Frauenfreundliche Städte

26.03.2019
Gesellschaft

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London, Tokio und Paris sind frauenfreundlich. Zumindest gelten sie als die frauenfreundlichsten Megacities für Frauen. Das ermittelte eine weltweite Studie der Thomson Reuters Foundation 2017. In Kairo, Karatschi in Pakistan, Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo und Neu-Delhi fühlen sich Frauen hingegen richtig unsicher.

In den 19 größten Metropolen der Welt, in denen jeweils über 10 Millionen Menschen leben, befragte man 380 Experten zu Frauenfragen. Sie sollten beurteilen, wie gut Frauen vor sexueller Gewalt und kulturellen Praktiken geschützt sind. Man beurteilte auch, ob sie Zugang zu guter Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlichen Möglichkeiten haben.

Die Thomson Reuters Stiftung hat den Puls eines wichtigen Problems erkannt. Die Umfrage zeigt, wie viel noch getan werden muss, bevor Städte für Frauen als sicher gelten. Und was es noch braucht, bis Städte Orte repräsentieren, in denen sich Frauen weiterentwickeln, d.h. ihr Talent und Potential entfalten können.

Was zeichnet eine ‘frauenfreundliche’ Stadt für Sie aus?

haben wir politische Vertreterinnen hierzulange befragt.

„Gleichstellung und Lebensqualität zeichnen für mich eine frauenfreundliche Stadt aus“, antwortet die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt, Juliane Bogner-Strauß auf unsere Frage und führt fort: „Es braucht nicht nur Arbeitsplätze für Frauen, sondern auch gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und Frauen in Führungspositionen. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, sind ausreichende Betreuungsangebote wichtig.

In Österreich muss der Fokus auf der Schaffung von Plätzen für Unter-Drei-Jährige sowie flexibleren und längeren Öffnungszeiten von Kinderbetreuungs-Einrichtungen liegen. Wichtig sind außerdem der Zugang zu Bildung für Frauen und Mädchen und natürlich auch der Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung. Außerdem sollen sich Frauen sicher fühlen können.

Daher sind auch eine niedrige Kriminalitätsrate und ein ausreichendes Beratungs- und Betreuungsangebot für Frauen, die Opfer von (sexueller) Gewalt geworden sind, wichtige Faktoren für eine frauenfreundliche Stadt.“

Österreich traurige Nummer 1 bei Tötungsdelikten an Frauen

Nach einer Erhebung des Statistischen Amtes der EU (Eurostat) ist der Anteil weiblicher Opfer bei Tötungsdelikten leider in keinem europäischen Land höher als in Österreich. 77 Frauen wurden im vergangenen Jahr umgebracht oder Opfer eines versuchten Mordes. Laut der Statistik der Gewaltschutzzentren Österreichs waren die insgesamt 24 Opfer von Morden in Beziehungen 2017 ausschließlich Frauen. 2018 waren es mehr als 30 Frauen.

Warum die Zahl der Morde an Frauen in Österreich angestiegen ist, kann hierzulande niemand zufriedenstellend beantworten. Österreich hat gute Gewaltschutzgesetze und ein breites Netz von Schutzeinrichtungen, heißt es.

Volksanwältin Gertrude Brinek sieht Gründe für die steigende Gewalt in den zusehends unsicheren Lebensverhältnissen. Verliert ein Mann seinen Job und will sich gleichzeitig die Frau scheiden lassen, kann die Situation rasch eskalieren. Vor allem aber müsse man die nach wie vor vorherrschenden konservativen Rollenbilder aufbrechen und gewaltfreie Erziehung in den Schulen forcieren.

Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl fordert Prävention, die schon im Kindesalter beginnt: „Wir müssen an dem Geschlechterbild der Buben arbeiten und niedrigschwellige Beratungs- und Hilfsangebote verbessern.“

Welche Rahmenbedingungen braucht es, um den Status ‚frauenfreundlich‘ zu erhalten?

Dazu haben wir Gabriele Heinisch-Hosek, Abgeordnete zum Nationalrat, SPÖ Bereichssprecherin Frauen und Bundesfrauenvorsitzende befragt: „Frauenfreundliche Städte sollten Frauenbeauftragte beschäftigen und ein buntes Angebot für Frauen bereit halten, z.B. eine Frauenberatungsstelle, eine Frauenabteilung in der öffentlichen Bücherei, diverse Veranstaltungen im Bereich der Aus-und Weiterbildung.

Dann könnten Förderungen von Künstlerinnen forciert werden, es könnte mehr Aktionen zum Internationalen Frauentag geben, Frauenfilmabende, Frauengesundheitsvorträge, Programme für Mädchen und vieles mehr. Hier haben vor allem kleinere Städte noch dringenden Aufholbedarf!“

Frauenfreundliche Städte müssen SICHER sein

„In einer frauenfreundlichen Stadt fühle ich mich sicher“, addiert Heinisch-Hosek und erklärt: „Sicher, im Sinne einer guten sozialen Infrastruktur für mich und meine Familie. Sicher im Sinne einer guten Versorgung im Bereich des öffentlichen Verkehrs, aber auch im Bereich der Nahversorgung. Weiters sicher, wenn ich abends nach einem Sport-oder Kulturprogramm gut beleuchtete Strassen und Wege vorfinde. Sicher im Bereich der Stadtverwaltung und der Stadtpolitik, wenn ich ein Anliegen vorbringen möchte und auf offene Ohren stosse.“

Doch was tun in Städten, in denen Frauen nicht nur hinter verschlossenen Türen Aggressionen ausgesetzt sind, sondern auch in der Öffentlichkeit zu Opfern werden? In den überfüllten und anonymen Großstädten, in denen 55% der Weltbevölkerung leben, greifen Frauen zu ihrem Schutz auf die verschiedensten Mittel zurück. Von „Gadgets gegen Vergewaltigungen“ über Selbstverteidigungskurse bis hin zu Transportmittel nur für Frauen und Notfall-Apps.

Es gibt immer mehr Smartphones und Sicherheitsapps.

Das Ziel ist es, die Behörden mit Statistiken über gefährliche Orte zu informieren und Frauen zu ermutigen, von Zwischenfällen zu berichten. In Frankreich vernetzt ‚Mon Chaperon‘ Passanten, die ein Stück Weg gemeinsam gehen wollen. Über ‚Handsaway‘ kann man einer Person, die ihren Standort teilt, zu Hilfe eilen.

Indien hat in diesem Bereich einige Apps im Angebot. Sie wählen den sichersten Heimweg aus oder senden einen Notruf an Angehörige. Eine weitere Initiative kommt aus Juarez in Mexiko, die ‚No Estoy Sola‘ heisst. Man braucht sein Handy nur zu schütteln, dann wird ein Notruf an 5 Kontakte geschickt. Auch wenn Straftaten von der Justiz in manchen Ländern nicht geahndet werden; Wenn man sie dokumentiert, werden sie von der Gesellschaft nicht ignoriert.

Eine Statistik, die aussagt, welche Städte in Österreich als frauenfreundlichste gelten, haben wir nicht gefunden. Schauen wir daher über die Landesgrenzen zu unseren deutschen Nachbarn.

Wo lebt es sich als Frau in Deutschland am besten?

Der Osten Deutschlands liegt in Sachen Gleichstellung und Lebensqualität ganz vorne. Das Magazin «Focus» hat 2018 zusammen mit den Kölner Sozialforschern Tina Vossbeck und Wolfgang Steinle Jobs und Karrierechancen, Einkommen und Qualifikation, frauenfeindliche Kriminalität sowie Spaß und Freizeitangebote in den 77 größten deutschen Städten untersucht und bewertet. Dabei belegte Dresden den ersten Platz in puncto Frauenfreundlichkeit.

In Dresden verdienen weibliche Beschäftigte mit 92 Prozent fast soviel wie Männer. Die Stadt konnte mit einer hohen Beschäftigungsquote punkten. Die niedrigen Zahlen weiblicher Kriminalitätsopfer, insbesondere was Vergewaltigungen und sexuelle Nötigung angeht, brachte der Barock-Stadt an der Elbe schließlich den Gesamt-Spitzenplatz. Im Bereich „Spaß“, in dem sich Kriterien wie Shops für Frauen oder Yoga-Kurse finden, lag München übrigens an der Spitze.

Es ist zum Heulen: Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau

Apropos ‚gleichviel verdienen‘. Es gibt eine immer noch zu große Einkommensschere zwischen Mann und Frau. Um auf die Einkommensunterschiede in Österreich aufmerksam zu machen, organisieren Frauenausschüsse des Österreichischen Städtebundes in vielen Städten Verteilaktionen. Unter dem Motto „Es ist zum Heulen“ verteilt man Taschentuchboxen. Damit soll das Bewusstsein für den Equal Pay Day geschaffen werden.

Ein Video (zum Schmunzeln) erklärt das Problem anschaulich: https://www.youtube.com/watch?v=v2kj1Hi722w

Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen spiegeln sich nicht nur im Alltag, sondern auch später in der Pensionshöhe wider. Daher wurde vor einigen Jahren analog zum Equal Pay Day auch der Equal Pension Day ins Leben gerufen.

Die Ursachen sind ident: etwa Teilzeitarbeit oder Unterbrechung der Erwerbsarbeit durch Karenzzeiten für Kindererziehung und Pflege. Je höher also das Stundenausmaß der Beschäftigung, umso höher später die Pension.

Der Kampf ums richtige Outfit

Apropos Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. „Wir wollen mit dem Glauben aufräumen, dass es genügt, auf bestimmte Kleidung zu verzichten, um garantiert keine Probleme mit Männern zu haben“, sagt Jen Brockman, Leiterin eines Universitätszentrums für Aufklärung von sexuellen Übergriffen in den USA.

In der Wanderausstellung „Was hattest du an?“ zeigt sie Kleidungsstücke, die Opfer sexueller Übergriffe zum Tatzeitpunkt trugen. „Sexuelle Gewalt kann durch die Art, sich zu kleiden nicht zum Verschwinden gebracht werden“, erklärt Brockman, die das Projekt konzipiert hat. Unsere Gesellschaft wird aber darauf getrimmt zu glauben, dass die Kleidung eines Opfers wichtig ist.

Gadgets gegen Vergewaltigungen, wie Pfeffersprays, stoßen nicht auf allgemeine Zustimmung. Das liegt auch daran, dass solche Methoden die falsche Annahme verstärken, die Opfer müssten die Verantwortung für die Angriffe selbst übernehmen.

Urbanes Leben von Frauen für Frauen

2015 unternahm der Verein Womenability eine Weltreise und verfasste einen Ratgeber zur gelungenen Gestaltung von Städten, in denen sich alle Menschen willkommen fühlen: Wickeltische in den Männertoiletten, speziell für Kinderwagen geeignete Treppen, Stillräume in den Flughäfen.

Eine neue Generation von Stadtplanern macht sich auf, die Städte selbst umzukrempeln, die meistens von Männern für Männer gebaut wurden. Österreich war eines der ersten Länder, das bei der Stadtentwicklung die Bedürfnisse der Frauen berücksichtigte. In den Neunziger Jahren entstand das Modellprojekt Frauenwerkstatt in Wien, ein Wohnkomplex mit offenem Innenhof und Garten.

Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Transportmittel sind leicht zu erreichen. Manche Wohnungen sind Frauen vorbehalten, andere nicht. Verteilt wird nach dem Gleichheitsprinzip. Sabina Prommersberger, Mieterin in der Frauenwerkstatt sagt: „Jetzt, nach 6 Jahren Erfahrung in dieser Wohnanlage konnten wir feststellen, dass die Wohnzufriedenheit hoch ist. Wir haben hier stabile Nachbarschaften und kaum Mieterwechsel. Die Lebendigkeit dieser Wohnanlage wirkt sich positiv aufs ganze Quartier aus.“

Frauenwohnprojekt ‚ro*sa’

Ein anderes Projekt, für das ‚Frauen für Frauen’ gebaut haben, ist das Frauenwohnprojekt ‚ro*sa’. Es wurden Wohnungen für Frauen gebaut, die sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Oder eine Wohngemeinschaft für ältere Frauen. Es gibt teilbare Wohnungen und eine gewisse Anzahl an bestimmten Gemeinschaftsräumen.

Es wurde darauf geachtet, dass es keine Hierarchie zwischen Kinder- und Erwachsenenzimmern gibt und dass offene Koch-, Wohn- und Essräume eingeplant wurden.

Bei den ‚ro*sa’ Frauenwohnprojekten leben Frauen mit ihren Kindern und Partnern in einer solidarischen Nachbarschaft. Männer sind als Partner zwar ‚ausdrücklich willkommen’, die Verträge werden aber nur mit Frauen abgeschlossen. Die ‚ro*sa’ Häuser werden mit Förderungen der Stadt Wien errichtet.

Vor der Renovierung wollte die Université Bordeaux vor kurzem beispielsweise wissen, wie sich Studentinnen am Campus wohler fühlen können. Das Ergebnis der Umfrage: Die weiblichen Studenten wünschten sich mehr Beleuchtung, eine bessere Ausschilderung und breitere Gehsteige. Genauso weniger abgelegene Bushaltestellen, Parks und Fahrradgaragen.

Frauenfreundliche Maßnahmen sind so einfach umzusetzen

Sie müssen jedoch je nach Land angepasst werden. Aus Indien stammt ein Programm, das Familien darauf drängt, dass der künftige Ehemann eine Toilette besitzen muss. Für uns in Österreich eine unnachdenkbare Selbstverständlichkeit. In Indien will man durch diese Initiative verhindern, dass Frauen für ihre Notdurft ins Freie müssen, wo sie als Zielscheibe sexuellen Missbrauchs besonders gefährdet sind.

In Papua Neu Guinea stellen Märkte eine wichtige Rolle dar, denn die meisten Händler dort sind Frauen. „Unsere Märkte sollen ein guter Ort sein, um Einkäufe zu machen. Sexuelle Belästigung, Gewalt gegen Frauen oder Schlägereien zwischen Jugendlichen sollte es da nicht geben.“ sagt eine Händlerin in einem ARTE-Interview. Ein Programm finanziert Renovierungsarbeiten, ein bargeldloses Zahlungssystem, um Erpressung zu verhindern und einen Spielplatz für die Kinder der Marktfrauen.

Bei der Planung haben die Architekten darauf geachtet, mehr Licht in die Markthalle zu lassen. Für die Marktfrauen stellte man bequemere Stühle auf, damit sie leichter aus dem Marktstand laufen können, um ihre Waren besser zu schützen. Das sind Details, die für großen Impact sorgen.

Auch nach der Arbeit brauchen Frauen einen sicheren Ort

In London ist seit den 1920er Jahren ein Badesee für Frauen reserviert. Eine Besucherin sagt: „Ich komme hierher um zu meditieren und um Kontakte zu anderen Frauen zu knüpfen. Der Kontakt mit Leuten, die gleiche Interessen haben, wie den Kontakt zur Schönheit der Natur ist für mich wichtig.“

Jede Woche finden in den Parks von Bangkok kostenlose Aerobickurse statt. Es strömen Millionen von Frauen zum kollektiven Tanz auf Chinas Straßen. Inderinnen treffen sich auf Initiative des Kollektivs ‚Blank Noise’, um gemeinsam in Parks zu schlafen. Uns in Österreich gratuliert man weltweit für die vorbildhaften Wohnbauprojekte für Frauen.

Das sind nur einige von vielen Initiativen, die Frauen in Städten helfen, ihr Potential zu entwickeln und sich sicher zu fühlen.

Chancen für den Tourismus

Auch in der Tourismus ­Branche gibt es weltweit noch viel Spielraum für Angebote, die die Sicherheit von allein reisenden Frauen stärken. Bei der Vermarktung von Regionen ​könnten diese Überlegungen gerade für Bundesländer und Städte in Österreich, die als sichere Reisedestination gelten und in denen man Frauen als gleichberechtigt akzeptiert, Positionierungspotenzial bieten.

 

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Daniela Krautsack

Daniela Krautsack ist eine österreichische Trendforscherin, Mediastrategin, Autorin und Innovationsdesignerin, die sich durch ihre vielfältige Tätigkeit in der Entwicklung von Marken, der Schärfung von Unternehmensstrategien und der Erforschung von Gesellschafts-, Technologie und Kulturtrends auszeichnet. Sie ist lebenslange Weltreisende und lässt sich von Zukunftsdenkern und den verschiedenen Kulturen inspirieren. Daniela Krautsack ist Gründerin einer Agentur für interdisziplinäre Kommunikation namens ‚Cows in Jackets‘ und der Unternehmensberatung ‚Cities Next‘, die sich auf die Erforschung und Gestaltung von Zukunfts- und Innovationsdesigns im urbanen Raum und kommunikativer Prozesse konzentriert.

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