Kunst im Freien definiert den öffentlichen Raum
30.03.2022
Gesellschaft
30.03.2022
Gesellschaft
Kunst im Freien hat etwas Majestätisches. Vor dem Hintergrund von urbanen Landschaften und Stadtsilhouetten kann sie ein völlig neues Leben annehmen. Unter freiem Himmel ist die Kunst am zugänglichsten. Sie wird eingesetzt, um zu gedenken, zu feiern, zu schockieren, zur Auseinandersetzung einzuladen und den Raum im Freien zu definieren, den sie einnimmt.
Kunst muss schon lange nicht mehr an den Wänden von Museen und Galerien hängen, um Anerkennung zu erhalten. Unsere Welt ist eine riesige Leinwand. Kunst im öffentlichen Raum bewahrt das regionale kulturelle Gedächtnis zeitgenössischer Darstellung durch die Kunstschaffenden.
Wo man Kunst oft nicht erwartet, schafft sie die Vermittlung kultureller Werte, die im besten Fall die Gesellschaft ‚bildet‘ und mit ihr über das Kunstwerk in Kontakt kommt.
Dabei profitieren Kommunen und Städte, weil alles, was auffällt, auch der Imageförderung hilft. Oft jahrzehntelang, oft in medialem Wert gar nicht messbar, weil die Presseberichte auf globalem Niveau regelrecht explodieren. Städte und Gemeinden, die das erkennen und dieses Potential nutzen, profitieren neben diesem Imagegewinn auch vom wirtschaftlichen Nutzen und verstärkten Tourismus.
Als ich vor einigen Monaten mit dem Auto durch Lissabon fuhr, war ich beispielsweise von der Vielzahl an überlebensgroßen Kunstwerken, die ganze Hausfassaden füllten, überrascht. Die Motive reichten von gesellschaftskritisch bis skurrile Absurdität wilder Fantasien.
Die zahlreichen Wandgemälde internationaler Künstler sind längst zum Markenzeichen von Stadtvierteln geworden. Primär, weil sie graue Straßenzüge in urbane Kunstgalerien verwandeln.
Vielerorts auf der Welt hat Kunst das Stadtbild so verändert, dass es dem Ort einen neuen Charakter gibt. Junge Streetart-Künstler bringen in öffentlichen Malaktionen ihre Vorstellungen vom Leben, ihre Kritik über die gesellschaftspolitischen Umstände und ihre Sorgen zum Ausdruck.
Mit Murals, Street-Performances, Installationen und anderen Modifikationen des städtischen Alltags beeinflussen Künstler, wie wir Städte erleben. Ihre Werke beziehen Position und verändern mitunter sogar soziale Realitäten. Kunst macht Unsichtbares sichtbar und verbindet Menschen unabhängig von Herkunft, Status oder Milieu miteinander. All diese Fragen drängen sich auf, wenn man sich Gedanken um die Gegenwart und Zukunft der Städte macht.
Es sind gerade die offenen Räume, wie Parks, Plätze, Uferpromenaden oder Straßen, in denen sich schließlich die Widersprüche, Interessen und Bedürfnisse einer Stadtgesellschaft zeigen. Urbane Kunst kann Impulse setzen, um die städtischen Strukturen zu hinterfragen, zu kommentieren und neu zu erfinden.
Im Zuge des innerstädtischen Wandels, bei dem die Innenstädte ihre Strahlkraft als attraktiven urbanen Lebensraum einbüßen, ermöglicht Kunst im öffentlichen Raum oft, dass dieser Raum neu belebt wird und die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wir haben in verschiedensten Beiträgen auf stadtmarketing.eu über großartige Projekte und Installationen aus Österreich berichtet.
Hier eine kleine Auswahl:
Baden wird zur Stadt der Bildersprache
Im heutigen Beitrag haben wir uns bewusst nach aufregenden, überraschenden und fesselnden internationalen Kunstinstallationen umgesehen.
Hugh Haydens Brier Patch im Madison Square Park in New York ist ein Gitterlabyrinth aus 100 miteinander verbundenen Volksschulbänken. Jede davon ist mit Ästen durchbrochen und über vier Rasenflächen im Madison Square Park gruppiert.
Für Haydens Arbeit stellt der Dornbusch schließlich ein Kernelement aus Schutz und Gefahr dar und stellt Verbindungen zu den Unterschieden innerhalb des Bildungssystems und dem Ideal des amerikanischen Traums her.
Die Auftragsarbeit der Madison Square Park Conservancy ist bis zum 24. April 2022 zu sehen und wird folglich von öffentlichen Programmen begleitet, die sich auf das Geschichtenerzählen und die Bildung konzentrieren.
In Glasgow trafen sich Staatsoberhäupter und führende Denker zur COP26, um über die Zukunft unseres Planeten zu diskutieren. Der schottische Künstler Robert Montgomery hat dafür schließlich Grace of the Sun geschaffen, ein solarbetriebenes Lichtgedicht, das auf der UN-Klimakonferenz zur Nutzung erneuerbarer Energien aufrief.
Das Kunstwerk, das bis zum 12. November 2022 in Glasgows The Landing Hub zu sehen ist, besteht aus 1000 Solarleuchten des Künstlers Olafur Eliasson (Little Sun Lampe). Sobald das Werk abgebaut ist, werden die Blumenlampen nach Afrika geschickt, um Menschen, die südlich der Sahara ohne Strom leben, saubere und erschwingliche Solarenergie zu liefern.
Wie der Name schon sagt, ist Your Momma’s Voice in the Back of your Head eine Hommage an die Mutterschaft. Die Klangskulptur der in Miami lebenden Künstlerin Najja Moon wurde im Collins Park in Miami installiert und thematisiert die Rolle und Geschichte von Denkmälern. Es ist eine zeitgemäße Botschaft, die die Auswirkungen der Pandemie auf die Mutterschaft untersucht.
Aus multidirektionalen Lautsprechern, die in schillerndes dichroitisches Glas (Farbeffektglas, das durch Beleuchtung, Sonne, Wolken oder durch den Betrachtungswinkel seine Farbe ändert) gehüllt sind, ertönen schließlich von Müttern gesprochene Aussagen, wie „Don’t make me tell you again!“ oder „You can do anything you want, Baby!“.
Der Wandmaler Jo Hicks (professionell bekannt als Hixxy) hat in London ein besonders auffälliges Wandgemälde geschaffen, das ein Parkhaus umhüllt und kilometerweit zu sehen ist. Die Collage wird drei Jahre lang vor Ort sein. Sie stellt eine Hommage an die historischen Kanäle von Brentford, die einheimische Tierwelt und das Logo Brentford Football Club (Bienen) dar.
Das Wandbild von Hixxy ist auch ein Ausblick auf das Brentford-Projekt, das bis 2027 fertiggestellt werden soll: Die Hauptstraße und Wasserwege der Stadt werden beispielsweise durch Fußgängerzonen und Gassen sowie neue öffentliche Räume miteinander verbunden.
Hixxy erklärte: „Mein Ziel war es, ein aufmunterndes Bild zu schaffen, das von der lokalen Umgebung inspiriert ist und einem sehr grauen Gebäude Farbe und Leben einhaucht!
Das Künstlerduo Plastique fantastique zeigt mit #stayout aktuelle gesellschaftliche Spannungen auf, die einerseits erst durch die Coronavirus-Pandemie entstanden sind, andererseits aber auch erst an die Oberfläche gebracht und katalysiert wurden. Man stelle sich eine dystopische Gesellschaft vor, in der die Menschen dazu angehalten werden, in der Öffentlichkeit des Raumes in Blasen zu leben.
In dieser hypothetischen Gesellschaft sind die Häuser und die Luft so verseucht, dass die Menschen in temporäre, transparente aufblasbare Strukturen im Freien umziehen müssen. Die vertraute Aufforderung, die wir aus Pandemiezeiten kennen: #stayhome wird ins Gegenteil verkehrt: #stayout.
Zentrale Themen sind staatliche und gesellschaftliche Kontrolle versus Selbstbestimmung und Freiheit. Die Neugewichtung von privatem und öffentlichem Leben, der Wandel der Umwelt. Die Entstehung sozialer Rollenstrukturen, die Bedeutung von räumlicher Nähe und Distanz. Die Spannung zwischen Isolation und Kommunikation, zwischen Individuum und Gesellschaft.
Das Künstlerduo begegnet diesen Themen spielerisch. Es lädt Passanten und Besucher ein, das Szenario zu erleben, sich hineinzudenken und mit der Situation zu interagieren.
Wer lebt, sieht viel. Wer reist, sieht mehr. Weil ich seit Ankunft meines Sohnes meine intensive Reisetätigkeit stark reduziert habe, habe ich Stadtdramaturg Christian Mikunda nach seinen Lieblingsinstallationen im öffentlichen Raum befragt. Obwohl ich ihn zwischen Tür und Angel erreiche, sprudeln die Beispiele aus dem Meister der Stadtinszenierung wie eine Wasserfontaine.
„Der riesige Luchs auf dem Platz der Nationen in Lissabon schaut auf die Leute herab, als ob er sie gleich fressen würde“, sagt Christian Mikunda lachend. Er spricht auch über „die verrückten Kunst-Parkhäuser in Miami“ und die 10.000 LED Rosen von Zaha Hadid auf dem Dongdemun Design Plaza in Seoul.
Alle zwei Jahre wird der leere Sockel am Trafalgar Square in London zu einer Bühne für zeitgenössische Kunst. An jeder Ecke des Trafalgar Squares steht also je ein Sockel, von denen drei mit Standbildern historischer Persönlichkeiten geschmückt sind. Auf den beiden südlichen befinden sich die Generäle Napier und Havelock und im Norden steht ein Abbild von George IV.
Der zweite nördliche Sockel hingegen ist schon immer leer. Ursprünglich war eine Skulptur von William IV vorgesehen. Aufgrund fehlender Budgetmittel blieb der vierte Sockel jedoch jahrelang ungenutzt. Genau dieser Aspekt führte zu einer Art ‚Ausschreibung‘ für die regelmäßige künstlerische Nutzung des Sockels.
Titelbild: Kunst im öffentlichen Raum – Foto von Алексей Васильев von Pexels
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