Die Lockdowns zwangen stationäre Händler zum Umdenken. Die Resonanz auf Angebote wie Click/Call & Collect sowie gratis Zustell-Services war bescheiden. Mobiler Handel ist das Thema
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommen darf, kommt eben der Berg zum Propheten. Auf dieses Motto mussten sich im Laufe des Jahres 2020 viele stationäre Händler aufgrund der staatlich verhängten Lockdowns einschwören.
Es galt, die Ware mithilfe digitaler Kanäle und kontaktloser Übergabe an den Mann/die Frau zu bringen. Angebote wie Click/Call & Collect sowie gratis Zustell-Services in Verbindung mit einem Online-Shop boomten.
Doch die Resonanz der Kunden war unterm Strich bescheiden. Das Einkaufserlebnis fehlt. Und weil niemand weiß, was die nächsten Monate an nötigen Covid-Schutzmaßnahmen bis hin zu weiteren Lockdowns bringen werden, möchten wir uns in diesem Text mit Möglichkeiten im Handel beschäftigen, die nicht an die fixe Örtlichkeit einer Filiale/eines Shops in der Einkaufsstraße gebunden sind.
Mobiler Handel ist also das Thema. Ein Feld, das im Lebensmittelhandel schon sehr viel besser erprobt ist als im Non-Food-Bereich. Denkbar wäre es aber auch dort. Doch welche Konzepte gibt es überhaupt?
1. Mobile Container-Shops
Ein Trend, der sich im Bereich regionaler Lebensmittel immer mehr durchsetzt und auch für Non-Food-Produkte denkbar wäre, ist jener der mobilen Container-Shops mit Selbstbedienung. Sie ermöglichen einen kontaktlosen, örtlich und zeitlich flexiblen Einkauf.
Die Hansagfood-Container sind im Burgendland und in Niederösterreich mit mittlerweile neun Standorten bereits ein Begriff. Mit dem Kastlgreissler, der seit Herbst schon 16 Standorte in fünf Bundesländern eröffnet hat, kam ein weiterer Player ins Spiel.
Im Süden Österreichs ist die Ackerbox am Vormarsch.
Mit derzeit 7 Standorten in Villach, Spittal/Drau und neuerdings auch in Steyr. 6 Container in Klagenfurt sollen im ersten Halbjahr 2021 folgen.
Das Prinzip ist zeitgemäß und simpel: Im SB-Container befindet sich ein von Standort zu Standort unterschiedliches Sortiment an ausgewählten regionalen Produkten, die von den Bauern bzw. Produzenten selbst eingeliefert und auch wieder aussortiert werden. Die Bezahlung durch den Kunden erfolgt vor Ort – bar und/oder per Karte.
Bei den Bezahlterminals ist Niederschwelligkeit wichtig. „50 Prozent unserer Kunden bezahlen immer noch in bar. Und viele kommen wegen dem einen Liter Milch, der zuhause gerade fehlt“, erzählt Christoph Raunig von Ackerbox. Zugleich haben die im SB-Container leicht zugänglichen regionalen Produkte auch eine starke Anziehungskraft als Souvenir für Touristen.
Dies kann auch anlassbezogen genützt werden. Raunig: „Die Container haben Pop-Up-Charakter und können binnen einer halben Stunde überstellt werden. In der Vorweihnachtszeit 2019 sind wir deshalb vorübergehend zum Christkindlmarkt am Hauptplatz übersiedelt.“
Möglich wäre eine Nutzung auch für Non-Food-Artikel, „wir fokussieren aber auch Lebensmittel.“ Die Ackerboxen sind auch wochenends offen, „nachts sperren wir aber zu“, sagt Raunig.
Smarte Lösungen optimieren das Kunden-Service. Zum Beispiel digitale Preisschilder in Kombination mit einer Kundenkarte, die die Eingaben, die zuvor am Kundenkonto gemacht wurden, gespeichert hat.
Hat der Kunde etwa angegeben, nur vegane und glutenfreie Produkte kaufen zu wollen, leuchten die Preisschilder der passenden Produkte beim Betreten des Kunden auf.
2. Rollender Verkauf
Das Gegenkonzept zum örtlich fixen Verkaufslokal. Das Konzept des „Rollenden Supermarkts“ (ein Beispiel hier) funktioniert am besten in ländlichen Gebieten, da es vor allem für weniger mobile, ältere Menschen attraktiv ist.
Doch auch der urbane Raum wird zunehmend von rollenden Läden entdeckt. Ein Beispiel dafür: Die mobile Boutique „Truck-a-Porter“ aus Köln, die ihre Kollektion sowohl online, als auch zu definierten Truck-Events im rosa Boutique-Van vor Ort verkauft.
Oder „Lindas Ice Cream“-Truck der Vorarlbergerin Linda Peterlunger. Vor drei Jahren kaufte die Produzentin von handcrafted Natureis ihr Verkaufslokal auf Rädern, „weil ich frei sein wollte und sowieso jemand bin, der immer Abwechslung braucht.“ Mit ihrem Truck machte sie Halt an Seen oder als sympathische Attraktion bei Veranstaltungen oder Hochzeiten.
Bis Corona kam. Viele dieser Events musste man absagen. Die Nachfrage nach ihrem Eis aber blieb. Also erweiterte Peterlunger ihren Vertriebsweg im September 2020 um einen knallpinken Eisautomaten für Becherprodukte vor ihrer Produktionsstätte in Feldkirch. Bis Ende April kommen zwei weitere Becher-Automaten von Lindas Ice Cream in Vorarlberg dazu.
Apropos: „Das Interesse am Automatenverkauf ist im letzten Jahr sicher um 50 bis 60 Prozent gestiegen“, beobachtet Peter Burgstaller, dessen Firma Pebumatic individuell angepasste Automaten vertreibt. Sein Fokus liegt auf Geräten für Direktvermarkter, mit Kunden in ganz Österreich.
Mit auf das jeweilige Warensortiment angepasstem Innenleben können in den Automaten auch nicht normierte Produkte wie Würste, Brot etc. verkauft werden.
Burgstaller setzt aber auch immer wieder Projekte für Partner aus dem Non-Food-Bereich um. „Schuheinlagen aus Lamawolle oder Stoffmasken gibt’s schon aus dem Automaten. Anfragen hatten wir schon für den Verkauf von Socken oder Kosmetik. Der Fantasie sind da kaum Grenzen gesetzt.“
Schönheitspreise gewinnt man mit Verkaufsautomaten freilich keine. Dennoch: In Covid-Zeiten haben sie unbestreitbar gewisse Vorteile. Die Ware wird nicht von anderen Kunden berührt.
Außerdem sind mittlerweile alle gängigen Zahlungsarten möglich, von Bar- bis Kartenzahlung, von Apple Pay bis NFC. Die Förderbandtechnik stellt sicher, dass keine Waren beim Ausgeben hängen bleiben.
Und: die Automaten gelten laut Öffnungszeitengesetz generell als 24-Stunden-Shop. Bei Container-Shops zum Beispiel hängt es stark von ihrem Standort (zB Bahnhof) oder von der Jahreszeit (zB Sommeröffnungszeiten in Tourismusgebieten) ab, inwieweit sie nachts oder am Wochenende öffnen dürfen.
4. Lieferdienste
Das Konzept „Hauszustellung“ hat in den Lockdowns unterschiedliche Phasen durchlaufen. Im ersten Lockdown erstmals probiert, rollte man es vor Weihnachten breit aus.
Das jeweilige Stadtmarketing konnte dabei helfen, die Zustelldienste zu bündeln und bekannt zu machen, wie das etwa über einen Zeitungsbericht in Hall in Tirol oder über die Website in Bad Ischl passiert ist. In Oberösterreich rief der Wirtschaftsbund eine eigene Info-Website für Lieferservices in den einzelnen Bezirken ins Leben.
2021 aber haben sich viele Händler wieder aus dem Zustellen zurückgezogen, weil sich der zeitliche und finanzielle Aufwand einfach nicht trägt.
Andererseits sind da die Konzepte, die nur über Lieferservice in ihrer Nische dauerhaft gut funktionieren. Der kontaktlose Frühstücks-Lieferservice von Morgengold hat mittlerweile 100 Standorte in Deutschland und Österreich.
Frisches, vorbestelltes Gebäck vom lokalen Bäcker hängt morgens einfach an der Türschnalle, abgerechnet wird online. Homeoffice, Homeschooling und Kontaktbeschränkungen haben das Geschäftsmodell des Franchiseunternehmens regelrecht befeuert.
Auch andere Lieferdienste feierten im Corona-Jahr ein Revival: Schon im Frühling 2020 berichtete die deutsche Lebensmittelzeitung über ein 50- bis 100-prozentiges Bestellplus bei Tiefkühl-Lieferdiensten wie Eismann und Bofrost.
Märkte gehören zu den flexibelsten Handelsformen: Temporär, mobil, mit variierendem Angebot und Öffnungszeiten. Perfekt für Nicht-Lockdown- und Post-Corona-Phasen also. Da sie in der Regel open-air stattfinden, hält sich das Ansteckungsrisiko in Grenzen.
Zusammen mit Zutritts-Beschränkungen an den Eingängen könnte daraus heuer ein spannendes Konzept werden, auch für jene Waren, die sich aufgrund der langen Sperren im Lager türmen, Kunden zu finden.
Beispiele für anlass- oder themenbezogene Marktformate:
Design-Märkte wie Edelstoff und Feschmarkt sind moderne Marktformate für regionale, meist handwerklich arbeitende Produzenten von Mode und Accessoires. Ziehen vor allem urbanes, junges Publikum an.
Ähnlich, aber traditioneller: Kunsthandwerksmärkte in Stadtzentren, wie zum Beispiel in Radstadt oder Gmünd.
Saisonmärkte wie der Linzer Frühlingsmarkt, bei dem neben Kleidung, Spielzeug, Kunsthandwerk auch Setzlinge angeboten werden. Oder der im Vorjahr eingeführte Sommermarkt rund um den Lindwurm in Klagenfurt für Saisonware im stimmungsvollen Rahmen.
Street Food Markets – also Slow Food auf der Straße – haben vor allem Eventcharakter und den Anstrich einer kleinen, feinen Gourmet-Messe.
6. Mobiler Handel: weitere Möglichkeiten
Pop-Up Stores. Corona hat schon bisher zusätzliche Leerstände in den Innenstädten verursacht, zeitgleich blieben viele Händler und Produzenten auf ihrer Ware sitzen. Eine zeitlich begrenzt nutzbare Verkaufsfläche in Form eines Pop-Up-Stores könnte in vielen Fällen eine gute Antwort darauf sein. Ausführliche Infos zum Thema Pop-Up Stores finden sich bereits in diesem Blogpost.
Verkaufspartys. In Kombination mit einem Vorab-Covid-Test sind auch diese Verkaufsevents im kleinen Kreis ein sicheres Shopping-Umfeld.
Fazit: Mobiler Handel rückt verstärkt in den Fokus
Neben dem Ausbau der Online-Schiene braucht der Handel derzeit weitere Möglichkeiten, die Waren kontaktarm und ansteckungssicher, aber dennoch verbunden mit einem haptischen Einkaufserlebnis und/oder persönlicher Beratung anzubieten. Mobile Handelsformen rücken verstärkt in den Fokus.
Schon vor Corona gab es absehbare Trends zu SB-Verkaufsmodellen oder Lieferservices, die sich durch die Entwicklung des letzten Jahres massiv verstärkt haben.
Ergänzt durch kleine Verkaufsevents, die entsprechende Schutzmaßnahmen ohne viel Aufwand zulassen, entstehen Covid-taugliche, ortsunabhängige Handelsformen, die auch im Non-Food-Bereich attraktive Alternativen bieten könnten.
Titelbild: Linda Peterlunger vertreibt in ihrem Ice-Truck handgemachtes Natureis plus gute Laune. Foto: Bröll-Fotografie
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