Was ein Gestaltungsbeirat in kleinen Städten bewirken kann und worauf Sie achten sollten

01.12.2020
Architektur

In vielen Gemeinden herrscht nur eine vage Vorstellung davon, welche Aufgaben ein Gestaltungsbeirat wahrnimmt und was er für die Stadt leisten kann. Ein Beitrag am Beispiel von Sankt Valentin.

Gestaltungsbeirat

In vielen Gemeinden herrscht nur eine vage Vorstellung davon, welche Aufgaben ein Gestaltungsbeirat wahrnimmt und was er für die Stadt leisten kann. Am Beispiel von Sankt Valentin möchte ich in meiner Funktion als Stadtmarketing-Leiterin die Möglichkeiten des Gestaltungsbeirates aufzeigen und meine Erfahrungen seit Installation des Beirats vor fünf Jahren einfließen lassen.

Gestaltungsbeiräte in Österreich

Gestaltungsbeiräte werden in Österreich seit den 1980er Jahren eingerichtet. Derzeit gibt es in den 2.100 österreichischen Gemeinden rund sechzig Gestaltungsbeiräte.

In der 2018 präsentierten Studie der Architektenkammer zu Gestaltungsbeiräten wird offenkundig, dass diese in einem starken Ost-West-Gefälle verteilt sind. So hat etwa Vorarlberg in Relation zu anderen Bundesländern österreichweit eindeutig die größte Anzahl und höchste Dichte an Gestaltungsbeiräten.

Gestaltungsbeirat: Regionale Verteilung
Regionale Verteilung der Gestaltungsbeiräte in Österreich, Mitgliederbefragung Architektenkammer, März 2018

Der Gestaltungsbeirat als Begleiter der Stadtentwicklung

Der Gestaltungsbeirat erstellt unabhängige Gutachten bzw. Empfehlungen im Zuge konkreter Planungsvorhaben, um die Baubehörde in ihrem Bemühen zu unterstützen, die ortsbauliche und architektonische Qualität des Bauens zu verbessern.

Gestaltungsbeiräte sind somit ein effektives, nichtamtliches Instrument zur Förderung der qualitativen Stadtentwicklung, die immer dann tätig werden, wenn etwas in Hinblick auf Ortsentwicklung besonders heikel erscheint.

Die wichtigsten Aufgaben des Gestaltungsbeirates lassen sich wie folgt umreißen: 

  • Beratung: Unabhängige Beratung von Bauherren, Planern sowie öffentlichen Institutionen bei Bauvorhaben (Bürgermeister, Baubehörde).
  • Bewahrung: Bewahrung der Qualität des Ortsbildes und der Architektur.
  • Verbesserung: Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung des Stadtbildes auf Basis hoher architektonischer Qualität.
  • Konfliktentschärfung: Frühzeitiges Erkennen und Entschärfen von möglichen Konflikten im Rahmen von Bauverfahren.
  • Gegensteuerung: Rechtzeitige Gegensteuerung zu Fehlentwicklungen (z.B. Sanierungen fördern, um Leerstand in Innenstädten zu reduzieren).
  • Konfliktvermeidung: Weniger konfliktreiche Entscheidungen durch sachlich fundierte Begründungen.

Eine relevante Frage in diesem Zusammenhang ist natürlich auch, wie verbindlich die Gutachten des Gestaltungsbeirats sein sollen. Das kann letztlich jede Gemeinde nur für sich selbst bestimmen.

In der Praxis sind lediglich in wenigen Fällen die Entscheidungen des Beirats politisch bindend. In Sankt Valentin und den meisten anderen Gemeinden stellen die Gutachten eine Empfehlung dar, die meist auch übernommen wird. Die Baubehörde gibt die letztgültige Zustimmung.

Die Statuten des Gestaltungsbeirates

Die Arbeit der Gestaltungsbeiräte in den Gemeinden unterliegt individuellen Regelungen, d.h. es obliegt den Gemeinden, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Die Erstellung einer Geschäftsordnung ist nicht zwingend erforderlich, wird aber von den meisten Gemeinden in Form von Statuten umgesetzt.  

Im Zuge der Ausarbeitung der Statuten kann es durchaus hilfreich sein, sich an bereits bestehenden Statuten etablierter Gestaltungsbeiräte oder den Musterstatuten von D.I. Paul Raspotnig zu orientieren.  

In Sankt Valentin haben wir beispielsweise Teile der Statuten von Krems, Linz und Steyr an die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Stadt angepasst. Im Wesentlichen sollten die Statuten folgende Regelungen enthalten:

  • Einrichtung des Gestaltungsbeirates: Einsetzung, gesetzliche Grundlagen, Zielsetzungen, Aufgaben.
  • Bestimmung der Geschäftsstelle: Administrative Abwicklung des Gestaltungsbeirates, Sitzungen, Schriftverkehr, etc.
  • Festlegung des Wirkungsbereiches: Bau- und Planungsvorhaben, die unter die Zuständigkeit des Gestaltungsbeirates fallen.
  • Sitzungen: Einberufung, Intervalle, Teilnehmer, öffentlich/nicht-öffentlich, etc.
  • Beschlussfassung: Beschlussfähigkeit, Abstimmung, etc.
  • Zusammensetzung der Mitglieder: Anzahl, Qualifikation, Herkunft, Befangenheit, Verschwiegenheit.
  • Mitglieder: Bestellung und Funktionsdauer der Mitglieder, Kostentragung und Vergütung an Mitglieder

Die überwiegende Anzahl der Gestaltungsbeiräte in Österreich besteht aus drei Mitgliedern, wobei der Anteil der Architekten im Schnitt 80 Prozent beträgt.

Ausschlaggebend für eine Begutachtung durch den Beirat ist meist die Größe eines Projektes oder seine Bedeutung für das Stadtbild. Ein Einfamilienhaus in zweiter Reihe wird daher selten der Bewertung durch den Gestaltungsrat unterliegen.

Wie arbeitet der Gestaltungsbeirat?

In den Statuten ist festgelegt, welche Bauvorhaben dem Gestaltungsbeirat zur Begutachtung vorgelegt werden müssen. Sobald alle Vorfragen abgeklärt sind, werden die Bauprojekte dem Gestaltungsbeirat zur Bewertung vorgelegt. Die grundsätzliche Arbeitsweise des Gestaltungsbeirates läuft in der Regel wie folgt ab:

  • Ortsaugenschein: Die Gestaltungsbeiräte begehen den Platz bzw. Ort, an dem eine bauliche Veränderung stattfinden soll.
  • Projektvorstellung: Planer und Bauherr werden eingeladen, das Bauvorhaben dem Gestaltungsbeirat im Rahmen einer Sitzung vorzustellen. Die Anzahl der Sitzungen pro Jahr ist bedarfsabhängig (meist drei bis vier pro Jahr).  
  • Begutachtung: Das Projekt wird begutachtet und das Resultat im Anschluss dem Planer und Bauherrn bekanntgegeben.
  • Wiedervorlage: Bei festgestellten Mängeln sind neuerliche Vorlagen an den Gestaltungsbeirat möglich.

In Sankt Valentin legen etwa 90 Prozent der Bauwerber bei der Projektvorstellung bereits einen fertigen Plan vor. Davon gehen rund zwei Drittel in Wiedervorlage, die komplette Ablehnung eines Projektes ist sehr selten.

Die überarbeiteten Pläne und Unterlagen werden dann aber nicht in einer Sitzung besprochen, sondern an den Gestaltungsbeirat per Mail zur Begutachtung und Freigabe geschickt.

Der optimale Ablauf

Grundsätzlich wäre die idealste Herangehensweise aus meiner Sicht, wenn Bauherren bereits vor der Planung mit dem Gestaltungsbeirat Kontakt aufnehmen und das Projekt besprechen würden.

Das gilt insbesondere für umfangreichere Projekte, da hier oft funktionelle Aspekte gegenüber dem architektonischen Design im Vordergrund stehen. Sind die Pläne einmal fertiggestellt, dann sind Änderungen nur mehr in begrenztem Maße möglich.

Im Frühjahr diesen Jahren haben wir zum Beispiel in Sankt Valentin mit zwei Investoren noch vor der ersten Planung gemeinsam Nutzungsideen für ein großes Gebäude inmitten einer erhaltenswerten 40er-Jahre Siedlung entwickelt. Auf diese Weise konnten schon im Vorfeld Bausünden vermieden und eine sinnvolle Nutzung in Zusammenarbeit mit der Gemeinde ausgearbeitet werden.

Was Sie bei der Installation des Gestaltungsbeirates beachten sollten

Bei der Installation ist darauf zu achten, dass der Gestaltungsbeirat nicht als Hemmnis, sondern als konstruktiver Partner im Planungsprozess angesehen wird. Sowohl Bauherren als auch Planer haben zu Beginn oft keine Vorstellung davon, was auf sie zukommt.

Die Befürchtung, es könnte sich um einen Verhinderungsbeirat handeln, kommt schnell auf. Es braucht daher Zeit und stetige Überzeugungsarbeit, um als Berater akzeptiert zu werden, dessen Empfehlungen willkommen sind.

1. Das Bauamt als Partner gewinnen

Der Gestaltungsbeirat arbeitet sehr eng mit der Baubehörde zusammen. Bevor Sie einen Gestaltungsbeirat installieren, sollten Sie daher das Bauamt ins Boot holen. Schließlich bedeutet ein Gestaltungsbeirat für das Bauamt zusätzlichen Aufwand in Hinblick auf Vorbereitung, Kommunikation und Abwicklung.

2. Die richtige Auswahl der Mitglieder

Mitglieder des Gestaltungsbeirates sollten unabhängig von Politik und Verwaltung agieren sowie unbefangen in Bezug auf wirtschaftliche oder sonstige persönliche Interessen sein. Folgende Punkte empfehle ich daher, bei der Auswahl der Mitglieder zu bedenken:

  • Dauer: Die Bestellungsdauer sollte begrenzt sein, um zu verhindern, dass eine bestimmte Argumentationslinie im Laufe der Jahre zu einer Betriebsblindheit in der Entscheidungsfindung führt. In Sankt Valentin und vielen anderen Gemeinden dauert die Funktionsperiode drei Jahre.
  • Tätigkeit: Mitglieder des Gestaltungsbeirat sollten während ihrer Bestellungsdauer in der Stadt keine Bauvorhaben umsetzen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
  • Herkunft: Auswärtige Architekturexperten sind vorzuziehen, da sie lokal unabhängig sind und einen objektiven Blick von außen haben.
  • Persönlichkeit: Im Sinne einer gut funktionierenden Kommunikation sollten die Beiratsmitglieder nicht nur ihr Fachgebiet beherrschen, sondern auch gut und verständlich argumentieren können. Die Kommunikation des Gestaltungsbeirates sollte auf Augenhöhe erfolgen, die Tätigkeit des Gestaltungsbeirats als Hilfestellung aufgefasst und nicht als Verhinderung oder „Schulmeisterei“ wahrgenommen werden. Dazu braucht es entsprechende kommunikative Fähigkeiten eines Gestaltungsbeirats – denn Empfehlungen sind nur akzeptabel, wenn sie nachvollziehbar sind.
  • Heterogenität: Neben der architektonischen Gestaltung stehen bei Bauprojekten auch immer wieder funktionelle Aspekte im Fokus. Ein guter Mix von praktisch und ästhetisch orientierten Beiräten ist aus unserer Erfahrung sehr bereichernd und wirkt sich positiv auf die Arbeit des Gestaltungsbeirates aus.

Bei den meisten Gestaltungsbeiräten bestimmt die Politik, d.h. Bürgermeister, Stadträte oder Gemeinderat, neue Mitglieder. In Sankt Valentin haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht, uns Empfehlungen von bestehenden Gestaltungsräten zu holen.

3. Wie transparent sollen die Entscheidungsprozesse sein?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Transparenz der Entscheidungsprozesse in der Gemeinde. In Salzburg zum Beispiel werden Sitzungen des Gestaltungsbeirates grundsätzlich öffentlich abgehalten, d.h. interessierte Bürger können den öffentlichen Teilen der Sitzung als Zuhörer beiwohnen.

Im Rahmen der Studie der Architektenkammer gaben allerdings drei Viertel der Befragten an, dass die Sitzungen des Gestaltungsbeirats nicht öffentlich sind.

Grundsätzlich kann von einer offenen Debatte nicht nur die Bürgerschaft, sondern auch das Projekt profitieren – vor allem bei großen, öffentlichen Bauvorhaben. Oft ist es aber kontraproduktiv, sofort an die Öffentlichkeit zu gehen, weil dann die Diskussion schnell zu einem Grabenkampf werden kann.

In diesem Fall kann es sinnvoller sein, erst offen zu diskutieren, nachdem ein Ergebnis präsentiert wurde. Letztlich muss diese Entscheidung in jeder Gemeinde gut abgewogen werden.

Fazit: Gestaltungsbeirat als Instrument der Stadtentwicklung

Der Gestaltungsbeirat ist für die Stadtentwicklung enorm wichtig, da es hier um die Zukunft einer Stadt geht. Die Beiräte stehen der Gemeinde mit architektonischem Rat zur Seite, machen große Planungsvorhaben transparenter und stellen raumplanerische Weichen.

Die Etablierung in der Gemeinde braucht allerdings Zeit und oft auch Überzeugungsarbeit. Auf Basis der positiven Erfahrungen und Resultate in Sankt Valentin kann ich jeder Gemeinde nur wärmstens empfehlen, einen Gestaltungsbeirat zu installieren. Gemeinden, die auf hohe Baukultur Wert legen, sollten einen Gestaltungsbeirat installieren.

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