten in Städten hat.
Der Onlinehandel für Lebensmittel gestaltet sich sehr vielfältig: Nicht nur große Supermarktketten, auch Bauernhöfe, lokale Lebensmittelgeschäfte und kleine Start-ups entdecken den Markt für sich. Dabei lassen sich grundsätzlich drei Varianten unterscheiden:
Das „Dark Store“-Konzept ist nicht neu. Tatsächlich gibt es sie seit mehr als zehn Jahren. Die ursprünglichen Dark Stores wurden in Großbritannien eingeführt. Tesco eröffnete 2009 seine ersten Dark Stores, um Online-Shoppern den Komfort der Click & Collect-Lieferung zu bieten. Auf ähnliche Weise funktionieren auch Blitz-Supermärkte, die in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.
Eine zentrale Herausforderung im Lebensmittelbereich besteht darin, für eine schnelle Lieferung verderblicher Produkte zu sorgen. Als Antwort auf dieses „Last-Mile“-Problem sind im Lebensmittel-Ökosystem eine Reihe neuer Geschäftsmodelle entstanden, die im vergangenen Jahr stark an Fahrt aufgenommen haben.
Dazu gehören vor allem die zahlreichen Initiativen zwischen Lebensmitteleinzelhändlern und einer Reihe von digitalen Plattformen im Lebensmittelbereich:
Wenn Kunden online Lebensmittel bestellen, erwarten sie – wie bei anderen Produkten – ein nahtloses Einkaufserlebnis. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum Geschäftsmodelle digitaler Plattformen während der COVID-19-Pandemie deutlich an Schwung gewonnen haben.
Laut einer KPMG-Umfrage vom April 2021 gab ein Drittel der österreichischen Generation Z (18–24 Jahre) und der Millennials (25–39 Jahre) an, mehr als 60 Prozent ihrer Einkäufe online zu tätigen. Knapp ein Drittel der Generation Z (30 Prozent) hat zudem neue Lieferkonzepte aus dem Lebensmittel-Bereich genutzt.
Beide Generationen nutzen außerdem immer seltener Websites für ihre Onlinekäufe, bereits die Hälfte verwendet lieber Apps.
Das Produkt kommt zu den Kunden – und nicht die Kunden zum Produkt. Dieser Umstand ist für jüngere Konsumenten – insbesondere die Generation Z – bereits Realität.
KPMG Partner Peter Humer
Der Einzelhandel muss daher aufpassen, die junge Generation nicht an die Jokrs und Gorillas zu verlieren. Junge Erwachsene sind auch die Treiber hinter den sich stark ändernden Ernährungsgewohnheiten und -bedürfnissen. Die jungen Shopper wollen wissen, ob Produkte bio, lokal oder regional sind. Auch der CO2 -Footprint und andere Nachhaltigkeitskriterien wie Fair Trade haben Einfluss auf ihre Kaufentscheidung.
Blitzlieferdienste für Lebensmittel wachsen in Europa aktuell sehr schnell. Auch die Ausweitung des Geschäftsmodells im Sinne spezialisierter Blitzlieferdienste für Medikamente, alkoholische Getränke, Zigaretten, Elektronikzubehör, etc. sind bereits angedacht. Jokr hat in Österreich den Beginn gemacht, der deutsche Blitz-Lebensmittellieferdienst Gorillas plant bereits seine Expansion nach Österreich.
Die Blitzlieferdienste nehmen bestehenden Online-Supermärkten und traditionellen Supermärkten die Kunden weg. Dennoch sehen Experten die neuen Anbieter eher als eine Ergänzung und nicht als ernste Gefahr – zumindest für die großen Supermarktketten. Auch geht man davon aus, dass nach Abklingen der Pandemie Kunden teilweise wieder zu ihren bevorzugten analogen Einkaufsmöglichkeiten zurückkehren.
Wie sieht es aber für kleine Nahversorger in städtischen Regionen oder lokale Onlineshops aus, wenn milliardenschwere Startups wie Gorillas in österreichische Landes- und Bezirksstädte expandieren? Diese Plattformen agieren ähnlich wie Uber oder Airbnb auf internationaler Basis. Sie haben Investoren im Rücken und können daher deutlich schneller expandieren.
Dadurch steigt der Druck auf kleinere Lebensmittelversorger und regionale Produzenten. Auch bleibt die Wertschöpfung nicht im Land, Gewinne gehen an ausländische E-Commerce-Giganten verloren. Die Venture Capital-subventionierten Kampfpreise und die Bequemlichkeit vieler Menschen könnte somit nachhaltige Versorgungsstrukturen und lokale Läden gefährden.
Wie bei allen neuen Geschäftsmodellen zeigen sich bereits viele Schattenseiten der Hyperlokalität. In Berlin sorgen die Dark Stores der Gorillas bei Anrainern inzwischen für heftigen Ärger und Proteste. Ein Bewohner hat sogar eine Fahne aus dem Fenster gehängt, um seinem Unmut deutlich Ausdruck zu verleihen.
Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur: Die Dark Stores verursachen durch die permanente Anlieferung von Lebensmitteln für eine Menge Staus in den Straßen und LKW-Lärm von früh bis spät. Zudem sind die Gehsteige häufig mit Paletten und den Fahrrädern der wartenden Boten verstopft. Auch werden Teammeetings des Öfteren auf dem Gehsteig abgehalten, weil entsprechende Räumlichkeiten fehlen.
Darauf sollten österreichische Städte vorbereitet sein, wenn Blitzlieferdienste dieser Art auch hierzulande im Onlinehandel mit Lebensmitteln Verbreitung finden. Die deutschen Behörden jedenfalls prüfen nun, ob hier eine Überschreitung des Gemeingebrauchs bzw. Sondernutzung ohne Genehmigung darstellt.
Aber auch die prekären Arbeitsbedingungen der Fahrradboten stehen mittlerweile in der Kritik. Ebenso ist unter Branchenexperten umstritten, inwieweit das Geschäftsmodell aufgrund der geringen Margen und des großen administrativen Overheads wirklich nachhaltig ist. Die Auslieferung per Fahrrad alleine macht es letztlich nicht aus.
Das Winner-takes-it-all-Geschäftsmodell von Gorillas ist alles andere als nachhaltig. Wenn erst ein lokales Monopol aufgebaut ist oder das Vertrauen der Investoren sinkt, werden die Preise anziehen – dann sind aber andere nachhaltigere Versorgungsstrukturen vielleicht schon weggebrochen.
Dominik Piétron, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität in Berlin und am Einstein Center Digital Future.
Derzeit wird in Österreich der Onlinemarkt für Lebensmittel von Konzernen wie Billa, Interspar und Unimarkt dominiert. Um hier den Anschluss nicht zu verlieren, sollten kleinere Einzelhändler ihren E-Commerce-Aktivitäten einen höheren Stellenwert auf ihrer strategischen Agenda einräumen, z.B.:
Wenn kleinere Lebensmittelhändler und lokale Produzenten ihr Online-Angebot nicht professionalisieren, werden sie unweigerlich Marktanteile und Gewinne an große Anbieter und digitale Plattformen abgeben.
Auflistungen von regionalen Onlineshops alleine sind vielen Kunden zu mühsam. Erfolgversprechender sind professionell gestaltete regionale Online-Plattformen, die dem Kunden ein besseres Einkaufserlebnis ermöglichen. Ein Beispiel dafür ist die 2021 gestartete Plattform NINJAS.jetzt in Salzburg.
Die im Frühjahr 2021 gestartete Plattform NINJAS.jetzt ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie rasche Lieferung mit der Förderung regionaler Betriebe und österreichischer Produkte verknüpft werden kann. Der Salzburger Lieferservice ist der erste Anbieter in Österreich, der warmes Essen, den Supermarkteinkauf und Non-Food-Artikel auf einer Plattform anbietet.
Die beiden Gründer Christopher Meingast-Graf und Thomas Hager-Roiser verfolgten von Beginn an das Ziel, die lokalen („stationären“) Sortimente des Einzelhandels in Salzburg und Umgebung zu digitalisieren.
Ziel ist es, innerhalb von 20 bis 30 Minuten bzw. zu einer gewünschten Uhrzeit zu liefern. Damit haben die Salzburger nun die Möglichkeit, lokale Unternehmen zu unterstützen und gleichzeitig die Bequemlichkeit einer raschen Lieferung als Kunde zu genießen.
Neben Premium-Gerichten von Salzburger Top-Gastronomen, Frühstück aus dem Hotel Sacher und hunderten regionalen Lebensmittelprodukten, gibt es auch frisch aufgebackenes Gebäck und zahlreiche Getränke. Inzwischen wurde das Sortiment auch um Blumen, Textilprodukte und Fahrradzubehör erweitert. Bald sollen auch Technikartikel von Salzburger Geschäften lieferbar sein.
Die Coronakrise hat neben neuen Geschäftskonzepten im Bereich der Nahversorgung und mobiler Lebensmittelshops auch den Onlinehandel mit Lebensmitteln verändert. Der Lebensmitteleinzelhandel sollte sich mit neuen Trends intensiv beschäftigen und sich Strategien überlegen, wie sie sich für den digitalen Wandel rüsten, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Bereitschaft österreichischer Kunden ist sehr hoch, regionalen Lebensmitteln und Unternehmen beim Onlinekauf den Vorzug zu geben. Dieses Angebot muss jedoch auch zeitgemäß aufbereitet sein, um für Kunden attraktiv zu sein.
Titelfoto: markta.at
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