Kinderfreundliche Stadtplanung
07.05.2019
Gesellschaft
07.05.2019
Gesellschaft
Wie der öffentliche Raum gestaltet ist, entscheidet darüber, ob wir uns in einer Stadt wohlfühlen oder nicht. Eine Stadt, in der sich Kinder entfalten können und Spaß haben, ist auch ein guter Ort für Erwachsene. Aber sind unsere Städte kinderfreundlich und was macht eine kinderfreundliche Stadtplanung aus?
Der öffentliche Raum ist das erweiterte Wohnzimmer der Stadtbevölkerung. So die Theorie. Das ist ein Ort, wo man einander begegnet, wo gespielt werden kann, wo Kommunikation zwischen Menschen stattfindet. Damit sind Nachbarn, Gleichgesinnte jeden Alters, Geschlechts, Hautfarbe und Interesses gemeint, sowie Menschen aus derselben oder anderen Kulturen, Besucher und Touristen.
Je größer und dichter Städte werden, umso wichtiger ist es, dass Wohnstraßen zu Lebensräumen werden. Die Straße wird dann von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern für Gespräche, Spiele, Gartenarbeiten und Spaziergänge genutzt.
Kinder haben das starke Bedürfnis, unmittelbar vor ihrer Haustür zu spielen. Früher bewegten sich Kinder in der Nachbarschaft noch ohne Begleitung von Erwachsenen und knüpften Kontakte. In der Hausanlage strickte Frau U. aus dem ersten Stock Barbiepuppen-Kleidung für die 5-jährige Daniela, Herr K. aus dem zweiten Stock reparierte ihr Kinderfahrrad, Frau G. lud das Mädchen zum Kuchenbacken ein.
Wenn Danielas Eltern abends mal Pläne hatten, schlief sie am Sofa der Nachbarin aus dem Dachgeschoß ein. Daniela und ihre Freunde waren schon von klein auf stundenlang unterwegs, ohne sich zwischendurch zu melden (weil es in den 80er Jahren weder Mobiltelefone noch Internet gab).
Die Zeiten haben sich geändert. Höhere Mieterfluktuation, gesellschaftliche Durchmischung und viele andere Unsicherheiten stellen die Bevölkerung und Stadtverantwortlichen vor Herausforderungen.
Dipl.-Ing. Daniela Allmeier vom Büro Raumposition für Stadt- und Regionalplanung dazu: „Bei der Gestaltung unserer Städte geht es immer auch darum, unterschiedliche Bedürfnisse unter Interessenslagen einer heterogenen Stadtgesellschaft zu berücksichtigen – darunter natürlich auch jene von Kindern und Jugendlichen.
Arch. Dipl.-Ing. Markus Spiegelfeld, Architekt in Wien und Gründer der WERKSTATT Wien konkretisiert dies: „Kinder sind unsere Zukunft. Ihre Meinung und ihr Wohlfühlen sind essentiell für die gesamte Lebensqualität einer Stadt! Grünflächen & Spielplätze sind Oasen, die allen zu Gute kommen. Eine Stadt, in der sich Kinder wohl fühlen, ist für alle Generationen lebenswerter. Von jungen Familien, Großeltern bis hin zu Touristen.“
Die zunehmenden Begegnungszonen in ganz Österreich eröffnen viele neue Nutzungsmöglichkeiten, auch für junge Stadtbewohner. „In Wien passiert dies auch in sehr urbanen und zentralen Lagen der Stadt, denkt man beispielsweise an die neugestaltete Mariahilferstraße in Wien.“, sagt Allmeier. „Diese wird besonders an Wochenenden zum Treffpunkt für Familien. Hier wird gespielt, Musik gehört, oder einfach auch nur „abgehängt“.“
Kinder, die in Städten wohnen, sind natürlich weniger privilegiert als Landkinder, wenn es um Natur, gute Luft, Verkehr und Sicherheit (zumindest das Gefühl, sicher zu sein) geht.
Gisèle Legionnet-Klees, Designerin und Pädagogin mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Technologie, Innovationslead at active value GmbH, Initiatorin von Kinder Designathon in Deutschland sowie Mitglied im Makerspace Garage Lab eV. antwortet: „Die Demonstrationen der Bewegung Fridays for Future sind ein gutes Beispiel dafür, dass Kinder sichtbar sein wollen und die Zukunft mitgestalten möchten.
Die Auseinandersetzungen mit Schulbehörden wegen unerlaubtem Streik zeigen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht dazu beitragen, dass die Schüler sich engagieren können.
Auch die Städte Europas tun gut dabei, ihre Kinder und Jugendlichen aktiv an der Gestaltung von Politik und Umwelt zu beteiligen. Gerade die Klimakrise bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit für neue Planungen und Konzepte, die von Kindern und Jugendlichen initiiert werden können und sollten.“
Legionnet-Klees listet folgende Beispiele als Referenz auf:
Stärkung der Kinderrechte https://www.zeit.de/2017/13/das-sind-deine-rechte-kinder-sachbuch
Kinderbüro https://www.jbw.de/menue/arbeitsbereiche/kinderbuero/
Eigenes Informationsportal für Jugendliche: https://www.youpod.de/
„Für Touristen, junge Familien und Expats, die für Jobs extra in ein anderes Land ziehen, ist es unabdingbar, dass eine Stadt kinderfreundlich ist und ihre Kinder sich dort wohlfühlen“, sagt Spiegelfeld.
Die Ausdehnung des Bewegungsradius außerhalb der Wohnung entlastet den Familienalltag. Die Kontakte unter den Eltern nehmen zu. Bei Kindern und Erwachsenen verstärkt die Zufriedenheit mit der Wohnsituation die Identifikation mit dem Wohnort und das Verantwortungsbewusstsein für das Wohnumfeld.
Das wirkt sich einerseits auf kinderlose Nachbarn und anderseits auf ältere Menschen aus, sie fühlen sich dann sicherer im sozialen Umfeld.
Stadtplanungspapst Jan Gehl wurde vor einigen Jahren vom Wirtschaftsmagazin brand.eins gefragt, woran man die Lebensqualität einer Stadt erkennt. Er antwortete damals: „Schauen Sie, wie viele Kinder und alte Menschen auf Straßen und Plätzen unterwegs sind.“
Warum sind ausgerechnet Kinder und Senioren Indikatoren, fragte der brand.eins Redakteur. Gehl: „Ich traf kürzlich eine Vietnamesin, die gerade von einem Urlaub in Dänemark zurückgekehrt war. Sie meinte, es gäbe wohl einen Babyboom in Kopenhagen, weil man überall in Kopenhagen Eltern mit Kinderwagen und selbst Fünfjährige auf dem Fahrrad sehen würde.
Dabei haben wir überhaupt keinen Babyboom, ganz im Gegenteil. Aber Kopenhagen ist so kinderfreundlich und sicher, dass wir unsere Kinder auf die Straße schicken. Gleiches gilt für die Älteren, von denen es immer mehr gibt. In anderen Städten ist es für Kinder und Senioren viel zu gefährlich im öffentlichen Raum.“
1968 entstand in Stockholm ein experimenteller Spielraum im Rahmen einer legendären Ausstellung mit dem Namen «Modell für eine qualitative Gesellschaft». Die Idee, Kindern nur Werkmaterialien, Holz und Schaumstoff bereitzustellen, stammte von Palle Nielsen. Der Künstler hatte zuvor in Kopenhagen illegale Aktionen für freie Spielflächen im öffentlichen Raum initiiert.
Es ist nicht überraschend, dass ein erster «Gerümpel-Spielplatz» 1943 im dänischen Emdrup entstand, wo doch der Erziehungsgedanke in der skandinavischen Welt das «Learning by Doing»- Prinzip propagiert.
In der Schweiz verbreiteten sich «Robinson-Spielplätze» nach dem Modell des 1953/54 in Zürich Wipkingen eröffneten Erstlings. Dass sich Kinder und Jugendliche ohne Verbote als Baumeister austoben können, forderten die Robinson-Spielplatz-Erfinder, Alfred Ledermann und Alfred Trachsel. Kinderfreundliche Stadtplanung als Vision, die sich über kreative Spielplätze definiert.
Offene Spielflächen, von Kindern autonom gestaltet, und phantastische Kunstwerke, mit denen gespielt werden darf: Sie stellen konträre Ansätze dar, Kreativität und Geschicklichkeit zu fördern.
Jeremia (5 Jahre) sagt: „Wenn ich eine Stadt bauen könnte, gäbe es viel mehr Spielplätze mit coolen Klettergerüsten.“
„Monstrum“ ist eine dänische Firma, die richtig kreative Spielplätze entwirft. Die ehemaligen Bühnenbauer nutzen ihre Fantasie und ihr Know-how mit Holz, um bekletterbare Abenteuerlandschaften zu bauen.
Titus (7) sagt: „Ich würde eine Stadt bauen, die keine Straßen hat. Das Gesetz lautet: In der Stadt dürfen keine Autos fahren. Die dürfen in der Stadt auch nicht verkauft werden. Dann gibt es auch keine Unfälle. Die Leute parken vor der Stadt und fahren mit dem Zug in die Stadt oder gehen zu Fuß. Meine Stadt sollte sich klein anfühlen, wie ein Dorf. Meine Traumstadt ist vor allem eines: umweltfreundlich und materialschonend.“
Er wünscht sich mehr Baustellen, weil es interessant sei, den Baumaschinen zuzusehen. „Es sollen überall Fußbälle herumliegen. Die Menschen wohnen in kleinen Holzhütten rund um die Spielplätze.“, sagt Paul. Und: „Die Hütten sind aus Süßigkeiten und Schokolade gebaut.“
Louisa (7): Meine Stadt hat keine Autos und nur freundliche Menschen. Es wird keine Roboter geben, weil die Batterie von denen dauernd leer wird. Man kann sich auch nicht auf Roboter verlassen. Kühe, Hasen und andere Tiere laufen einfach in der Stadt herum. Ich kann die Tiere streicheln, denn sie sind kinderfreundlich.“
Matthäus (10): Ich wünsche mir eine Stadt, in der ich überall bargeldlos bezahlen kann. Die ganze Stadt soll ein Spielplatz sein. Überall in der Stadt gibt es Rutschen und Schaukeln oder was zum Klettern. Es gibt keine Straßen. Die Menschen wohnen in Hotels. Es gibt auch keine Räuber. Daher braucht man keine Polizei mehr. Wenn es regnet, fallen Süßigkeiten vom Himmel. Mülldeponien braucht die Stadt nicht, weil sich der Müll einfach in Luft auflöst. Dafür gibt es eine App.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stadt der Zukunft autofrei sein sollte und sich Städte als Spielplatz positionieren sollten. Die Kinder wünschen sich auf alle Fälle mehr Natur in der Stadt. Der elterliche Drang, Süßigkeiten zu verhindern, stößt sich noch mit dem Wunschbild der Kinder.
Dass sich die Beteiligung von Kindern an der Gestaltung ihrer Stadt lohnt und neue Impulse für Städteplaner entstehen, hat kürzlich ein weltweites Projekt gezeigt: Beim Global Children Designathon 2018 für Kinder im vergangenen Jahr suchten Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren nach Lösungen für die Stadt der Zukunft. Unter anderem entstanden dabei folgende Ideen:
Das Team Oliver (10), Lucas (10) & Leon (8) nahm das Thema Luftverschmutzung auf: Die Straßenoberfläche einer ‚grünen Brücke‘ nimmt die Sonnenenergie und die Reibung von Autoreifen auf und speichert sie in Batterien.
Das ist der eigentliche Kern aller Debatten um eine kinderfreundliche oder -generationengerechte Stadt. Wir kommen einer „Stadt für alle“ nur dann näher, wenn eine konstruktive und qualitätsvolle Stadtgestaltung „mit allen“ möglich ist – und auch Stadtplaner nicht „für alle“ planen müssen, sondern „mit allen“ gestalten können.
Warum sich bereits mehr als achtzig Standorte in Österreich als Mitglieder beim Dachverband Stadtmarketing Austria austauschen?
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