Onlinehandel mit Lebensmitteln: Warum lokale Einzelhändler auf neue Trends achten sollten

14.12.2021
Trends

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Seit Beginn der Coronapandemie boomt in Österreich der Onlinehandel mit Lebensmitteln. Neue Geschäftskonzepte sind entstanden und konkurrieren mit dem traditionellen Einzelhandel. Wir werfen einen Blick auf die aktuelle Angebotslandschaft in Österreich, beleuchten die möglichen Auswirkungen neuer digitaler Vertriebsformen wie Blitzsupermärkte und zeigen Möglichkeiten nachhaltiger Strategien auf.

Corona befeuert den Onlinehandel mit Lebensmitteln

Die Coronakrise hat die Verbraucherlandschaft verändert und vor allem das Geschäft in den Städten angekurbelt. Der über zwei Jahrzehnte stagnierende Onlinehandel mit Lebensmitteln wurde zur am schnellsten wachsenden Produktkategorie im gesamten e-Commerce:

  • Die Umsätze in Österreich lagen laut Statista im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Krise um etwa 37,9 Prozent über denen des Vorjahres. Für das Jahr 2021 wird ein Umsatzwachstum von rund 12 Prozent erwartet. Bis 2025 soll sich das jährliche Wachstum auf etwa 5 Prozent einpendeln.
  • Die Anzahl der Personen, die Lebensmittel im Internet bestellen, ist innerhalb von einem Jahr um 26 Prozent gestiegen. 2020 kauften rund 730.000 Österreicher ihre Lebensmittel online. Das sind 150.000 Menschen mehr als das Jahr zuvor.

Umsatzzuwachs im Onlinehandel mit Lebensmitteln in Österreich

Onlinehandel macht nur 2,5 % des gesamten Lebensmittelhandels aus

Mit einem Online-Anteil von 2,5 Prozent (168 Mio. Euro) im Lebensmittelhandel gehört Österreich zu den europäischen Schlusslichtern. Das liegt laut einer aktuellen KPMG-Studie zum einen daran, dass sich österreichische Kunden von der Lebensmittelqualität lieber vor Ort überzeugen.

Zum anderen wirken sich hohe Lieferkosten negativ auf den Onlinekauf von Lebensmitteln aus. Der vergleichsweise niedrige Anteil liegt wohl auch daran, dass Österreich eine relativ hohe Dichte an Supermärkten in Städten hat.

Österreicher möchten sich lieber vor Ort von Lebensmitteln überzeugen.

Lebensmittel online bestellen: Ein vielschichtiger Markt

Der Onlinehandel für Lebensmittel gestaltet sich sehr vielfältig: Nicht nur große Supermarktketten, auch Bauernhöfe, lokale Lebensmittelgeschäfte und kleine Start-ups entdecken den Markt für sich. Dabei lassen sich grundsätzlich drei Varianten unterscheiden:

  • Online-Auftritte stationärer Geschäfte: Kleinere, stationäre Lebensmittelgeschäfte, die Lieferung ab Geschäft oder Abholung im Laden anbieten, sind in der Regel für das Käufererlebnis im Shop ausgerichtet, nicht jedoch für eine effiziente Online-Abwicklung. Die gesamtbetriebliche Effizienz ist dadurch häufig beeinträchtigt. Für Supermarktketten mit entsprechenden finanziellen Ressourcen gestaltet sich der Markteinstieg in den Onlinehandel mit Lebensmitteln weitaus einfacher.
  • Reiner Online-Supermarkt: Der Vertrieb der Lebensmittel läuft hier über Logistikzentren, in denen Picker oder automatisierte Prozesse für die Zusammenstellung der Produkte sorgen. Die Auslieferung erfolgt über einen eigenen Lieferdienst oder Partnerunternehmen. Bekannte Beispiele sind Gurkerl.at, Adamah oder die Online-Bauernmärkte markta und myproduct.at. In Wien sind unter anderem noch die Zusteller Alfies, Jokr, Hausfreund und Mjam aktiv.
  • Mischform aus den beiden Varianten: Zunehmend trennen Lebensmittelgeschäfte einen Teil der Geschäftsräumlichkeiten ab und nutzen sie als Logistikzentrum für den Online-Handel. In diesen Micro-Fulfillment-Centern, auch „Dark Stores“ genannt, finden sich vor allem Produkte mit einem hohen Umschlag, die in einem begrenzten Gebiet ausgeliefert werden.

Das „Dark Store“-Konzept ist nicht neu. Tatsächlich gibt es sie seit mehr als zehn Jahren. Die ursprünglichen Dark Stores wurden in Großbritannien eingeführt. Tesco eröffnete 2009 seine ersten Dark Stores, um Online-Shoppern den Komfort der Click & Collect-Lieferung zu bieten. Auf ähnliche Weise funktionieren auch Blitz-Supermärkte, die in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.

Neue digitale Plattformen für den Onlinehandel mit Lebernsmitteln bringen Erzeuger und Kunden zusammen.
Beim digitalen Bauernmarkt markta geht es dem engagierten Team vor allem darum, einen neuen Zugang zu regionalen (Bio-) Produkten zu schaffen. Abseits der klassischen Supermarktstrukturen, Monokulturen und Eigenmarken, sollen Produzenten und Kunden wieder direkt vernetzt werden. © markta // JENN AND THE CAMERA // Jennifer Wortham

Neue Geschäftsmodelle machen dem traditionellen Einzelhandel Konkurrenz

Eine zentrale Herausforderung im Lebensmittelbereich besteht darin, für eine schnelle Lieferung verderblicher Produkte zu sorgen. Als Antwort auf dieses „Last-Mile“-Problem sind im Lebensmittel-Ökosystem eine Reihe neuer Geschäftsmodelle entstanden, die im vergangenen Jahr stark an Fahrt aufgenommen haben.

Dazu gehören vor allem die zahlreichen Initiativen zwischen Lebensmitteleinzelhändlern und einer Reihe von digitalen Plattformen im Lebensmittelbereich:

  • Quick-Commerce-Unternehmen: Blitzlieferdienste wie Jokr sind hyperlokale Lebensmittelgeschäfte ohne Kundenverkehr, die verteilt auf die Stadt kleine Dark Stores betreiben. Sie liefern lediglich eine begrenzte Auswahl an Produkten in einem bestimmten Bereich, versprechen aber eine superschnelle Zustellung von 10 bis 15 Minuten.
  • Expansion von etablierten Plattformen: Etablierte Anbieter von Fertiggerichten wie Mjam haben ihre Angebotspalette über Fertiggerichte hinaus auf Lebensmittel ausgeweitet.
  • Persönliche Einkaufsspezialisten: Viele Kunden scheuen den Onlinekauf, weil sie die Qualität der Lebensmittel nicht überprüfen können. In diese Marktlücke stossen nun Plattformen wie Everli, die genau dieses Bedürfnis erfüllen. Freiberufliche Mitarbeiter kaufen für den Kunden ein und liefern die Lebensmittel nach Hause. Der Vorteil für den Kunden: Der Shopper prüft die Lebensmittel auf Qualität und wählt in Rücksprache mit dem Käufer ein Ersatzprodukt, wenn die Ware nicht verfügbar ist.

Wenn Kunden online Lebensmittel bestellen, erwarten sie – wie bei anderen Produkten – ein nahtloses Einkaufserlebnis. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum Geschäftsmodelle digitaler Plattformen während der COVID-19-Pandemie deutlich an Schwung gewonnen haben.

Junge Generation treibt Änderungen der Kaufgewohnheiten

Laut einer KPMG-Umfrage vom April 2021 gab ein Drittel der österreichischen Generation Z (18–24 Jahre) und der Millennials (25–39 Jahre) an, mehr als 60 Prozent ihrer Einkäufe online zu tätigen. Knapp ein Drittel der Generation Z (30 Prozent) hat zudem neue Lieferkonzepte aus dem Lebensmittel-Bereich genutzt.

Beide Generationen nutzen außerdem immer seltener Websites für ihre Onlinekäufe, bereits die Hälfte verwendet lieber Apps.

Das Produkt kommt zu den Kunden – und nicht die Kunden zum Produkt. Dieser Umstand ist für jüngere Konsumenten – insbesondere die Generation Z – bereits Realität.

KPMG Partner Peter Humer

Der Einzelhandel muss daher aufpassen, die junge Generation nicht an die Jokrs und Gorillas zu verlieren. Junge Erwachsene sind auch die Treiber hinter den sich stark ändernden Ernährungsgewohnheiten und -bedürfnissen. Die jungen Shopper wollen wissen, ob Produkte bio, lokal oder regional sind. Auch der CO2 -Footprint und andere Nachhaltigkeitskriterien wie Fair Trade haben Einfluss auf ihre Kaufentscheidung.

Onlinekauf Lebensmittel in Bezug auf Generationen 

Blitzlieferdienste: Nachhaltiger Boom oder kurzfristiger Trend?

Blitzlieferdienste für Lebensmittel wachsen in Europa aktuell sehr schnell. Auch die Ausweitung des Geschäftsmodells im Sinne spezialisierter Blitzlieferdienste für Medikamente, alkoholische Getränke, Zigaretten, Elektronikzubehör, etc. sind bereits angedacht. Jokr hat in Österreich den Beginn gemacht, der deutsche Blitz-Lebensmittellieferdienst Gorillas plant bereits seine Expansion nach Österreich.

Blitzlieferdienste ziehen Kunden ab

Die Blitzlieferdienste nehmen bestehenden Online-Supermärkten und traditionellen Supermärkten die Kunden weg. Dennoch sehen Experten die neuen Anbieter eher als eine Ergänzung und nicht als ernste Gefahr – zumindest für die großen Supermarktketten. Auch geht man davon aus, dass nach Abklingen der Pandemie Kunden teilweise wieder zu ihren bevorzugten analogen Einkaufsmöglichkeiten zurückkehren.

Aggressive Marktstrategie VC-finanzierter Lieferdienste

Wie sieht es aber für kleine Nahversorger in städtischen Regionen oder lokale Onlineshops aus, wenn milliardenschwere Startups wie Gorillas in österreichische Landes- und Bezirksstädte expandieren? Diese Plattformen agieren ähnlich wie Uber oder Airbnb auf internationaler Basis. Sie haben Investoren im Rücken und können daher deutlich schneller expandieren.

Dadurch steigt der Druck auf kleinere Lebensmittelversorger und regionale Produzenten. Auch bleibt die Wertschöpfung nicht im Land, Gewinne gehen an ausländische E-Commerce-Giganten verloren. Die Venture Capital-subventionierten Kampfpreise und die Bequemlichkeit vieler Menschen könnte somit nachhaltige Versorgungsstrukturen und lokale Läden gefährden.

Blitzlieferdienste verursachen viele Probleme mit Anrainern

Wie bei allen neuen Geschäftsmodellen zeigen sich bereits viele Schattenseiten der Hyperlokalität. In Berlin sorgen die Dark Stores der Gorillas bei Anrainern inzwischen für heftigen Ärger und Proteste. Ein Bewohner hat sogar eine Fahne aus dem Fenster gehängt, um seinem Unmut deutlich Ausdruck zu verleihen.

Lebensmittel online kaufen ist für viele Menschen bequem, für die Anrainer in der Nähe von Dark Stores bedeutet es Lärm und verstopfte Gehsteige.
„Fuck off Gorillas“: Anrainer zeigen ihre Haltung zum Unternehmen. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur: Die Dark Stores verursachen durch die permanente Anlieferung von Lebensmitteln für eine Menge Staus in den Straßen und LKW-Lärm von früh bis spät. Zudem sind die Gehsteige häufig mit Paletten und den Fahrrädern der wartenden Boten verstopft. Auch werden Teammeetings des Öfteren auf dem Gehsteig abgehalten, weil entsprechende Räumlichkeiten fehlen.

Darauf sollten österreichische Städte vorbereitet sein, wenn Blitzlieferdienste dieser Art auch hierzulande im Onlinehandel mit Lebensmitteln Verbreitung finden. Die deutschen Behörden jedenfalls prüfen nun, ob hier eine Überschreitung des Gemeingebrauchs bzw. Sondernutzung ohne Genehmigung darstellt.

Aber auch die prekären Arbeitsbedingungen der Fahrradboten stehen mittlerweile in der Kritik. Ebenso ist unter Branchenexperten umstritten, inwieweit das Geschäftsmodell aufgrund der geringen Margen und des großen administrativen Overheads wirklich nachhaltig ist. Die Auslieferung per Fahrrad alleine macht es letztlich nicht aus.

Das Winner-takes-it-all-Geschäftsmodell von Gorillas ist alles andere als nachhaltig. Wenn erst ein lokales Monopol aufgebaut ist oder das Vertrauen der Investoren sinkt, werden die Preise anziehen – dann sind aber andere nachhaltigere Versorgungsstrukturen vielleicht schon weggebrochen.

Dominik Piétron, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität in Berlin und am Einstein Center Digital Future.

Neue Trends in Strategie für Onlinehandel mit Lebensmitteln integrieren

Derzeit wird in Österreich der Onlinemarkt für Lebensmittel von Konzernen wie Billa, Interspar und Unimarkt dominiert. Um hier den Anschluss nicht zu verlieren, sollten kleinere Einzelhändler ihren E-Commerce-Aktivitäten einen höheren Stellenwert auf ihrer strategischen Agenda einräumen, z.B.:

  • Anpassung an den Online-Boom: Sowohl stationäre Händler mit Onlineauftritt als auch reine Onlineshops sollten den Fokus auf den Ausbau von Omni-Channel-Lösungen und die Verstärkung des Online-Marketings legen.
  • Nutzung von Dark Stores: Dark Stores geben Einzelhändlern einen besseren Überblick über die Lagerbestände und ermöglichen es ihnen, den Online-Vertrieb von Lebensmitteln effizienter zu gestalten.
  • Investitionen in digitale Kapazitäten: Ziel sollte es sein, durch eine höhere Effizienz bei der Abwicklung des Onlinehandels mit Lebensmitteln wettbewerbsfähiger zu werden bzw. beim Gewinn mit dem stationären Geschäft gleichzuziehen. Um etablierte Einzelhändler beim Aufbau einer kosteneffizienten Logistik zu unterstützen, bieten E-Commerce-Logistikdienstleister inzwischen entsprechende Software bis hin zu Lagerausstattung an (z. B. Ocado).
  • Strategie für junge Erwachsene: Die junge Generation als Treiber der Veränderung im Lebensmittelhandel sollte in der Strategie berücksichtigt und Potenziale von bereits verfügbaren Retailtechnologien genutzt werden. Wer nicht auf die Bedürfnisse der jungen Generation eingeht, läuft Gefahr, die Kunden von Morgen an die neuen digitalen Marktplayer zu verlieren.
  • Lieferketten-Kooperationen: Partnerschaften mit etablierten Lebensmittel-Onlineshops oder neuen Playern können auch von lokalen Produzenten und kleinen Geschäften genutzt werden. So nehmen etwa Alfies, myProduct und Gurkerl.at viele regionale Produkte in ihr Sortiment auf.

Wenn kleinere Lebensmittelhändler und lokale Produzenten ihr Online-Angebot nicht professionalisieren, werden sie unweigerlich Marktanteile und Gewinne an große Anbieter und digitale Plattformen abgeben.

Auflistungen von regionalen Onlineshops alleine sind vielen Kunden zu mühsam. Erfolgversprechender sind professionell gestaltete regionale Online-Plattformen, die dem Kunden ein besseres Einkaufserlebnis ermöglichen. Ein Beispiel dafür ist die 2021 gestartete Plattform NINJAS.jetzt in Salzburg.

Best Practice: Nachhaltiger Blitzlieferdienst in Salzburg

Die im Frühjahr 2021 gestartete Plattform NINJAS.jetzt ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie rasche Lieferung mit der Förderung regionaler Betriebe und österreichischer Produkte verknüpft werden kann. Der Salzburger Lieferservice ist der erste Anbieter in Österreich, der warmes Essen, den Supermarkteinkauf und Non-Food-Artikel auf einer Plattform anbietet.

Die beiden Gründer Christopher Meingast-Graf und Thomas Hager-Roiser verfolgten von Beginn an das Ziel, die lokalen („stationären“) Sortimente des Einzelhandels in Salzburg und Umgebung zu digitalisieren.

Ziel ist es, innerhalb von 20 bis 30 Minuten bzw. zu einer gewünschten Uhrzeit zu liefern. Damit haben die Salzburger nun die Möglichkeit, lokale Unternehmen zu unterstützen und gleichzeitig die Bequemlichkeit einer raschen Lieferung als Kunde zu genießen.

Neben Premium-Gerichten von Salzburger Top-Gastronomen, Frühstück aus dem Hotel Sacher und hunderten regionalen Lebensmittelprodukten, gibt es auch frisch aufgebackenes Gebäck und zahlreiche Getränke. Inzwischen wurde das Sortiment auch um Blumen, Textilprodukte und Fahrradzubehör erweitert. Bald sollen auch Technikartikel von Salzburger Geschäften lieferbar sein.

Fazit: Onlinehandel mit Lebensmitteln

Die Coronakrise hat neben neuen Geschäftskonzepten im Bereich der Nahversorgung und mobiler Lebensmittelshops auch den Onlinehandel mit Lebensmitteln verändert. Der Lebensmitteleinzelhandel sollte sich mit neuen Trends intensiv beschäftigen und sich Strategien überlegen, wie sie sich für den digitalen Wandel rüsten, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Bereitschaft österreichischer Kunden ist sehr hoch, regionalen Lebensmitteln und Unternehmen beim Onlinekauf den Vorzug zu geben. Dieses Angebot muss jedoch auch zeitgemäß aufbereitet sein, um für Kunden attraktiv zu sein.

Titelfoto: markta.at

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