Die Landschaft braucht die Skulptur nicht! Braucht die Skulptur die Landschaft?
29.05.2018
Kultur
29.05.2018
Kultur
Die Ortlosigkeit der Skulptur seit dem frühen 20. Jahrhundert, die vollständige Loslösung von der Logik des Denkmals sowie die Kategorisierung der „Nicht-Landschaft“ (nach Rosalind Krauss *1941; siehe Beitrag: „Vom Land – zur Landschaft – zur „Nicht-Landschaft“ führt zu allerlei merkwürdigen Vorstellungen und Hervorbringungen, die das Verhältnis von Skulptur und Landschaft massiv stören, weil sie beliebig in den freien Raum und in die Landschaft gesetzt wurden und immer noch werden.
Nur eine Minderheit von Beispielen hat künstlerische Relevanz und schafft ein präzises, gelungenes und sinnvolles Verhältnis von Skulpturen, Objekten und Installationen zum Landschaftsraum.
In Europa zeugen eine ganze Reihe von Exempeln davon, wie fragwürdig und sogar fehlgerichtet der Hang nach der Errichtung von Skulpturenparks, -gärten, -straßen, -pfaden, Museumsgärten und Ansammlungen von bildkünstlerischen Objekten im topografischen Raum läuft.
Skulpturen – und seien sie noch so abstrakt, dezent oder aus welchem Material auch immer – werden leider so manches Mal regelrecht in der Landschaft abgestellt – man spricht von „Möblierung“. Inhaltliche, räumliche, historische Bezugslosigkeit und Willkür sind die Stichworte, die diesen Zustand beschreiben.
Ein Negativbeispiel von „Möblierung“ der Landschaft durch Skulpturen findet sich an den Südhängen des Leitha-Gebirges im Burgenland.[1] Ein dort ansässiger Künstler gruppiert seine mannshohen Skulpturen und Stelen wahllos auf Wiesen und am Waldrand.
Möglicherweise sind die Orte in seinem Eigentum und dienen deshalb als Lagerort seiner als Ausstellung postulierten Werkansammlung. Der örtliche Tourismusverband wirbt mit dem Satz, die Skulpturen hätten „einen einzigartigen Rahmen bekommen“. Die Ironie in diesem Satz mag unbeabsichtigt sein, denn am Rahmen endet in der Regel die Kunst.
Gleiches gilt für den Skulpturenpark Kramsach (Tirol)[2]. Auch hier wird mit Allgemeinplätzen der Versuch unternommen, einer Ansammlung von Metallskulpturen eine landschaftliche Legitimation zu geben.
Was aber präsentiert wird ist die Auffassung einer Innenraum-ähnlichen Ausstellung. Die – wenn überhaupt – in einen architektonischen Kontext gehören würde. Was der Künstler mit seinen Werken und Abbildungen auf seiner Homepage immer wieder in Innenräumen oder im Kontext einer Architektur überzeugend beweisen kann.
Selbst bei gut gemeinten Initiativen wie bei der Kooperation eines Kinder- und Jugendkulturprojekts mit ortansässigen KünstlerInnen, etwa im Bundesland Salzburg, ist kritisches Hinterfragen angebracht – zumindest aus künstlerischer Perspektive. In Leogang nahe Saalfelden soll der „Skulpturenradweg Steinbergrunde“[3] RadsportlerInnen, TagesausflüglerInnen, TouristInnen und Kunstinteressierte anziehen.
Aber auch hier werden Skulpturen und Objekte lediglich entlang des Weges installiert. Sie sind mit einer Fahrradwandertour konnotiert und illustrieren diesen, folgen aber keinem sinnhaften ortsspezifischen, künstlerischen Konzept. Kaum ein Werk geht tatsächlich auf den sie umgebenden Landschaftsraum ein, weder im Sinne von Land Art noch in Bezug einer „Environment Art“.
Die Erinnerungsmomente haben viel mit Dekoration von Orten zu tun, die auch hier eher innenräumlich gedacht sind. Sie fordern nicht ehrlich dazu auf, den Wert von Landschaft in ein dialogisches Verhältnis zu den BesucherInnen und RadlerInnen zu setzen.
Ausgenommen davon sind explizit jene Objekte der VolkschülerInnen verschiedener teilnehmender Schulen, weil diese in einem anderen, fördernden und pädagogischen Kontext stehen.
In Österreich gibt es eine lange Tradition mit Vorbildcharakter, die sich eng über die Situation der Steinskulptur in der zeitgenössischen Kunst definiert hat und dessen Wegbereiter ein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg der Bildhauer Karl Prantl (1923-2010) war. Sein Credo war ein „neues Verhältnis zu einem alten Material“[4] zu reaktivieren.
Eines der Urmaterialien der Bildhauerei sollte sich nach Prantl als „freie plastische Arbeit unter freiem Himmel abspielen und modernes Formempfinden mit alter handwerklicher Gesinnung verquicken.“[5] Der Stein, aber auch Metalle (z.B. Bronze) sowie Naturholz waren bereits in den 1950er-Jahren „traditionelle“ künstlerische Materialien und traten besonders im urbanen öffentlichen Raum immer seltener auf.
Die Legitimation für die Landschaftskunst lautete schließlich Holz und Stein seien als Naturprodukte geradezu prädestiniert dafür und gehören deshalb besser als jedes andere Material in die Landschaft.
Der Auftrag, der an Prantl Ende der 50er-Jahre ging und 1959 in einer Konsequenz zum „Symposium Europäischer Bildhauer“ führte, war einen modernen Grenzstein zu hauen, der im Burgenland auf die österreichisch-ungarische Grenze und auf die Verbundenheit beider Länder verweisen sollte[6].
Nicht wie postuliert das Material legitimierte also den Standort in der und mit konkretem Bezug zur Landschaft (selbst heute nicht, an einem neuen Standort), sondern rein der inhaltlich-historische Zusammenhang.
Zumindest der Versuch Prantls eine neue Ortsbezogenheit herzustellen – in dem Postulat Arbeitsplatz = Repräsentationsort – muss leider als gescheitert angesehen werden. Obwohl seine Biographie mit den Standorten verknüpft ist und die Bildhauer-Symposien an sich als produktive Arbeitssituation bis heute durchaus funktionieren würden. Jedoch die Kunstwerke selbst und die „Verortung“ haben heute an Bedeutung verloren, weil sie sich die Landschaft nicht mehr aneignen können.
Nach der Übersiedlung eines Teils der Skulpturen vom „Symposium Gelände St. Margarethen“ nach Pöttsching (2008), wo bereits die 1986er Biennale-Skulpturen Prantls aus Venedig zu sehen waren, wurde der „Symposiumshügel“ eine Zeit lang (2011) vernachlässigt – die Skulpturen wucherten zu[7]. Es bedurfte privater Initiativen und persönliches Engagement, den Skulpturen und die sie umgebende Umgebung wieder notwendigen sicht- und deutbaren Raum zu geben.
Übrigens: erst seit knapp zehn Jahren begegnet eine junge Künstlergeneration ohne Ressentiments wieder jedwedem Material – ohne Beschränkung.
Das Problem mit „geschützten landschaftlichen Kunstgehegen“[8] wie beispielsweise der Skulpturenpark des Universalmuseums Joanneum in Premstetten bei Graz[9] – und wie bereits bei den vorher beschriebenen Versuchen aufgeführt – liegen in ihrer Repräsentationsform im Sinne einer auf Dialog von Werken und Publikum miteinander, sowie ihrer intendierten Dauerhaftigkeit.
Der Skulpturenpark ist eine Open-Air-Ausstellung, gedacht und konzipiert wie für Innenräume, aneinandergereiht und Parcours-gemäß angeordnet. Temporäre, will sagen sich verändernde künstlerische Auseinandersetzungen mit Landschaft, wären ein probates Mittel nicht allein die Reflexion über sich selbst zu intensivieren, sondern den sich verändernden örtlich-räumlich-jahreszeitlichen Situationen auch einen sich permanent verändernden künstlerischen Dialog gegenüber zu stellen.
Obwohl oft hübsch gestaltet, liegt das Problem paradoxerweise im räumlichen Denken und einer Verweigerung, Ort, Inhalt, Kommunikation (Dialog) und Skulptur in ein optimales und unumstößliches Verhältnis zu bringen. Zu betonen ist, dass das Missverständnis sowohl bei den KünstlerInnen und den kreierten Werken als auch bei den KuratorInnen, InitiatorInnen etc. liegen kann.
Die Skulpturen bei den erwähnten Beispielen funktionieren weder als Erinnerungsorte für verstorbene namhafte KünstlerInnen, noch als zeitlich unbegrenzte Diskussionsgrundlage von Skulptur und Landschaft per se.
Das dänisch-norwegische Künstler-Duo Dragset & Elmgreen ironisiert genau diesen „Gehege“-Zustand mit einem eingezäunten „Park für unerwünschte Skulpturen“.[10] Die Frage mag berechtigt sein, wer denn die Skulpturen für unerwünscht erklärt und weshalb diese auch noch ausgestellt werden sollen.
Übrigens gibt es einen solchen „Park“ nahe der litauischen Hauptstadt Vilnius ernsthaft und tatsächlich, in dem Skulpturen, entstanden während der Zeit der ehemaligen Sowjetunion, ein zuhause gefunden haben, da sie aus dem öffentlichen Bild der Städte und Plätze verbannt wurden, aber auch nicht „verschrottet“ werden sollten.
Eine Reise zu gelungenen Beispielen von Landschaftskunst und „Skulptur und Landschaft“, im Sinne eines „Öffentlichen Kommunikationsraumes“[11], führt zunächst zu einem temporären Lichtskulpturenprojekt, welches im Jahr 2000 im Hamburger Stadtpark stattfand. Rainer Gottemeiers „Hamburger Firmamente“ ging der Idee nach, die Konstellation des Sternenhimmels über Hamburg und die des Stadtparks miteinander im Stadtparksee zu verbinden.
„Dadurch hat er zwei Firmamente miteinander verschmolzen.“ Gottemeier setzte verschieden große Leuchtbojen, die weißes und gelbliches Licht an deren Spitze abgaben auf den See „und schuf so ein drittes, künstlerisches Firmament. Dies ist aus bestehenden Realitäten präzis entwickelt. Es hat selbst aber in der Realität keine Entsprechung mehr.
Die Idee dieses Firmaments übersteigt das, was wir in der Naturlandschaft vorfinden. Dieses neue Firmament überführt uns in eine imaginäre Welt. Gottemeier schafft somit neuen Schein, neues Sehen und neue Emotionen: eine neue Wahrheit.“[12]
Auch die in Nord-Norwegen initiierte „Skulpturlandskap Nordland“[13] (zu dt.: Skulpturenlandschaft Nordland) 1992 bis 1998 sowie 2009 und 2010, bestückt mit 35, teils weit auseinander liegenden Skulpturen von 35 internationalen KünstlerInnen ist eines der raren Beispiele, wo Kunst und Landschaft ein tiefgreifendes und überzeugendes kausales Verhältnis eingehen.
Anhand von wenigen Exempeln lässt sich die Intension gut darstellen. Dan Grahams Pavillon-ähnliches Konstrukt „ohne Titel“ aus doppelt verspiegeltem Glas erscheint dem Besucher nicht als materiell vorhandene Skulptur, vielmehr als filigrane Fata-Morgana-Vision einer nordischen Luftspiegelung.
Wie herausgehoben aus der Welt kreiert sich ein gerahmtes Bild in der Landschaft – aus ihr selbst. Das narzisstisch daherkommende präzise Spiegelbild der Topographie hinterfragt Realitäts-, Orientierungs- und Wahrnehmungsebenen. „Das Kunstwerk ist sowohl ein Bild, ein Objekt und eine architektonische Form, vor allem aber ist es ein Ereignis.“[14]
Einen Ort mit extremen Wetter und starken Winden suchte die norwegische Künstlerin Sissel Tolaas für ihre Skulptur „Vindens hus“ (zu dt.: „Haus der Winde). Sie hat ein Werk geschaffen, welches sich allein über die Nutzung von Naturelementen konstituiert. In den Seitenwänden eines hohen Zylinders befinden sich Öffnungen verschiedener Größe mit Ventilatoren. Auf der weißen Außenhaut sind wissenschaftliche Bezeichnungen von Winden in verschieden großen Lettern angebracht.
Je nach Windstärke surren die Ventilatoren und pfeifen die Stürme durch die Öffnungen und ins Resonanzgebäude. Weder das skulpturale, Haus-ähnliche Gebilde noch die rotierenden Windräder, sondern einzig die namentliche Bezeichnungen der Winde geben dem Werk ein abstraktes, pseudowissenschaftliches und geistiges Moment.
In den Buchstaben und Namen verweist die Künstlerin auf eine gewisse Ortlosigkeit der Skulptur, auf einen ideellen Wert, denn die kräftigen Lüftchen sind rund um den Globus zu finden und in unterschiedlichsten Höhen.
Auch in Deutschland, im niedersächsischen Schneverdingen ist eine Landschaft mit seinen Kunstwerken eng verknüpft. Sie stammen von dem in Berlin lebenden dänischen Künstler Jeppe Hein. Seine sozialen Skulpturen haben ein funktionales Gegenüber. Sie erinnern zumindest daran, dass so etwas wie Benutzbarkeit in der Luft liegt. „Modified Social Benches“, nennt Hein einen Großteil seiner Sitzbank-vergleichbaren Außenskulpturen und Installationen.
Auch die skurrilen Werke auf einem ehemaligen Feldflugplatz und späteren Truppenübungsplatz für die britische und kanadische Armee. „Wo einst Militärflugzeuge und Panzer das Bild bestimmten wächst heute die größte zusammenhängende Sandmagerrasenfläche Norddeutschlands. Mit einer vielfältigen artenreichen Flora und Fauna“, heißt es in einer Beschreibung des Geländes.
Jeppe Heins Kunstprojekt „Parcours“ führt zu den wenigen noch vorhandenen Zeugnissen der militärischen Vergangenheit in der einst – und bis heute noch – Spuren der malträtierten Landschaft sichtbar sind. An der Panzerwaschanlage, dem ehemaligen Trafohaus, der Kläranlage und auf Panzerabstellfächen hat Jeppe Hein dreizehn seiner unterschiedlich gestalteten weißen Objekte teilweise sehr spielerisch oder gar versteckt platziert.
Als ob sie schon immer dort gestanden hätten suggerieren sie Historie, soziales Leben, Austausch und Benutzung. Hier erhält der Begriff „Möblierung“ einen anderen, positiven Wert.
http://www.gutgasteil.at/kunstinderlandschaft/
http://www.groedig.net/aktuelles/skulpturenweg-in-grodig-st-leonhard-entlang-der-konigsseeache
http://www.krastal.com (seit 2009 nicht mehr aktualisiert)
https://www.merano-suedtirol.it/de/lana-und-umgebung/betrieb/lana-skulpturenwanderweg-6124/
[1] Vgl.: https://www.bergfex.at/sommer/burgenland/touren/wanderung/61040,kunst-und-weinroute/
[2] Vergleiche: http://www.aloisschild.at/Park_Kramsach_01.html
[3] Vgl.: http://www.skulpturenradweg.at/de/kuenstler/index.asp
[4] HARTMANN, Wolfgang: Das Bildhauersymposium, in: Hartmann/Prokorny, 1988, S.10
[5] ROCHELT, Hans (Hg): Skulpturen auf dem Symposiumsgelände St. Margarethen, Wien (ohne Jahreszahl)
[6] Vgl.: Zitat Karl Prantl „Wenn die Ungarn Wachtürme aufstellen, stellen wir Kunst auf“
[7] Vergleiche: https://bildhauersymposion.wordpress.com/2011/10/04/anlasslich-des-todestags-von-karl-prantl-zur-schockierenden-gegenwart-auf-dem-symposionshugel/
[8] Vgl.: AIGNER, Silvie: Kontext Österreich. Zur Situation der Steinskulptur in der zeitgenössischen Kunst, Textauszug aus Impulsreferat, Worldpool Kongress, 10. 08.2007, S. 52
[9] Z.B.: https://www.museum-joanneum.at/skulpturenpark/skulpturen/plan-uebersicht
[10] Projekt Kunst-Landschaft des Kunstvereins Springhornhof in Neuenkirchen (Lüneburger Heide)
[11] WIMMER, Jeffrey; HARTMANN, Maren (Hg): Medienkommunikation in Bewegung: Mobilisierung – Mobile Medien – Kommunikative Mobilität, Wiesbaden, 2014, S. 93
[12] Vgl.: Dieter Wuttke, Eröffnungsrede im Hamburger Planetarium, 2000
[13] Vgl.: http://www.skulpturlandskap.no
[14] Zitat: JAUKKURI, Maaretta: Ohne Titel, Dan Graham (http://www.skulpturlandskap.no)
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