Pure Vielfalt – Natur in der Stadt

16.02.2022
Architektur, Gesellschaft

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Natur in der Stadt verbessert die Luftqualität und das Stadtklima, mildert Hitzewellen und mindert Lärm – sie steigert die Lebensqualität der Menschen. In diesem Beitrag werden ihnen Beispiele zu den Themen Tiere, Biodiversität sowie Hecken und Säume näher erläutert.

 

Immer mehr Menschen ziehen in die Zentralräume, wollen aber die Natur nicht missen – zwei Drittel aller Europäer leben in Städten. Die urbanen Ökosysteme sind daher enormen Belastungen ausgesetzt und Biodiversität erhält einen neuen Stellenwert.

Natur bietet intakte Böden, Nahrung, Trinkwasser, Brennstoffe, Schutz vor Überschwemmungen und Bodenerosion sowie Klimaregulation und Kohlenstoffspeicherung. Allerdings werden Grünflächen von Stadtverwaltungen oft nur als Kostenfaktor wahrgenommen – daher ist es wichtig, den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Wert von urbaner grüner Infrastruktur aufzuzeigen.

 

Natur in der Stadt
Grüne Wege entlang des Flusses (c) Medienfrau

 

Grün fördert ein gesundes Leben

Ein Spaziergang durch einen bunt bewachsenen Park, über grüne Wiesen, durch den Wald oder nur das Hören fröhlichen Vogelgezwitschers wirken stressreduzierend. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Probleme des Haltungs- und Bewegungsapparates und psychische Erschöpfung werden durch diese Geschenke der Natur positiv beeinflusst. Vegetation und unversiegelte Böden binden Feinstaub, speichern Wasser und verhindern Überschwemmungen bei Starkregen, was weniger Schäden an der Kanalisation bedingt.

Lärm macht krank – ein Viertel der Menschen beklagen konstant zumindest eine mittlere Belästigung durch Straßenverkehrslärm. Begrünte Fassaden in der Stadt können Lärm um bis zu drei Dezibel (dB) mindern. Umweltforscher rechnen pro Person und Jahre als Folgekosten für den Lärmpegelanstieg pro dB zwischen zehn Euro (bei Lärm unter 70dB) und 16 Euro (über 70dB) ein.

Städtische Natur hat viele Facetten, die auf ihre Bewohner gesundheitsfördernd wirken und nebenbei Kosten senken – hier einige Beispiele städtischer Projekte.

 

Natur in der Stadt
Pflanzenvielfalt in den Gärten (c) Medienfrau

Erfolgsrezept Biodiversität

Eine intakte Biodiversität in der Stadt bietet Pflanzen, Vögeln und Insekten Lebensraum.

Insekten sind die sichtbarsten Indikatoren für eine intakte Biodiversität, denn bleiben sie weg, nimmt auch die Vogelpopulation ab. Bis zu 80% weniger Insekten als noch vor wenigen Jahrzehnten sind für alle Insektenfresser, Bestäuberblüten und nicht zuletzt für hochkomplexe Symbiosen in der Natur eine wahre Katastrophe.

 

Natur in der Stadt
Insekten-Nahrung (c) Medienfrau

 

Rückzugsorte für Insekten

Geflügelte Insekten suchen beim lilafarbenen Sommerflieder gerne Nahrung, weil er starken Geruch ausstrahlt. Der Nektar der Pflanze ist von schlechter Qualität und reich an Koffein – Schmetterlinge werden süchtig danach. Sie suchen vergeblich nach Nektar und werden schnell erschöpft, was wiederum zur Folge hat, dass sie nicht mehr brüten. Diese Kettenreaktion bedroht also ihre Spezies. Die Biene ist vielfach deren positiver Imageträger, denn genau betrachtet sind alle Insekten Nützlinge und ebenso in großer Gefahr.

Die Kommune kann gegensteuern, weil der Siedlungsraum des Menschen oft letzter Rückzugsort für selten gewordene Tier- und Pflanzenarten geworden ist. Gemeinden können, wenn Flächen zur Verfügung gestellt werden, dadurch zur Erholung der Insektenbestände beitragen. Wichtiger und angenehmer Nebeneffekt – weniger Arbeit und attraktive, ökologisch wertvolle Flächen entstehen.

 

Cover Schmetterlingsposter Land NÖ (c) Marion Jaros

 

Lasst Vögel Vögel sein!

Unsere Vogelwelt gibt viele Details zum Lebensraum und ökologischen Gleichgewicht eines Gebietes und jeder einzelnen Stadt preis. Diese natürliche Kette ist mittlerweile massiv gestört, was man beim zunehmenden Verschwinden von Raubvögeln wie Uhu, Wanderfalken oder Steinadler beobachten kann.

Vögel sind Nützlinge in der Schädlingsbekämpfung, daher gilt auch hier: Nachhelfen bei der Artenvielfalt in Städten, Gärten naturnah gestalten und standortgerechte Pflanzenarten setzen, die Vogelbeeren bieten. Alte Obstbäume stehen lassen, nicht zu fleißig Laub wegkehren und Nistmöglichkeiten bieten…der menschliche Ordnungssinn steht Vögeln oft im Weg.

 

Natur in der Stadt
(c) Medienfrau

 

Ein besonderes Beispiel ist Bozen

Die Stadt hat in der Umgebung mit Busch- und Mischwald, Weinbergen und Obstwiesen und der Durchquerung von drei Flüssen recht intakte Lebensräume für Vögel bewahrt, weil die Flüsse nicht verbaut oder später renaturiert wurden. Ornithologisch sind die Kiesinseln und Schlickflächen in der Flusslandschaft von großer Bedeutung, besonders Vogel-Durchzügler im Frühjahr nutzen sie.

Die Mittelmeermöwe hat sich in der Umgebung der großen Flüsse auf den Flachdächern der Stadt ganzjährig eingerichtet. Sogar die Lachmöwe und der Schwarzmilan sind gelegentlich anzutreffen. Im Bozner Siedlungsraum finden sich an den Gebäuden vor allem Schwalben, Mauersegler, Fahlsegler, Dohlen (nisten am Kirchturm des Bozener Doms) und Bachstelzen, in Gärten und Parkanlagen hingegen allerlei Meisen und Finken, der Italiensperling (Spatz), das Rotkehlchen, Amseln, Kleiber und Sperber – Vielfalt pur.

 

Vielerorts werden mittlerweile Nistkastenprojekte umgesetzt und Städte spezialisieren sich je nach Naturraum und Möglichkeiten:

  • Die Stadt Essen schützt Vögel, Bienen und Insekten.
  • Zürich schützt Gebäudebrüter.
  • Paris will Spatzen retten.
  • Die Gänsegeier des Salzburger Zoos fliegen seit 1966 frei.

 

Vögel in Eppan (c) Manuela Tessaro

 

Hecken sind Tierparadiese

Hecken und Säume sind essenzielle Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Besonders im urbanen Bereich sind sie wichtige Faktoren für eine intakte Stadtökologie und somit für ausgewogene Biodiversität. Mehr als 1200 Tierarten leben in unseren Hecken, darunter die Hälfte aller heimischen Säugetierarten und zahlreiche Nützlinge.

Laufkäfer, Eidechsen und Kröten finden hier lebenswerte Plätze, kurzum sind Hecken wahre Lebensadern der Landschaft. Große Bedeutung haben die vielen Kleinlebensräume im Übergangsbereich zwischen Hecke und umliegender Kulturfläche: Weil hier fünfmal so viele Tierarten wie im „ausgeräumten“ Feld leben, ist der hohe ökologische Wert von Feldgehölzen hervorzuheben.

 

  • Zum Thema Hecken gibt es eine tolle Broschüre der Autonomen Provinz Bozen Südtirol – alles was dort steht gilt natürlich ebenso für die Stadt Bozen.
  • Hecken, die schmecken Linz.
  • Kolumbien: Medellín kühlt sich grün.

 

Natur in der Stadt
Futterpflanzen für Vögel (c) Medienfrau

 

Neue Grünflächen als Teil des Stadtkonzepts

In Städten mit starker Abwanderung von Menschen und Industriebetrieben, sogenannte schrumpfenden Regionen, sind also große Grünflächen und Grünzüge entstanden, die als Brach- oder Konversionsflächen neuen Gestaltungspielraum schaffen. Renaturierung, Freizeitanlagen, Gemeinschaftsgärten und Aufforstungen bieten Möglichkeiten, sich städtebaulich zu entwickeln und für die Bevölkerung Erholungsräume zu bieten. Mehr dazu lesen Sie hier.

Interessenskonflikte zwischen Konversionsflächen und Gewerbeansiedlungen sind folglich oftmals vorprogrammiert, besonders in Städten mit Innenverdichtung und starker Konkurrenz zu einer Nutzung als Siedlungs-, Industrie- oder Verkehrsfläche. Gerade städtische Naturschutzgebiete stehen unter großem Bebauungsdruck für überregional bedeutsame Infrastruktur wie zum Beispiel Straßenbauprojekte – hier müssen individuelle Lösungen gefunden werden.

 

Blühstreifen (c) Medienfrau

 

Fazit:

Die Ideen und Möglichkeiten, mehr Natur in die Städte zu bringen, sind so vielfältig wie unsere Flora und Fauna. Eine Abwägung unterschiedlicher Nutzungsinteressen wirft unweigerlich die Fragen auf: Wie viel Grün braucht eine Stadt und wer profitiert eigentlich von Natur in der Stadt?

Einige Antworten haben wir gegeben, weitere Untersuchungen und Antworten zu diesem weiten Themenfeld gibt es unter diesem Link und auch in diesem Beitrag.

Titelbild (c) Medienfrau

 

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Simon Profanter

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