Markthallen als Frequenzmagneten für Innenstädte
19.01.2022
Wirtschaft
19.01.2022
Wirtschaft
Markthallen zählen in vielen europäischen Städten (unterschiedlicher Größe) zu wichtigen und vor allem auch frequenzsteigernden Angebotsstrukturen innerstädtischer Räume. Im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Österreich, wären Markthallen – aufgrund der starken regionalen Produktorientierung breiter Konsumentenschichten, sowie touristischen Ausrichtung vieler Standorte – durchaus ein interessantes Thema, konkrete Realisierungen erfolgen (derzeit noch) eher selten.
Aufgrund der intensiven fachlichen Auseinandersetzung sowie Beratung einschlägiger Projektvorhaben, habe ich mich mit diesem spannenden Themenfeld in den letzten Jahren sehr intensiv auseinandergesetzt. Ich spanne im anschließenden Blogbeitrag einen informativen Bogen über unterschiedliche Markthallentypen, generelle Standortkriterien, beachtenswerte Trends sowie infrastrukturelle Rahmenbedingungen. Besonderes Augenmerk wird dabei auch auf erfolgreich realisierte Markthallen in kleineren und mittelgroßen Städten gelegt.
Seit rund 15 Jahren ist einerseits ein architektonisches und auch angebotsseitiges facelifting vieler traditioneller Markthallen zu beobachten, andererseits das Entstehen komplett neuer Markthallentypen mit positiven Auswirkungen auf die Attraktivität und Besucherfrequenzen an den jeweiligen Innenstadt-Standorten. Fachlich kann man diese unterschiedlichen Markthallenformen im Wesentlichen in vier Typen einteilen:
Typus 1 präsentiert sich in erster Linie als überdachter, permanenter Grün- und Wochenmarkt, wobei neben gewerblichen Anbietern (je nach Markthalle zwischen 50-70%) auch Direktvermarkter präsent sind. Interessante Typus 1 Markthallen sind beispielsweise die Markthalle in Celje (Slo), der Mercato Albinelli in Modena (I) sowie der Mercado Municipal in Sagres (P).
Typus 2 sind in den letzten Jahren entstandene Markthallen mit hochwertigem, spezialisierten Lebensmittelangebot in top designten Ladenständen. Sie stellen häufig architektonische landmarks sowie touristische hot spots dar. Sehenswerte Beispiele sind etwa die Torvehallerne in Kopenhagen (DK), Saluhall in Malmö (S), die Markthal in Rotterdam (NL) und die Markthalle im Viadukt in Zürich (CH).
Der gestiegenen Bedeutung der Gastronomie in Innenstädten und Einkaufszentren samt der mittlerweile hohen Vielfalt an urbanen Erlebnis- und Themengastronomieangeboten trägt der dritte Markthallentypus Rechnung. In diesen food courts dominiert eindeutig die gastronomische Komponente, zumeist in Kombination mit Produktverkostungen und auch direktem Lebensmittelverkauf. Zugleich sind derartige Markthallen außerdem interessante Eventlocations. Empfehlenswerte Standorte sind z.B. der Mercato di mezzo in Bologna (I), die Markthalle in Freiburg (D) oder das Old post office in Washington (USA).
Der vierte Typus stellt eine Art Hybrid der zuvor erwähnten Varianten 2 und 3 dar. Neben hochspezialisierten Marktständen mit regionalen und internationalen Produkten sind, zumeist in räumlich segmentierten Bereichen, eigene food courts eingerichtet. Interessante hybride Markthallen sind in Altrincham (UK), Basel (CH), Florenz (I) und München (D) zu finden.
Der wirtschaftliche Erfolg einer Markthalle hängt nicht nur von der Attraktivität der Anbieter und dem Produktmix ab, sondern zu einem Großteil auch von einer optimalen Standortlage. Daher sind bei der Errichtung neuer Markthallen eine Fülle von infrastrukturellen, architektonischen und logistischen Rahmenbedingungen zu beachten.
Markthallen wurden und werden in der Regel in Innenstädten realisiert. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie z.B. die Panzerhalle in Salzburg (A) oder die Markthalle im Viadukt in Zürich (CH) nutzen die Mehrzahl der Markthallen vorhandene Basisfrequenzen unmittelbar angrenzender Einkaufsstraßen und -viertel.
Vor allem die in den letzten Jahren neu entstandenen Genuss-Markthallentypen liegen entweder in 1a-Toplagen (z.B.: Freiburg/D, Kopenhagen/DK) oder direkt neben Nahverkehrsdrehscheiben (z.B.: Basel/CH, Bern/CH).
Aufgrund der Bedeutung von Markthallen als wichtiger innerstädtischer Frequenzmagnet sollte das unmittelbare Umfeld städtebaulich möglichst attraktiv gestaltet sein bzw. eine hohe Aufenthaltsqualität in punkto Vorplatzgestaltung, Begrünung, Möblierung, Beleuchtung etc. aufweisen.
Viele Markthallen befinden sich in Fußgängerzonen oder in zumindest verkehrsberuhigten Bereichen. Sie sind optimal an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Aber auch für die PKW-Verkehrsteilnehmer sind diese Einrichtungen in der Regel gut gerüstet. So verfügen beispielsweise die Markthallen in Florenz (I), München (D), Nancy (I) und Stuttgart (D) über eigene Tiefgaragen bzw. sind in direkter Anbindung vorhanden.
Markthallen benötigen für den Betrieb eine umfangreiche Liefer- und Entsorgungslogistik. Daher ist eine möglichst problemlose Zu- und Abfahrt der zahlreichen Kleintransporter (der jeweiligen Standbetreiber), sowie auch Müllwägen ein weiterer beachtenswerter Erreichbarkeitsaspekt.
Markthallen erzeugen unterschiedliche Arten von Emissionen. Neben Zuliefer- und Entsorgungslärm in den Abend- und frühen Morgenstunden, führen auch Lärm- und Geruchsemissionen aus den diversen Zubereitungsküchen, Waschstraßen und Kühlaggregaten zu Herausforderungen.
Somit sind vor allem jene Markthallen mit starker gastronomischer Komponente und Öffnung in den Abendstunden Lärmerzeuger. Daher erscheint es sinnvoll, Markthallen nicht in unmittelbarer Nähe von größeren Wohnquartieren zu etablieren.
Markthallen sind in der Regel komplexe Gebäudeeinheiten. Die Betriebs- und Klimatechnik ist ebenso in der Markthalle unterzubringen, wie unterschiedliche Lager (Kühlboxen und Trocken- und Mülllager für die Anbieter. Zusätzliche Räume für Möbel, Marktstände), Sanitäreinrichtungen für Besucher und Personal. Vorbereitungsküchen, Waschstraßen und vor allem der öffentlich zugängliche Bereich der Markt- und Gastronomiestände.
Je nach Größe der Markthalle und inhaltlicher Ausrichtung umfasst dieser Sektor normalerweise zwischen 40-60% der Gesamtfläche. Mir ist nur eine einzige Einheit bekannt, welche von dieser Norm abweicht – die Markthalle im Viadukt in Zürich (CH). Welche aufgrund der sehr beschränkten Raumkapazitäten, sowie des Nichtvorhandenseins einer Unterkellerung keine Lagerflächen aufweist und die technischen Einrichtungen knapp unterhalb des Daches untergebracht hat.
Markthallen unter 1.000m2 bespielter Fläche sind kaum vorhanden (Ausnahme z.B. Markthalle in Freiburg) und nur unter bestimmten Rahmenbedingungen überlebensfähig (z.B.: in Hochfrequenzlagen oder mit Schwerpunktgastronomieorientierung). Wirtschaftlich erfolgreiche Konzepte sollten von einer Mindestgröße (Markt- und Gastrobereich) von zumindest 1.300 bis 1.500 m2 ausgehen.
Bei der Planung und Errichtung von neuen Markthallen kommt es fallweise zu Diskussionen hinsichtlich einer möglichen Konkurrenzierung bestehender Grün-, Wochen- und Bauernmärkten. Kritiker führen an, dass durch Markthallen derartige temporäre Handelsplätze stark ausgedünnt und schlussendlich substituiert werden.
Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass Markthallen, welche sich in der Nähe oder bestenfalls in direkter Nachbarschaft zu diesen temporären Märkten befinden, nicht nur eine umfassende Belebung (z.B.: mehr Anbieter, Entwicklung von zusätzlichen spezialisierten Tagesmärkten, etc.) herbeiführen, sondern regelrechte stationäre Speziallebensmittelanbieter- Cluster im Umfeld der Markthalle entstehen wie z.B.: in Genua (I), Livorno (I) und Troyes (F).
In Zeiten hybriden Konsumverhaltens, des bequemen, jedoch wenig emotionalisierenden Online-Shoppings und nicht zu guter Letzt auch als eine Antwort auf die Wirrnisse und Entsagungen der Pandemie, stellen gut gemachte und attraktive Markthallen sinnliche Plätze dar. Ich bin sogar dazu geneigt die Definition des amerikanischen Stadtsoziologen Ray OIdenburgs über Dritte Plätze als home away from home auf Markthallen anzuwenden. Vorausgesetzt, diese Einrichtungen sind auf folgende Faktoren ausgerichtet:
Durch die mittlerweile sehr gute Produktqualität und -vielfalt der Super- und Verbrauchermarktbetreiber positionieren sich viele (neue) Markthallen konsequent im hochwertigen Genuss-Segment.
Wobei häufig eine kombinierte Strategie von speziellen, vom filialisierten Lebensmittelhandel nicht angebotenen Genussprodukten samt Sofortverzehr (entweder direkt am Stand oder in Gastronomieeinheiten) gewählt wurde. Einzelne Markthallen (z.B.: Basel/CH, Florenz/I) haben zudem eigene Schaukäsereien oder Brotbackstuben integriert.
Markthallen als kulinarische Visitenkarte der Region darzustellen ist vielfach zu kurz gegriffen. Für durchaus kritische sowie preisbewusste Markthallenbesucher erscheinen eine Variation aus heimischen (der jeweiligen Region stammenden) Spezial- und nationalen und internationalen Produkten ein richtiger Ansatz.
Um den Charakter einer Genussmarkt-Halle entsprechend aufrecht zu erhalten, sollte die Integration von Nicht-Lebensmittelanbieter sehr sorgfältig und in thematischer Nähe (z.B.: Bio-/Naturkosmetik, Blumen, etc.) vorgenommen werden.
Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass die überwiegende Mehrzahl der Anbieter gewerbliche Unternehmen darstellen. Direktvermarkter, welche zumeist nicht über die notwendige Produktmenge bzw. zeitliche Ressourcen für eine dauerhafte Standpräsenz verfügen, werden häufig auf temporären (tageweise, bestimmte Saison), kleineren und zumeist mobilen Marktständen innerhalb der Markthalle integriert.
Zusätzliche Einnahmequellen für Markthallen ergeben sich durch Cateringservices. Sowie durch weitere Angebote in Form von Kochseminaren oder -schulen. In jenen können in der Markthalle eingekaufte Produkte direkt zubereitet werden. (Z.B.: Basel/CH, Bern/CH, Bologna/I, Florenz/I, Kopenhagen /DK, Stuttgart/D). Zudem stellen Produktpräsentationen und Seminare weiter spannende Zusatzservices dar.
Markthallen mit starker gastronomischer Komponente werden nach Ladenschluss der Marktstände häufig für Firmenevents, Kongressempfänge und private Feiern genutzt. (Z.B.: rund 100 derartige Veranstaltungen pro Jahr in Basel/CH; rund 120 pro Jahr in Freiburg/D).
Schon bei der Planung bzw. bei der Errichtung von Markthallen im 19. Jahrhundert wurde nicht nur auf Funktionalität Wert gelegt, sondern auch auf hohe Qualität der Innen- und Außenarchitektur. Zwei besonders hervorzuhebende Beispiele sind der covered market in Oxford (GB) und die Markthalle in Livorno (I).
Aus den zahlreichen Beispielen zeitgenössischer Gestaltung sind meines Erachtens zwei Markthallen hervorzuheben. Der Kopenhagener Architekt Hans Peter Hagens hat auf dem ehemaligen Wochenmarktareal im Zentrum der dänischen Hauptstadt die Torvehallerne in zwei Bauteilen errichtet. Ein weltweit viel beachtetes gestalterisches Juwel hat der niederländische Architekt Winy Maas 2014 geschaffen – die Markthal in Rotterdam (NL).
Nur in einzelnen Markthallen ist eine Design-Uniformität der Marktstände festzustellen. Es bestehen zwar Vorgaben für die Errichtung von Ständen sowie Warenpräsentation, die Marktladenkonzepte sind aber zumeist in der Gestaltung unterschiedlich.
Markthallen, insbesondere in Klein- und Mittelstädten, sind keine Cashcows! Die Erfahrung in der Begutachtung von Markthallen in Europa hat gezeigt, dass die Mehrheit der Projekte keine gewinnbringenden Finanzinvestments für den privaten Sektor darstellen, bei jenen durch entsprechende Mieten die eingesetzten Mittel sich in einer akzeptablen Zeit amortisieren.
Viele Kommunen verstehen daher Markthallenprojekte als wichtigen Standortimpuls zur Förderung der Innenstadt. Sie investieren in erster Linie in den Kauf bzw. Errichtung einer Markthalle. Der operative Betrieb erfolgt häufig durch das eigene Marktamt bzw. eine städtische Tochtergesellschaft oder wird an private Betreiber ausgesourct.
Um jedoch das Eingangs gemachte Statement („Markthallen sind keine Cashcows“) zu relativieren, lassen Sie mich abschließend eines anmerken. Sofern die im Verlauf des Beitrags dargelegten Rahmenbedingungen und Standortfaktoren weitgehend berücksichtigt werden, ist der Betrieb einer Markthalle grundsätzlich betriebswirtschaftlich erfolgreich. Er erzeugt einen großen Mehrwert für die innerstädtische Wirtschaft.
Mag. Roland Murauer
Geschäftsführender Gesellschafter CIMA Austria Beratung + Management GmbH sowie Vorstandsmitglied beim Dachverband Stadtmarketing Austria.
https://www.stadtmarketing.eu/roland-murauer/
Titelbild (c) Saluhall Malmö
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