Gehen in der Stadt: „Die Städte liegen uns zu Füßen“

12.05.2020
Gesellschaft

Gehen in der Stadt: Wer zu Fuß ausschwärmt, fühlt und empfindet eine Stadt völlig anders, als bei einer Fahrt mit dem Taxi oder Bus.

Titelbild

Kennen Sie den Begriff der „Promenadologie“? Bei dieser von Lucius Burckhardt entwickelten Mischform von Wissenschaft und Kunst „geht“ es um den tieferen Sinn und die wunderbare Entspannung beim Spazieren und Flanieren.

Sinnigerweise gibt es im Englischen dafür den Begriff der „Strollology“, denn wer durch die Gassen einer Stadt stromert und streicht, lernt die Seele des Ortes und der Menschen, die darin wohnen, kennen.

Heimito von Doderers „Strudlhofstiege“ ist ein perfektes Beispiel für die literarische Annäherung zu Fuß – die Gassen des 9. Bezirkes des hochsommerlichen Wiens werden durchmessen, beschrieben und in jeder Zeile atmet der Leser Charme und Einzigartigkeit dieser Metropole.

Doch jede Stadt in Österreich hat einen speziellen Charakter, der nicht im unmittelbaren Zentrum liegt: Menschen sollten versuchen, ein wenig abseits der normalen Pfade zu wandeln – die Mitte liegt wie so oft an der Peripherie, und der Begriff Stadt erschließt sich erst in seiner ganzheitlichen Betrachtung.

Gehen in der Stadt: Krokodil in Freistadt (c) Antonia Schulz
Krokodil in Freistadt (c) Antonia Schulz

Der Charme der Enge

Wie aber bekommt man die Menschen auf die Straßen und Gassen? Wie wird aus der motorisierten Masse eine Vielzahl von Spaziergängern? Ein Vorteil des Gehens liegt auf der Hand – gewisse Annehmlichkeiten und Geheimnisse kann man nur per pedes erreichen und genießen.

Eine enge Gasse mit erinnerungsschweren Gebäuden, darin verborgene Innenhöfe oder sogar Arkadengänge wird man schwerlich mit einem SUV erkunden. Man kann in der wirklich schmalen „Blutgasse“ in Graz auf den Spuren des mittelalterlichen Henkers wandeln. Oder im oberösterreichischen Freistadt in der Pfarrgassenarkade ein an der Decke fixiertes, ausgestopftes Krokodil aus dem 19. Jahrhundert bewundern.

Dies sind nur zwei Beispiele von tausenden verborgenen Kleinoden unserer Städte. All diese Bijous erschließen sich den Augen des Flaneurs, der hinter die Kulissen blickt und tiefer in die engen Winkel eintaucht.

Gehsteige, die in Schuss sind und angenehmes Spazieren ermöglichen, sind eine logische Voraussetzung. Es gibt jedoch Ausnahmen wie die sogenannten „Stolpersteine“, die in immer mehr Städten ins Trottoir eingelassen sind.

Diese gezielt gesetzten Mahnmale erinnern uns beim Vorbeigehen an dunkle Stunden, die ebenso ein Teil der Geschichte vieler Orte sind – Geschichtsbewusstsein prägen beim Spazierengehen.

Stolperstein (c) Medienfrau

Pflanzen und Wasser – die Quellen der Stadt

Der natürliche Widerpart zu Gassen sind Plätze und Parks, sprich der weite öffentliche Raum, wo sich alternative Attraktionen mit geringem Aufwand schaffen lassen. Durchdachte Begrünung mit ausreichenden Sitzgelegenheiten und darauf abgestimmte Befeuchtungskonzepte können Parks jeder Größenordnung zu Oasen mitten in der Stadt machen.

Damit zieht man speziell in heißen Sommern, die mehr und mehr werden, die Masse der Menschen auseinander und dezentralisiert Bewohner gleichermaßen wie Besucherströme.

Glücklicherweise haben wir in Österreich eine breite Palette solcher Begegnungs- und Ruheinseln: Ob man im Mirabellgarten in Salzburg in barocker Opulenz schwelgt oder sich in Wien im Volksgarten neben der ehemaligen kaiserlichen Residenz zu einem Picknick niederlässt, für jeden Geschmack und jedes Steckenpferd ist in diesen Parks und Gärten gesorgt.

Viele Städte haben den Vorteil, an Flüssen zu liegen und mit deren Ufern die natürlichste Promenade überhaupt zu bieten. Daraus sind Begegnungszonen entstanden, die Nähe zum Wasser und den offenen Raum der Böschungen nutzen.

Die Donaulände in Linz bietet einen perfekten Mix aus Kunst, Kultur, Sport und Entspannung, hier werden auf mehreren Kilometern Anziehungspunkte für alle Interessierte geboten. Ein anderes Beispiel ist der „River-Surfer-Spot“ in Graz: Hier können Surfer auf den schweren Wogen der Mur tanzen und rundherum Schaulustige diesen Darbietungen beiwohnen und die Akrobatik genießen.

Was verbindet zwei Ufer von Flüssen und kann nicht mit dem Auto befahren werden? Die Fußgänger-und Radfahrerbrücke – von unschätzbarem Wert für die persönliche Erkundung des urbanen Raums. Überall sind folglich solche Verbindungen entstanden, die den Menschen vorbehalten sind und zu einer weiteren Entschleunigung dienen.

Gehen in der Stadt
Kunstgenuss in der Open Air Galerie in Wels, Maria Theresienstraße (c) Medienfrau

Gehen in der Stadt: Kulinarische Nahversorgung

Nur die Hälfte wert sind natürlich all diese Attraktionen einer Stadt ohne gastronomische Unterfütterung. Speis und Trank halten bekanntlich Leib und Seele zusammen – und dies trifft beim Gehen und Strawanzen besonders zu!

Was gibt es schließlich Schöneres, als nach einer ausgedehnten Erkundungstour durch schmale Gassen, über luftige Plätze, unter schattigen Arkaden, an lauschigen Ufern und über sanft geschwungene Brücken Einkehr zu halten in einem Wirtshaus oder Gastgarten?

Fußläufig zu erreichende Lokale sind einerseits wahre Naherholungsgebiete für die einheimische Bevölkerung, und zum anderen Lokalkolorit und echte städtische Umgebung für die Besucher.

Ein Hoch den Gastronomen, die sich etwas einfallen lassen und durch neue Ideen einen Spaziergang noch verlockender machen. Besser regionale Qualität drei Gassen weiter als kilometerlange Autofahrten, die Parkplatzsuche, Abgase und Lärm implizieren.

Barrierefreiheit (c) Medienfrau

Im Sinne des Zusammenlebens der Generationen und der Inklusion müssen alle Überlegungen Barrierefreiheit beinhalten. Weder ein Kinderwagen, Rollator noch Rollstuhl dürfen ein Hindernis beim Erkunden der Stadt darstellen. Oft bedarf es schließlich nur kleiner baulicher Veränderung, um für alle Menschen die Schönheiten des urbanen Raums erlebbar zu machen.

Wege aus der Krise

Die Corona-Pandemie hat den Tourismus besonders hart getroffen. Leider schaut es so aus, als würden weiterhin Fernreisen in den nächsten Monaten unmöglich sein und damit ein großes Tourismuspotential ausfallen.

Jede Krise ist bekanntlich eine Chance. Daher kann man durch das Neugestalten und Neudenken in Städten Potentiale heben, die bei Normalbetrieb unbeachtet geblieben wären.

Wir alle werden in der Post-Corona-Zeit einen veränderten Blickwinkel auf die Welt haben. Was vielmehr bleiben könnte, sind die positiven Effekte der Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit, die im hier und heute entwickelt werden.

Besucher werden auch in einer Stadt entschleunigen, wenn notwendige Voraussetzungen gegeben sind oder geschaffen werden. Hektik und Trubel sind essentielle Bestandteile städtischen Lebens. Wenn man parallel dazu – praktisch ein paar Schritte weiter – Oasen der Ruhe und Kontemplation findet, kommt es zu einem doppelt positiven Effekt.

Schattige Promenade abseits des Trubels (c) Medienfrau

Je lebenswerter und liebenswerter eine Stadt, umso mehr Menschen werden darin wohnen und sie besuchen wollen.

Wer zu Fuß ausschwärmt, fühlt und empfindet eine Stadt völlig anders, als beispielsweise bei einer Fahrt mit dem Taxi oder Bus. Eine Gasse … plötzlich ein gemütliches Lokal oder ein Geschäft, das in keinem Reiseführer steht. Man tritt ein und ist gefangen vom besonderen Flair genau dieses Ortes. Wer kennt dieses wunderbare Reiseerlebnis nicht aus eigener Erfahrung?

Titelbild (c) Medienfrau

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