Kompetenzen im Citymanagement: Jobdescription für das Unmögliche?
09.06.2023
Wirtschaft
09.06.2023
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Der derzeitige Fachkräftemangel erfasst auch das Feld des Stadtmarketings. Wenn eine Stadt derzeit eine Geschäftsführungsstelle zu besetzen hat, ist man meist fast schon froh, wenn sich überhaupt jemand meldet. Doch welche Kompetenzen im Citymanagement braucht es überhaupt? Was, wenn wir in den falschen Feldern nach Personal suchen?
Um zu verstehen welche Kompetenzen im Stadtmarketing gebraucht werden macht es Sinn einen Blick darauf zu werfen, wofür unsere Zunft dereinst gegründet wurde. So richtig Fahrt nahm Stadtmarketing in Deutschland und Österreich in den 80er Jahren auf.
Es war die Zeit, als mehr und mehr Städte begannen, Leitbilder und Strategiepapiere für ihren Standort zu entwickeln. Häufig geschah dies aus einem wachsenden Druck. Die berühmte »grüne Wiese« gewann an Bedeutung und zog mehr und mehr Kundschaft aus den Städten ab.
Der Tourismus wurde internationaler und die Konkurrenz größer. Der Glaube, es bräuchte jemand »der unsere Stadt bewirbt« führte so zu den ersten Stadtmarketing-Organisationen. Die Treiber waren daher auch häufig der Handel und der Tourismus.
Nicht, weil diese beiden Branchen die wichtigsten in einer Stadt wären. Sondern weil diese beiden Gruppen werbegetrieben und aktionistisch sind. In den 80er Jahren wäre beispielsweise keine Hochschule auf die Idee gekommen, es brauche eine Bewerbung der Stadt, um für StudentInnen attraktiv zu sein.
So kam es, dass Stadtmarketing über Jahrzehnte (und für viele heute noch) primär mit Werbung für Handel und Tourismus in Verbindung gebracht wird.
Mehr zur Geschichte des Dachverbands Stadtmarketing Austria lesen Sie in diesem Beitrag.
Dazu kam, dass häufig auch bestehende Organisationsformen der Handelsvereine (aufgrund der Rechtslage mit Tourismusverbänden seltener der Tourismus) als Organisation für das Stadtmarketing verwendet wurden.
Ehrenamtliche Vereine, die bis dato Veranstaltungen organisierten und Einkaufsgutscheine verteilten, stellten, meist unter finanzieller Beteiligung der Stadt, die berühmten „Kümmerer“ an, die sich ab dann um die Belange der Vereine und der Stadt kümmerten.
Heute gibt es die unterschiedlichsten Betreibermodelle im Stadtmarketing: GmbHs mit 100% Beteiligung der Stadt und solche mit einer Teilbeteiligung, Eingliederung in Tourismusverbände, eigenständige Vereine oder Abteilungen des Magistrats. Um nur die gängigsten zu nennen.
Es liegt auf der Hand, dass jeder Betreiber (und Eigentümerstruktur) unterschiedlichste Blickwinkel und Prioritäten verursacht. Doch gibt es, neben diesen ortsspezifischen Herausforderungen auch Fähigkeiten und Kenntnisse, die jede Geschäftsführung im Stadtmarketing braucht, um für die Stadt – und persönlich – erfolgreich zu sein?
Das Aufgabenfeld einer modernen Stadtmarketingorganisation orientiert sich an dem, was eine Stadt ausmacht. Hier hat STAMA Austria alle Felder aufgeführt, die grundsätzlich in Frage kommen. Wobei die wenigsten Standorte sämtliche Felder gleich stark abdecken.
Das hat einerseits mit unterschiedlichen Anforderungen zu tun, andererseits mit den bereits erwähnten unterschiedlichen Betreibermodellen. Eine Stadtmarketingorganisation, die zu 100% vom Handel finanziert wird, wird eher wenig Energie in Wissensmarketing oder Stadtentwicklung stecken, selbst wenn das die größten Painpoints des Standortes wären.
Ganz schön viele Aufgaben für eine Person. Da fragt man sich, welche Ausbildung nötig ist, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden? In Österreich gibt es keine Aus- und Weiterbildung für Citymanager wie sie etwa in Schweden, Deutschland oder England vorzufinden ist. Natürlich gibt es einschlägige Literatur zum Thema.
Wenn man aber verstehen will wie die Praxis funktioniert macht es Sinn, jene zu fragen, die die Praxis in Österreich seit Jahrzehnten prägen und prägten. Wir haben uns daher mit einigen »alten Hasen« der Zunft über ihre Erfahrungen unterhalten.
Aktuell liegt das Durchschnittsalter eines neubestellten Citymanagers bei 44 Jahren und einer durchschnittlichen beruflichen Gesamterfahrung von 19 Jahren. Bemerkenswert ist der wachsende Frauenanteil in Citymanager-Positionen. Österreichweit liegt dieser aktuell bei 56 Prozent, in Kärnten sogar bei 78 Prozent und in Oberösterreich bei 67 Prozent.
Interessanterweise gibt es bei der Besetzung der Positionen eine starke Tendenz zur Höherqualifizierung. Auf zehn Bewerbungsverfahren werden im Schnitt acht mit Kandidatinnen oder Kandidaten mit akademischen Hintergrund besetzt, zwei mit Nicht-Akademischen Hintergrund. Wobei sich die Frage stellt, welche Hochschulausbildung hierfür überhaupt hilfreich sein kann.
Denn man muss bei der Aufteilung zwischen „sozialen Fähigkeiten/emotionaler Intelligenz“ versus den „fachlichen Kenntnissen/rechtlichem Basiswissen“ eher von einer 65/35 Aufteilung ausgehen. Die meisten der im Stadtmarketing nötigen fachlichen Kenntnisse sind deutlich leichter erlernbar als soziale Fähigkeiten oder emotionale Intelligenz.
Je größer die Organisation, desto mehr klassische Managementerfahrung werden benötigt und desto weniger fachliches Detailwissen. Da unterscheidet sich das Stadtmarketing nicht von anderen Organisationsformen.
Eine Geschäftsführung einer GmbH mit mehreren Mitarbeitern sollte eine Bilanz lesen können, bei einem Zwei-Personen-Verein genügt die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.
Die größte Wirksamkeit entfaltet Stadtmarketing, wenn es gelingt, aktive Menschen in der Stadt zu vernetzen. Menschen, die an der positiven Entwicklung der Region interessiert sind. Diese AkteurInnen mit jenen Organisationen in Kontakt zu bringen, die an entsprechenden Hebeln sitzen, bringt jene kritische Masse zusammen, die positive Stadtentwicklung benötigt.
Doch was bringen die besten Fähigkeiten, wenn man selbst nach wenigen Monaten ausbrennt und hinschmeißt? Stadtmarketing zu betreiben ist erfüllend und sinnstiftend. Aber es ist auch enorm herausfordernd.
Diener vieler Herren zu sein, unterschiedlichste Interessensgruppen zu koordinieren und das zu unterschiedlichsten Tageszeiten und Wochentagen. Resilienz ist die Basis dafür, den Job länger als ein Jahr durchzuhalten.
Die Geschäftsführung einer Stadtmarketingeinheit innezuhaben bedeutet also viel mehr soziale Kompetenz denn Marketing-Know-how. Je nach Größe und Ausrichtung der Einheit braucht es dann zusätzlich fachliche Kompetenz in den entsprechenden Feldern.
Die höchste Relevanz im Stadtmarketing ist es aber, jene AkteurInnen zu vernetzen, zu befähigen und vor den Vorhang zu holen, die die Stadt zu dem machen, was sie jeweils ist. Und nur in jenen Feldern selbst aktiv zu werden, die noch brach liegen, für eine atmosphärische Stadtentwicklung aber gestaltet gehören.
Vermutlich ist der Begriff des »Stadtmarketings« für diese umfassende Tätigkeit dann nicht mehr der passende. Aber das ist eine andere Geschichte.
Für die Erstellung dieses Artikels konnte auf die Expertise mehrerer langjähriger Expertinnen und Experten zurückgegriffen werden. Danke an Inga Horny, Gerhard Angerer, Michael Gsaller, Roland Murauer und Heimo Maieritsch.
Titelbild: Stadtmarketing Austria DenkwerkStadt in der Propstei St. Gerold (c) Magdalena Türtscher
Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?
Weil wir gezeigt haben, dass „Miteinander“ mehr bringt. Im Miteinander machen Sie für Ihren Standort das Mögliche zum Machbaren. Wir unterstützen Sie dabei mit Know-how, das sich in der Praxis bewährt hat, mit Weiterbildung, die neue Perspektiven eröffnet sowie mit Erfahrungsaustausch, der Sie in Ihrer Rolle stärkt.
Formen Sie aktiv die Zukunft des Stadtmarketings!
Werden Sie Teil unserer dynamischen Gemeinschaft und nutzen Sie unsere vielfältigen Angebote zur fachlichen Weiterentwicklung und Einflussnahme.