Die Schlüsselrolle des Stadtmarketings in der nachhaltigen Stadtentwicklung

13.04.2023
Gesellschaft, Trends

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Wie kann das Stadtmarketing auf die Stadtentwicklung Einfluss nehmen? Daniela Limberger, Geschäftsführerin der Agentur für Standort und Wirtschaft Leonding GmbH, wurde von uns zur Rolle des Stadtmarketings in der Stadtentwicklung interviewt.

 

Warum ist eine Verschränkung von Stadtmarketing und Stadtentwicklung so wichtig?

Daniela Limberger Leonding
Daniela Limberger © Stadtgemeinde Leonding

Die enge Zusammenarbeit zwischen Stadtplanung und Stadtmarketing hat sich schon oft bewährt, wenn es um eine erfolgreiche Gestaltung von Städten geht.

Während die Stadtplanung aus dem öffentlichen Dienst kommt, viel Expertise mitbringt und sich auf die materiell-physische Gestaltung der Stadt konzentriert, sind wir im Stadtmarketing näher an der Bevölkerung und den Wirtschaftstreibenden.

Unser Fokus liegt darauf, die Bedürfnisse und Herausforderungen im Alltag der Menschen zu verstehen und Trends sowie Zukunftsperspektiven zu berücksichtigen.

 

Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Stadtentwicklung?

Der kontinuierliche Austausch mit relevanten Stakeholdern, Behörden und Abteilungen kann gewährleisten, dass man Entscheidungen im Hinblick auf die Stadtgestaltung ganzheitlicher trifft.

Die Stadtentwicklung soll nicht nur funktional und auf Ästhetik ausgerichtet sein, sondern auch dazu beitragen, dass sich die Menschen in ihrer Umgebung wohl fühlen.

Daher halte ich es für relevant, dass das Stadtmarketing in diverse Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen wird, um an einer erfolgreichen und zukunftsorientierten Stadtentwicklung mitzuwirken.

 

Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo das Stadtmarketing positiven Einfluss auf die Stadtentwicklung nehmen kann?

Es kann beispielsweise einen wertvollen Beitrag dazu leisten, neu zu gestaltende Bereiche atmosphärisch aufzuladen und mit Leben zu füllen. Man sollte lebendige Zonen schaffen, nicht nur Orte, die schön aussehen, aber atmosphärisch wenig zu bieten haben.

Die Gefahr besteht ja oftmals darin, dass die Funktionalität zu sehr im Fokus steht. Das Ergebnis sind dann funktionale und durchaus auch ästhetische Zonen, die aber letztendlich ungeliebte und wenig belebte Orte bleiben. Ich freue mich sehr, dass man dieses Potential in meiner täglichen Arbeit in Leonding nutzt und man unsere Expertise, unser vernetztes Denken als Ressource ansieht.

 

Was muss man bei Stadtentwicklungsprozessen beachten, damit sich Menschen wohlfühlen?

Es sollte immer auch berücksichtigt werden, wie und von welchen Zielgruppen diese Zonen genutzt werden. Ob sie wirklich niederschwellig und barrierefrei sind? Ob sich dort sowohl junge als auch ältere Personen wohlfühlen können? Deshalb ist wichtig, dass sich das Stadtmarketing von Beginn an in diesen Prozess einbringt.

Der Trend geht auch stark in Richtung Bürgerbeteiligung. Man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und erkannt, dass man sehr frühzeitig die Zielgruppen einbeziehen muss, um erfolgreiche Projekte zu realisieren.

 

Auf welche Weise bringt sich das Stadtmarketing bei Bürgerbeteiligungsprozessen ein?

Wie das Stadtmarketing in Beteiligungsprozesse eingebunden wird, ist von Stadt zu Stadt verschieden und auch von den Schwerpunkten abhängig, die dem Stadtmarketing übertragen wurden. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll, Beteiligungsmanagement als Tätigkeitsfeld des Stadtmarketings mitzudenken.

Aus ressourcentechnischen Gründen sind solche Prozesse meist aber nicht ohne Begleitung umsetzbar. Deshalb ist es entscheidend, erfahrene externe ModeratorInnen hinzuzuziehen, die neutral verortet sind und die handelnden AkteurInnen nicht kennen.

 

Wie unterstützt das Stadtmarketing externe BeraterInnen bei solchen Beteiligungsprozessen?

Das Stadtmarketing kann wertvolle Informationen dazu beisteuern, wer unbedingt teilnehmen sollte, wer gut miteinander harmoniert oder welche Gruppengrößen optimal sind.

Es ist auch wichtig sicherzustellen, dass nicht nur diejenigen dabei sind, die ohnehin immer aktiv sind oder die durch persönliche Befindlichkeiten voreingenommen sind.

Das Stadtmarketing kann hier einen guten Beitrag leisten, indem es auf Expertise von außen zurückgreift und darauf achtet, dass eine breite und ausgewogene Zielgruppe einbezogen wird.

 

Bürgerbeteiligungsprozess im Rahmen der Stadtentwicklung
Bürgerbeteiligungsprozess in Leonding © Visual Kings e.U

 

Gibt es neue Trends bei Bürgerbeteiligungsprozessen?

Beteiligungsprozesse sind sehr langwierig, aufwendig und sehr intensiv für alle Beteiligten. Das kann natürlich auch dazu führen, dass Beteiligte, die ihre Freizeit ehrenamtlich investiert haben, frustriert sind, wenn das Ergebnis nicht den Erwartungen entspricht.

Mittlerweile gibt es aber Möglichkeiten, diese arbeitsintensiven Prozesse durch Virtual Reality-Simulationen zu unterstützen. Es werden beispielsweise Bilder von einem Platz mit oder ohne Baum gezeigt und anschließend untersucht, bei welchem Bild sich die Befragten wohler fühlen. Intuitive Faktoren spielen dabei eine große Rolle und die Ergebnisse sind wissenschaftlich belegbar.

Der Trend geht also zu digitalen Lösungen, die schneller sind, aber trotzdem auf fundierte Daten zurückgreifen können.

 

Welche Rolle spielen generell Trends für das Stadtmarketing?

Es ist wichtig, sich mit zukünftigen Trends auseinanderzusetzen und zu analysieren, wohin sich die Stadt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. Natürlich ist das auch eine Aufgabe der Baubehörde und Stadtplanung. Das Stadtmarketing sollte aber einen engen Austausch pflegen und dabei seine Erfahrungen und Erkenntnisse einbringen.

Die zukünftige Stadtentwicklung steht bei uns im Stadtmarketing auf der täglichen Agenda. Wir bemühen uns, mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu nutzen. Auf diese Weise können wir auch den öffentlichen Dienst unterstützen und unsere Erkenntnisse regelmäßig an die Politik kommunizieren.

Im Zusammenhang damit spielt auch das Datenmanagement eine entscheidende Rolle. Dabei geht es insbesondere darum, gesammelte Daten gezielt zu nutzen, um Trends und Entwicklungen in der Stadt zu erkennen.

Oft ist aber unklar, wo genau die relevanten Daten in der Stadt zu finden sind, da jeder Bereich eigenständig arbeitet. Daher pflegen wir regelmäßig den Austausch mit verschiedenen Behörden, um Informationen zusammenzuführen und auszuwerten. Nur so können wir die Daten sinnvoll nutzen und fundierte Ergebnisse ableiten.

 

Können Sie uns mehr darüber erzählen, wie Stadtmarketing dazu beitragen kann, eine nachhaltige Quartiersentwicklung zu initiieren?

Eine zentrale Rolle des Stadtmarketings sehe ich darin, Möglichkeiten für Experimente zu schaffen, bevor die großen Würfe in der Stadtentwicklung umgesetzt werden.

Ein Beispiel ist die temporäre Gestaltung von Marktplätzen, um zu prüfen, ob diese von der Bevölkerung angenommen werden. Temporäre Radwege oder die vorübergehende Sperrung von Straßen für Autos können ebenfalls wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, ob die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum durch eine solche Maßnahme gesteigert oder beeinträchtigt wird.

Die Aufgabe des Stadtmarketings besteht aber nicht nur darin, solche Maßnahmen zu planen und zu koordinieren, sondern auch die Kommunikation dazu zu liefern, um mögliche Irritationen bei den AnwohnerInnen zu minimieren. 

 

Sie sprechen das Thema Kommunikation an – wie wichtig ist die Information der Bevölkerung bei Stadtentwicklungsprozessen?

Kommunikation ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von städtebaulichen Projekten. Die Bevölkerung will wissen, was in ihrer Stadt passiert. Obwohl man damit auch KritikerInnen Tür und Tor öffnet, ist es wichtig, von Anfang an transparent und niederschwellig zu kommunizieren, um mögliche Missverständnisse oder Konflikte zu vermeiden.

Im Zuge eines Bauprojekts hat man in Steyr beispielsweise ein unansehnlicher Würstelstand vor dem Rathaus neu verkleidet und mit entsprechenden Informationen ausgestattet. So konnte man die Aufmerksamkeit der PassantInnen auf sich ziehen und gleichzeitig über den Bauprozess informieren.

Um die Stadtentwicklung transparenter und bürgernäher zu gestalten, wäre es auch sinnvoll, den Einblick in Baustellen zu ermöglichen, anstatt sie abzuschirmen.

In Wien hat man bereits damit begonnen, beplankte Bauzäune durch Plexiglas zu ersetzen. Der Bevölkerung sollte damit der Baufortschritt sichtbar gemacht werden. Anstatt Baustellen als Barrieren zu betrachten, könnten sie als Chance genutzt werden, um das Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu wecken.

 

Stadtentwicklung im Kontext von Stadtmarketing
Der kreativ verkleidete Würstelstand transportierte in Steyr auf attraktive Weise das Bauvorhaben. (c) Daniela Limberger

 

Was hat sich aus Ihrer Sicht im Umgang mit KritikerInnen bewährt?

Es gibt oft ein großes Spannungsfeld bei Projekten. Insbesondere wenn es um das Herzstück einer Stadt, wie den Stadtplatz, geht. Es sollte nicht unterschätzt werden, wie emotional behaftet manche Orte sind. Und wie heftig die Reaktionen auf geplante Veränderungen ausfallen können.

Es ist wichtig, auf diese Emotionen einzugehen und sie zu berücksichtigen. Aber letztendlich muss man Entscheidungen treffen, um erfolgreich zu gestalten. Wichtig ist auch zu verstehen, dass Quartiersentwicklungen nicht nur die Menschen betreffen, die dort leben oder Eigentum haben, sondern auch viele andere Bevölkerungsschichten.

Es reicht nicht aus, nur eine kleine Gruppe von Stakeholdern zu berücksichtigen. Sondern es muss eine breite Vielfalt von Bedürfnissen in Betracht gezogen werden. Oft greift man bei Stadtentwicklungsprozessen hier zu kurz.

 

Wirtschaftstreibende sind im Zuge von Stadtentwicklungsprozessen oft direkt betroffen. Welche Rolle nimmt das Stadtmarketing diesbezüglich ein?

Die Flut an Informationen führt oft dazu, dass zu viel vorausgesetzt wird. Man geht davon aus, dass allen klar ist, wann, was und wie passiert. Dabei wird oft vergessen, dass es viele betroffene Personen gibt, die ein großes Interesse daran haben, rechtzeitig informiert zu werden. Gerade bei Bauprojekten ist das von besonderer Relevanz.

Diese Informationen sind insbesondere für diejenigen wichtig, die während der Bauzeit mit Einschränkungen rechnen müssen. Sie benötigen rechtzeitig Informationen, um ihre Planung und Budgetierung anpassen zu können.

Als ehemalige Einzelhändlerin kenne ich diese Problematik aus eigener Erfahrung. Im Textilhandel gibt es beispielsweise Orderzyklen. Bei denen hilft es wenig, wenn der/die HändlerIn erst einen Monat vorher erfährt, dass sein Geschäft in der Bauzeit schwer erreichbar sein wird. Zu diesem Zeitpunkt ist die Ware schon bestellt.

Dieses Problem ist den Baubehörden oft nicht bewusst, da sie diese Themen nicht im Blick haben. Hier ist das Stadtmarketing aufgrund der Nähe zu den Wirtschaftstreibenden gefragt, um sicherzustellen, dass man relevante Informationen rechtzeitig kommuniziert.

 

Abschließend: Wie sehen Sie die Zukunft der Stadtentwicklung?

Es ist erfreulich zu sehen, dass ein zunehmendes Bewusstsein für den Handlungsbedarf in der Stadtentwicklung besteht. Das betrifft sowohl die Ausbildung unserer zukünftigen StadtplanerInnen, als auch die Raumordnung, beziehungsweise Entscheidungen, die auf Bundes- oder Landesebene getroffen werden.

In der Vergangenheit wurden diesbezüglich leider oft Fehler gemacht, zu viel auf der grünen Wiese gebaut und somit viel zu viel Fläche versiegelt. Das hat dazu geführt, dass Ortszentren verödeten und eine lebendige Atmosphäre verloren ging. Es erfordert viel Energie und ist auch sehr kostspielig, diese Entwicklungen umzukehren.

Wichtig ist jetzt, dass man die vorhandenen Potenziale in verwaisten Stadtteilen erkennt und nutzt, um diese wieder mit Leben zu füllen. Dafür stehen breite Unterstützung und Förderungen auf EU- und Bundesebene zur Verfügung. Besonders das Klimaministerium leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Förderung von nachhaltiger Stadtentwicklung und sanfter Mobilität.

Herzlichen Dank für das Interview!

 

Titelbild: Würstelstand in Steyr (c) Daniela Limberger

 

Daniela Limberger Vorstandsmitglied des Dachverbandes Stadtmarketing Austria

Daniela Limberger

Geschäftsführerin Agentur für Standort und Wirtschaft Leonding GmbH

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