Moderne Gutschein- und alternative Währungssysteme
04.07.2016
Veranstaltungsberichte
04.07.2016
Veranstaltungsberichte
Ein Beitrag von Daniela Krautsack, MBA, Urban Branding Expertin und Trendforscherin (Wien):
Ich habe in meinem Büro einen Ordner mit dem Titel ‚Gutscheine’ angelegt. Darin finden sich Gutscheine für mein loyales Einkaufen in Modeboutiquen, Buchgeschäften und Drogerien, Jahresboni, Promotion-Coupons, Geburtstagsvouchers – you name it. Ich habe vor kurzem und seit langem wieder in den Ordner geschaut und einen Thalia Gutschein von 2009 gefunden. Irgendwann zu Unizeiten habe ich mir die Aussagen eines Professors gemerkt, der sinngemäß meinte: „Gutscheine verfallen nie.“ Für das Wort nie würde ich heute meine Hand nicht mehr ins Feuer legen, aber ich hatte schon recht, mich beim Einlösen der Gutscheine nicht zu stressen. Laut OGH-Urteil von 2012 sind in Österreich ausgestellte Gutscheine 30 Jahre gültig. Nur: wie viele KonsumentInnen wissen das?
In meinem Interview mit Peter Jungreithmair zum Thema meint dieser: „Der Gutschein ein klares Rabattinstrument, um den Diskont- und „Geiz ist Geil“-Trend zu bedienen. Unzählige Kombinationsvarianten in den verschiedensten technischen Ausprägungen haben den Gutschein zu einer echten Schattenwährung werden lassen. Spannend finde ich in diesem Zusammenhang die unglaublichen Summen, die in „Schreibtischläden“ vor sich hinschlummern und auf ihre Einlösung warten.“ Fazit: wenn KonsumentInnen auf die Einlösung des Gutscheins vergessen oder an das Verfallsdatum auf dem Gutschein glauben, dann verbleibt der Wert im Unternehmen.
Wie Sie als UnternehmerIn sicherlich wissen, haben Gutscheine weitere Vorteile:
Wein & Co macht das clever. Da erhält man einen Gutschein im Restaurant bei jedem Bezahlvorgang für den Shop in die Hand gedrückt, den man am selbigen Tag einlösen muss. Es passiert selten, dass ich keine Zeit und Lust auf mehr Shopping habe und den Gutschein verfallen lasse. Also gehe ich mit einem Gutschein von € 4,20 in den Shop und komme einer guten Flasche Weißwein wieder heraus, auf die ich €14,79 aufgezahlt habe.
Moderne Gutscheinsysteme bieten heutzutage automatisierte Abwicklungsprozesse, die eine aufwendige Verwaltung eindämmen und zusätzlich weniger betrugsanfällig sind. Beim Gutschein-Kauf müssen Geschenkkarten nur mehr eingescannt werden, um den gewünschten Betrag auf diese zu buchen. Die Gutscheinbeträge werden direkt im System gespeichert, überdies bieten Software-Anbieter, Gutscheinbeträge jederzeit online oder in exportierbaren Gutscheinbüchern abfragen zu können respektive zu erfahren, wie viele Gutscheine mit welchem (Rest-)Betrag noch im Umlauf sind.
Beim Blick auf den Gutschein, den ich in Kürze bei meinem Juwelier um die Ecke einlösen werde, weil mir darin liegt, die Unternehmer-Community in meinem Grätzl zu unterstützen, wirft sich die Frage nach dem Wert alternativer Währungen auf. Letztes Jahr lief im ORF eine Doku von Bert Ehgartner zum Thema „Tauschen & Teilen“, die über neuartige Währungssysteme berichtete und Menschen vorstellte, die Alternativen zum kapitalistischen Gesellschaftsmodell erproben. Selbsternte-Projekte, Couchsurfing, Tauschkreise mit eigenen Währungen sind keine reinen Nischenphänomene mehr.
Gerade in Zeiten von Finanzkrise und zunehmend unbefriedigenden Arbeitsverhältnissen wächst eine Sehnsucht nach anderen Lebensformen. Unter dem Oberbegriff der „Commons-Bewegung“ entsteht eine neue Kultur des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Österreichweit florieren „Talente-Tauschkreise“. Dabei werden eigene Talente genützt und gegen fremde Talente eingetauscht. Die Waldviertler nennen ihre Lokalwährung „ein Gutscheinsystem, das der Verein seinen Mitglieder anbietet“.
Wer Vereinsmitglied ist, kann Euro in bunte Papierscheine wechseln, der Kurs ist eins zu eins. Das echte Geld wird auf ein Bankkonto gelegt, mit den Gutscheinen wird eingekauft. Die Lokalwährung hat das Ziel, laufend den Besitzer wechseln, vom Bäcker zum Fleischer, zum Wirtshaus und wieder retour. Supermärkte, Modeketten oder Großimporteure können nicht mitmachen. Will ein Besitzer von Regionalgeld lieber Euro sehen, geht er zur Bank und tauscht es zurück. Damit das nur selten geschieht, fällt dafür eine Gebühr von fünf Prozent an. Sie geht an soziale Einrichtungen im Ort. Es gibt inzwischen viele dieser lokalen Währungen in Österreich, die Vorbild für Städte sind, die den Wert ihrer Arbeitskraft und Produkte in der Region halten wollen.
Ob der Waldviertler bald mit Bitcoins konkurrieren wird? Eine virtuelle Währung wie Bitcoin ermöglicht den Geldtransfer direkt von einem Konto zum anderen, ohne den Umweg über Banken oder andere Mittelsmänner. Unter Einsatz einer Verschlüsselungstechnologie, einer sogenannten „Blockchain“ (auf Deutsch Block-Kette), werden alle Transaktionen in einer gemeinsam verwalteten dezentralen Datenbank aufgezeichnet, um Missbrauch vorzubeugen. So wird Vertrauen zwischen Verkäufern und Käufern hergestellt.
Dank Block Chain werden wir also künftig Geld, Musik, Verträge, Kunst und jegliche Form von intellektuellem Eigentum genauso schnell durchs Netz schicken wie heute ein E-Mail.
Der Unterschied: Wir bleiben im Besitz unserer Daten. Frank Schmiechen von gruenderszene.de bietet einen provokanten Ausblick auf die Auswirkungen von Blockchain: „Wenn heute jemand eine Wohnung kauft, kassieren immer auch Notare, Städte und Gemeinden mit. Sie lassen sich den Aufwand, Wertübertragungen zu dokumentieren, teuer bezahlen. Die Art und Weise, wie Verträge heute zustande kommen oder Urheberrechte verwaltet werden, könnte sich dramatisch verändern. Digitale Verträge könnten ihre Aktionen in Zukunft selber ausführen. „Smart Contracts“ heißt das in der Fachsprache. Einen Aufseher für ihre Einhaltung bräuchte es dann nicht mehr.“ In der Theorie sind Smart Contracts objektiver als Manager, die gerne mal ihre eigenen Interessen über Firmenvorgaben stellen. Blockchain bewegt also die Grundfesten vieler Geschäftsmodelle.
Anwendung findet Blockchain auch im neuesten Coup von zwei deutschen Programmierern, die laut online Bericht auf www.zeit.de das höchste Crowdfunding-Investment aller Zeiten lukrierten. Zusammen mit ihrem Londoner Partner, dem Fintech-Unternehmer Stephan Tual, bauen sie derzeit die Firma Slock.it auf. Slock.it soll eine Plattform für das Internet der Dinge werden, eine Art Airbnb für alles, mit dem sich im kommenden Zeitalter der totalen Vernetzung die ungenutzten Potenziale leerstehender Parkplätze, ungefahrener Autos oder ungenutzter Rechenkapazitäten vermarkten ließen. Die Universal-Sharing-Plattform. Auf der Webseite heißt es: „Unsere Mission ist es, eine digitale Infrastruktur für die Sharing Economy zu entwickeln, und damit jedem die Möglichkeit zu geben, alles Mögliche zu vermieten, zu verkaufen oder zu teilen – und das ohne Zwischenhändler. Wahrscheinlich muss man 25 sein oder Informatik studiert haben, um zu verstehen, wie DAO und das Einkaufen, Verkaufen und Vermieten über Slock.it funktioniert. Noch ein Dolchstoß für den traditionellen Handel. Wann wird Slock.it österreichische Händler massiv bedrohen? Schwer zu sagen. Beim Gedanken an eine Welt, die sich nur mehr zwischen Nullen und Einsern abspielt, bekommt man Kopfweh. Mein Tipp: informieren Sie sich, z.B. online, bei Experten an Unis oder der Wirtschaftskammer. Denn: der schlimmste Feind des Fortschritts ist die Trägheit.
Zum Nachlesen und Nachschauen:
How local currencies give value for money: Simon Woolf at TEDxBrixton:
https://www.youtube.com/watch?v=J8X2WIfyoWM
Qoin – Money that matters:
http://www.qoin.com/why-2/community-currencies-at-a-glance/money-with-a-purpose/
Bristol Pound:
http://www.qoin.com/what-we-do/programmes/bristol-pound1/
Wohin die Reise geht – viel Glück beim Lesen und Verstehen von DAO.
http://www.zeit.de/digital/internet/2016-05/blockchain-dao-crowdfunding-rekord-ethereum
Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?
Weil wir gezeigt haben, dass „Miteinander“ mehr bringt. Im Miteinander machen Sie für Ihren Standort das Mögliche zum Machbaren. Wir unterstützen Sie dabei mit Know-how, das sich in der Praxis bewährt hat, mit Weiterbildung, die neue Perspektiven eröffnet sowie mit Erfahrungsaustausch, der Sie in Ihrer Rolle stärkt.
Formen Sie aktiv die Zukunft des Stadtmarketings!
Werden Sie Teil unserer dynamischen Gemeinschaft und nutzen Sie unsere vielfältigen Angebote zur fachlichen Weiterentwicklung und Einflussnahme.