Brauchen wir mehr Hochhäuser in Österreich?
23.03.2017
Architektur, Wohnen
23.03.2017
Architektur, Wohnen
Immer häufiger entstehen in Österreich Hochhäuser, die zu Wohnzwecken dienen. Wie gut eignen sich die Giganten zur städtebaulichen Verdichtung? Und welche Rolle können sie im Stadtbild spielen? Wir haben uns in Österreich umgesehen.
Der Drang der Menschen in die Städte ist auch in Österreich unaufhaltsam. Im Jahr 2015 lebten in Österreich rund 66 Prozent der Bevölkerung in Städten. Führend ist Wien – als flächenmäßig kleinstes Bundesland und Bundeshauptstadt in Union.
Eine Bevölkerungsprognose der Statistik Austria sagt voraus, dass die österreichische Bevölkerung bis 2030 um 706.000 Personen anwachsen wird – also von 8,5 Millionen auf 9,2 Millionen Menschen. Der Löwenanteil wird dabei auf die Landeshauptstädte und deren Umland entfallen. Zu den am stärksten wachsenden Regionen zählen sieben Wiener Gemeindebezirke – nämlich der 22., 21., 10., 2., 15., 6. und 20. Bezirk – sowie Innsbruck-Stadt, Graz und Schwechat. Den größten Anstieg erwartet der Bezirk Wien-Donaustadt, dem ein Wachstum von 27,2 Prozent bis 2030 prognostiziert wurde.
Da all diese Menschen zwar mehr werden, die Fläche aber gleich bleibt, ist es unausweichlich, sich damit auseinander zu setzen, inwieweit die Verdichtung der Städte in vertikale Richtung erfolgen kann, wenn die horizontale Verbreiterung der Städte an ihre Grenzen stößt. Sind Hochhäuser hier die Rettung?
1. Braucht eine Stadt aufgrund ihrer Wirtschaftsentwicklung oder Baulandverknappung neue Hochhäuser?
2. Können diese für einen konkreten Ort besondere Synergien, Mehrwerte und städtische Vielschichtigkeit erzeugen?
3. Wie sind die Bauten hinsichtlich der Eingliederung in das Stadtbild und der landschaftlichen/architektonischen Gegebenheiten im Umfeld zu beurteilen?
Die Trends im Städtebau lassen – vor allem in Wien – bereits klar erkennen: Hochhäuser und hohe Häuser werden bald nicht mehr nur vor allem für gewerbliche Zwecke oder als Prestigegebäude Verwendung finden, sondern in bestimmten Arealen der Städte immer mehr zum Fixpunkt im Wohnungsbau werden.
Ein aktuelles Beispiel ist der Marina Tower in Wien, der in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien errichtet wird. Über 500 Miet- und Eigentumswohnungen werden am Wiener Handelskai direkt am Wasser und nahe des Yachthafens Marina entstehen. Während die Investitionskosten bei rund 200 Millionen Euro liegen, werden die Wohnungen in etwa für 12 Euro netto pro Quadratmeter vermietet werden.
Ein ähnliches Projekt wurde im Frühsommer 2015 fertiggestellt. Der Leopoldtower ist mit 80 Metern 15 Meter höher als das Wiener Riesenrad. Er beherbergt rund um das integrierte Einkaufszentrum „Citygate“ im 21. Bezirk gleich 250 Wohnungen.
Weitere Projekte sind in Wien bereits in der Umsetzung. Zum Beispiel ein Tower mit 313 Wohnungen und einem integrierten Kindergarten am Monte Laa direkt an der U-Bahn U1. Das Wohnprojekt MySky wird 66 Meter hoch in den Himmel ragen und Eigentumswohnungen mit Flächen zwischen 45 m2 und 145 m2 anbieten. Der Gebäudekomplex besteht aus einem 20-stöckigen Tower und einem neungeschossigen Hochhaus. Beide Teile sind durch einen Flachbau mit Dachterrasse miteinander verbunden.
Das Wohnungsangebot teilt sich auf in 128 frei finanzierte Eigentumswohnungen, 100 geförderte Mietwohnungen und 85 Studentenappartements. Bei MySky wird es eine Vielzahl an Gemeinschaftsräumen geben wie zum Beispiel eine große Lobby, einen Partyraum, einen Wellnessbereich mit Sauna, einen Fitnessraum und diverse Freibereiche. So soll das Wohnen vor allem für junge Menschen und Familien attraktiv sein. Ende 2017 soll der Tower bezugsfertig sein.
Die Bundeshauptstadt erlebt ob der Grundstücksknappheit und der Bevölkerungsentwicklung einen neuen Boom im Hochhausbau. Während in der Nachkriegszeit Hochhäuser nur vereinzelt für Massenunterbringungen errichtet wurden – wie zum Beispiel die Projekte Am Schöpfwerk oder Alt Erlaa – entstanden sie ansonsten vor allem an Prestigestandorten und dienten hauptsächlich gewerblichen Zwecken. Lebende Beispiele dafür sind der Ringturm oder das Hotel Hilton am Stadtpark. Nach der Ostöffnung im Jahr 1989 setzte um die Jahrtausendwende die eigentliche Hochhausentwicklung ein. Dies jedoch vorerst auch vor allem für die Unterbringung von Büro-, Hotel- und Dienstleistungsflächen.
Da die hohen Bauten bislang eher konzeptlos in die vorhandene Wohn- und Bürolandschaft hineingestellt wurden, wurden für die Stadtentwicklung im Jahr 2001 erstmals Hochhausleitlinien erarbeitet. Im Jahr 2014 wurde im Rahmen des Stadtentwicklungsplans STEP 2025 von Prof. Christoph Luchsinger an der TU Wien erstmals ein eigenes Fachkonzept für Hochhäuser erstellt und im Wiener Gemeinderat beschlossen.
Da Wien aufgrund seiner städtebaulichen Stimmigkeit schon immer eine vorsichtige Haltung gegenüber Hochhäusern eingenommen hatte, wurde in diesem Konzept mitunter festgehalten, dass Hochhäuser „mit ihrer herausragenden physischen Präsenz im Stadtbild nicht einzelnen, sondern möglichst allen Stadtbürgerinnen und -bürgern dienen sollen.“
Als sichtbare architektonische Zeichen sollen Hochhausentwicklungen in nachhaltiger Art und Weise zur Aufwertung des Umfeldes beitragen. Im Konzept wird zwischen Hohen Häusern (26-35 m Höhe) und Hochhäusern (ab 35 m Höhe) unterschieden. Die Stadt Wien wird in sechs Bereiche unterteilt, wobei die hohen Bauten in jedem dieser Stadtteile eine andere Rolle zuteil wird. Auch der Windwirkung und den Freiflächen wird nun größere Bedeutung beigemessen. Die frühzeitige Berücksichtigung der Windwirkung hat den großen Vorteil, dass die Pläne in einem interaktiven Prozess noch angepasst werden können, sofern die erste Analyse eine ungünstige Windsituation ergibt.
Hochhäuser müssen in Wien jetzt unterschiedliche Kriterien erfüllen – wie beispielsweise eine sehr gute Belichtung und Belüftung der Aufenthaltsräume, Lärm- und Sichtschutz, allgemeine Begegnungsbereiche um der Anonymisierung entgegenzuwirken, diverse Freiflächen für unterschiedliche Zielgruppen, quartiersbezogene Angebote, Spiel und Sport, Funktionalität und gestalterische Qualität der Fassadenbegrünungen uvm.
Die Stadt Wien zeigt in ihren städtebaulichen Grundkonzepten und Stadtentwicklungsplänen das polare Verständnis der Stadt: Erinnerung versus Utopie, Bewahrung versus Erneuerung, Schrumpfung versus Wachstum, Konzentration versus Erweiterung, Zentralität versus Dezentralität, Isolation versus Öffnung sowie Auflockerung versus Verdichtung. „In der bewussten Verschiebung der Gewichte innerhalb dieser Spannungsfelder – in der Akzeptanz von Gleichzeitigkeiten und Widersprüchen − liegt jetzt die planerische Chance Wiens, an den neuen Randbedingungen gemessen eine veränderungsfähige und verdichtete Stadt zu werden“, so die Gesichtspunkte, unter denen auch das Roland-Rainer-Forschungsstipendium 2012 vergeben wurde.
(Vgl. dazu: „Die veränderungsfähige und verdichtete Stadt. Untersuchungen zur städtebaulichen Aufwertung Wiens durch Nachverdichtung in der Ära dosierten Stadtwachstums“; Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, Wien)
Lesen Sie hier: Hochhaus, nein danke? Die Rolle der Hochhäuser in internationalen Metropolen
Nicht nur in Wien, auch in anderen Landeshauptstädten ist das Hochhaus ein Dauerthema. So haben auch Graz und Innsbruck ein eigenes Hochhauskonzept erstellt, die festlegen, in welchen Stadtteilen mittels Hochhäusern verdichtet werden kann und soll. In Graz etwa ziehen jedes Jahr 5.000 neue Menschen zu. Demnach soll sich die Bevölkerung bis 2015 von derzeit 287.000 mit Hauptwohnsitz bis zum Jahr 2050 auf knapp 500.000 fast verdoppeln.
In Salzburg gibt es zwar schon Jahrzehnte alte Bauten wie zum Beispiel die Zyla-Türme oder das Hotel Europa am Hauptbahnhof. Grundsätzlich aber sind die Salzburger nicht sehr aufgeschlossen gegenüber neuen und modernen Bauten. Das liegt wohl auch daran, dass Salzburg aufgrund seiner Historie und seiner Einbettung in die Landschaft vergleichsweise wenig geeignet für bombastische Bauten ist. Schon Gebäude, die an der 25-Meter-Marke kratzen, sind den Salzburgern ein Dorn im Auge. So hatte beispielsweise schon die Präsentation der Pläne für die neuen Gebäude auf dem Gelände der Riedenburg-Kaserne für Aufruhr unter den Anrainern gesorgt.
Dennoch sind herausragende Projekte schon in Planung. Im Stadtteil Itzling sollen auf den ehemaligen Grundstücken von ÖBB und Post gleich mehrere Hochhäuser entstehen.
Hochhäuser und hohe Häuser spielen zunehmend im Wohnungsbau eine entscheidende Rolle. Trotz oder gerade wegen der fehlenden Tradition der vertikalen Verdichtung in Österreich, setzen sich Städte zunehmend damit auseinander, ob und wie sich Hochhäuser in ihr Stadtentwicklungskonzept integrieren lassen. Sofern die herausragenden Gebäude möglichst vielen Menschen einen Mehrwert bieten und sich möglichst gut in das landschaftliche und architektonische Stadtbild eingliedern lassen, sind sie durchaus ein hocheffizientes Mittel zur städtebaulichen Verdichtung.
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