Edgar Eller im Gespräch mit Frank Berzbach: Schönheit
27.09.2022
Architektur
27.09.2022
Architektur
Hallo und herzlich willkommen beim Podcast von STAMA Austria, dem Dachverband der österreichischen Stadtmarketing-Organisationen. Einmal im Jahr trifft sich der Dachverband zur sogenannten DenkwerkStadt, um über die Zukunft der Städte und die Möglichkeiten, diese Zukunft zu gestalten, nachzudenken.
Eingeladen sind neben den Kolleginnen und Kollegen aus Österreich auch immer Expertinnen und Experten aus der Soziologie, der Philosophie, Architektur, der Kultur oder der Regionalentwicklung. Neben dem direkten Austausch in der DenkwerkStadt laden wir Sie auch immer zum Gespräch für unseren Podcast, wenn wir schon mal die Möglichkeit haben, uns mit Ihnen zu unterhalten.
Mein heutiger Gesprächspartner ist Frank Berzbach. Er ist Philosoph und Autor und beschäftigt sich mit einem Thema, das für die Einen überflüssige Behübschung, für die Anderen Nahrung für die Seele ist. Es geht um den Begriff der Schönheit. Warum Schönheit ganz viel mit Wertschätzung und was das alles mit unseren Städten zu tun hat, darüber habe ich mich mit Frank bei einem Treffen im Kloster Neustift unterhalten.
Edgar Eller: Schön, dass es heute klappt. Wir sitzen hier in Südtirol, im Kloster Neustift. Zwar in einem ziemlich kleinen Zimmer, aber auf dem Weg hierher sind wir durch diesen wunderschönen Innenhof, durch diese fantastische Architektur gegangen. Gestern hatten wir die Möglichkeit, die Kombination von der Kraft des Ortes im Weinberg und die Kultur, die daraus entsteht, zu genießen.
Frank Berzbach: Nein, ich würde ihm folgen. Mein Buch, „Die Form der Schönheit“ hat drei Teile und im dritten Teil, geht es um Orte der Schönheit. Es gibt begehbare Schönheit, so gesehen. Das ist nichts Abstraktes. Klöster sind sehr oft, – Kirchen auch, Orte, an denen eine gewisse Heiligkeit, oder eine gewisse Besonderheit, nicht nur architektonisch und durch das Alter, sondern auch nochmal spirituell spürbar ist für viele Menschen.
Hier in so einem alten Kloster, in so einer Gegend, erklärt sich das von selbst. Diese Atmosphäre, die jetzt mit Glauben an sich wenig zu tun hat, ergreift ja oft Menschen.
Die Schönheit hängt selten am Einzelobjekt, sondern entsteht durch ein Zusammenspiel vieler Faktoren. In Klöstern stimmt oft nahezu alles: Alter, besondere Architektur, die Lebensform, der Rhythmus des Lebens, die Kirchenglocken. Das heißt, wir sind mittendrin, und es ist schön, hier über Schönheit zu sprechen.
Es fällt viel leichter, als wenn man in einer Umgebung ist, wo man merkt, man muss gegen eine gewisse Hässlichkeit an. Dann ist es eine verkopfte Sache natürlich.
Edgar Eller: Du sprichst von Atmosphäre, und wenn man hier ist, dann spürt man das. Das unterschreibe ich natürlich sofort. Aber kann man es klarer fassen?
Frank Berzbach: Wir können es, glaube ich, nicht ganz ergreifen. Man kann Attraktivität und Schönheit nochmal unterscheiden.
Attraktivität, – oder aversiv wäre die Unterscheidung. Attraktivität kann man tatsächlich relativ gut herstellen oder berechnen. Es gibt auch Regeln. Das versucht man in der Werbepsychologie zu machen. Das versuchen die DesignerInnen über die Wirkung von Farben zu machen.
Bei Schönheit wird es schwieriger. In meinem Buch habe ich mich entschieden, die Definition eher aus der ostasiatischen Philosophie zu nehmen.
Das heißt, wir können nicht drei Sätze sagen und sagen: “Das ist es!“
Und dann noch in der Folge, so stelle ich Schönheit her. Man müsste sowieso diskutieren, was an der Schönheit herstellbar ist und was nur wachsen kann, was vielleicht auch Zufallsmomente enthält.
Wir haben die Erfahrung oft in italienischen oder französischen, alten, kleinen Cafés.
Die Räume sind vielleicht relativ schäbig, die Einzelobjekte darin sind alt, aber nicht unbedingt schön. Da läuft ein kleiner Fernseher, wo wir die Tour de France sehen. Das ist an sich nichts, wo man sagen könnte: oh, das gewinnt einen Design-Preis. Dennoch ist die Grundatmosphäre in diesem Raum sofort sehr spezifisch und wird als Schönheit beschrieben.
Umgekehrt, eine Kirche, in der ich versuche alles schön einzurichten und richtig zu machen, wirkt relativ steril.
Ich bin sehr bei dieser Formel mit der unergründlichen Tiefe. Es gibt Berufe, die sind von Schönheit betraut, in gewisser Weise. Aber das sind Versuche, und das betrifft auch dann das Künstlertum. Ein Architekt kann funktional bauen. Aber um Schönheit herzustellen, da gibt es noch andere Begriffe.
Der Baumeister, ist ein alter Begriff. Ich habe in dem Buch Peter Zumthor als Beispiel genommen, der ja generell ohne Deadline arbeitet, weil er sich mehr Zeit nehmen muss für seine Ideen, weil er sehr besondere Orte kreiert. Und er hat noch nicht viel gebaut in seinem Leben. Im Gegensatz zu anderen Architekten ist das nicht viel.
Edgar Eller: Stimmt, und das, was er gebaut hat, ist nicht nur schön, sondern fast schon sakral-heilig.
Frank Berzbach: Genau, er macht ja auch viel in diesem Kontext dann. Das ist auch genau richtig.
Die sind in der Regel ergreifender im Moment, als die modernen Versuche, attraktives Design zu kreieren. Dieses kann sehr faszinierend sein, aber da habe ich zumindest in meinem Repertoire nicht so viele Orte. Jede alte, schäbige Kirche hat das, oft auch weil sie vielleicht seit tausend Jahren an einem Punkt steht, wo viel geschehen ist. Meisterwerke wie der Kölner Dom haben das. Wie gesagt, es ist nicht Attraktivität, es ist mehr.
Edgar Eller: Das beruhigt mich ein Stück weit. Bei dieser Diskussion oder dieser Beschäftigung mit der Attraktivität, habe ich immer eine Sorge, dass es auch um Oberflächlichkeit geht. Dass wir uns vielleicht diese Oberflächlichkeit in Krisenzeiten wie diesen, gar nicht mehr leisten können oder sollten.
Frank Berzbach: Genau, ich versuche es zu entwerfen als einen Teil der Lebenskunst und als Teil unseres Alltags. Die Schönheit im Alltag, ist eine Ressource, die ich immer zur Verfügung habe, weil es sie überall gibt. Das kann eine Tasse Tee oder eine Tasse Cappuccino sein. Das können die Mikro-Momente sein.
Wir müssen nicht nur über die großen Bau- und Kunstwerke reden. Es kann ein alter Holzbleistift sein, den ich gern benutze, und schon habe ich das.
Ich glaube, wenn das Sensorium offen ist, Schönheit im Alltag zu erkennen, dann habe ich auch am finstersten Tag noch die Möglichkeit, irgendwo etwas zu denken, was über diese Schönheiten einen heilsamen Moment einbringt. Da ist dann mein Zugang.
Wir müssen uns nicht drüber streiten, ob der Kölner Dom schön ist. Das sind Meisterleistungen der Baugeschichte. Aber das zu sehen in der eigenen Wohnung!
Das kann man jetzt im Hinblick auf die Oberflächen denken. Es gibt Leute, die kaufen nur Design-Gegenstände und versuchen das so zwanghaft herzustellen. Wenn wir diese Kunstwellen merken, wird es oft ein bisschen unangenehm und bleibt so.
Wenn ich das als Tiefenästhetik denke, -das machen zum Beispiel viele SammlerInnen- , dann betrifft das nicht die Quantität, sondern vor allem die Qualität der Dinge. Das sind die Leute, die gerne auf Flohmärkte, auf Antikmärkte gehen, die alte Dinge mögen, die gut arrangieren, die so was wachsen lassen.
Das hat dann nichts mit Geld und Luxus zu tun, weil die teuren Dinge nicht unbedingt schöner als die günstigen sind. Aber Geld ist natürlich hilfreich.
Edgar Eller: Wie immer.
Frank Berzbach: Das betrifft zum Beispiel die Qualität der Kleidung. Bei Herrenkleidung weiß man, oder ist es messbar an der Fadenlänge, dass wenn ich ein bisschen mehr Geld investiere, auch eine bessere Qualität am Körper trage. Man fotografiert Kleidung nicht alleine auf einer Kleiderstange, sondern man stellt sie nur an Menschen dar.
Die Frage ist, wer trägt das wie? Kann man das tragen und was hat das für Folgen? Wenn wir Leute schön angezogen finden oder nennen, sind das sehr viele Faktoren. Aber das objektive Kleidungsstück als Materialität ist nur eins.
Weil selbst bei Edelstoffen ist es nicht bei jedem gleich. Kleidung ist eine sehr komplexe Kommunikationsform. Das ist Kunst, die am Körper stattfindet, und auch hier meine ich jetzt die Alltagsdinge, nicht die Haute Couture.
Edgar Eller: Ich möchte den Bogen noch spannen in Richtung der Stadt. Da kommen wir gleich nochmal dazu. Aber davor noch ein, zwei Begriffserklärungen, die sich aus dem, was du bisher gesagt hast, so ein Stück weit ableiten.
Frank Berzbach: Nein, es ist nicht Hässlichkeit! Es ist eigentlich das Vulgäre, oder im Ostasiatischen sogar das Böse. Es ist ein ethischer Begriff von Schönheit. Den gibt es in der Antike ein bisschen geistesverwandt auch schon mal. Dass man Schönes und Gutes zusammendenkt.
Im Hinblick auf die Stadt gilt, – jetzt eben habe ich über Einzelarchitekturen gesprochen-, die nützen wenig-, wenn der Kontext nicht stimmt. Als Stadtplaner kann ich bestimmte Ecken gestalten und dann ist die Sensibilität für das Umfeld oder für die Menschen, die sie nutzen werden, sehr, sehr entscheidend.
In Deutschland sagt man ja, Frankfurt ist hässlich, Köln ist hässlich und andere Städte werden ja als schön bezeichnet. Die Leute, die dort leben und es besser kennen, gehen da natürlich nicht mit.
Dann ist Frankfurt tatsächlich nicht gerade sehr anziehend. Gehe ich aber an bestimmte Orte, ist es wundervoll dort. Diese Vielseitigkeit zu zeigen, versucht ja auch das Stadtmarketing, oder Städte, die sich darstellen, zu nutzen.
Selbst Dinge, die wir in Deutschland hässlich nennen oder finden, etwa eine bestimmte Art der Nachkriegsarchitektur, mit wenig Geld hergestellt, die ist in Summe oft tatsächlich nicht sehr anziehend. Aber es gibt auch dort natürlich eine Menge Details und Sachen, wo man sagen würde, das ist zwar ein Sechzig-Jahre-Bau, aber das ist heute, in unserer Retromanie-Wahrnehmung hochattraktiv, anziehend, oder sogar schön.
Weil vielleicht die Materialien gut waren, weil bestimmte Ideen in dieser langen Situation sehr gut waren. Das wahrnehmen zu können, ist eine Fähigkeit! Das ist nicht objektiv da. Ich rede nicht darüber: die haben so und so viel EinwohnerInnen. Wir haben einen Fluss, wir haben Berge und jetzt ist das schön, weil die ja hier sind, wo wir gerade sind.
Wir fahren durch sehr unterschiedliche Städte. Da würde ich auch sagen, nicht jeder, der Stadtmarketing betreibt, arbeitet auch an der Wahrnehmung der Menschen. Nicht nur an der Stadt, weil die Stadt ist vielfältig, ein sehr heterogener Raum.
Edgar Eller: Diese Schönheit, um die wir diese letzten paar Minuten gekreist sind, da kam schon zwei-, dreimal dieses Gefühl, oder diese Beschreibung auf, dass es etwas Sakrales, Heiliges, was Beruhigendes hat, was etwas in mir zum Klingen bringt. Und das ist irgendwie, in irgendeiner Art und Weise selig machend, metaphorisch gesprochen.
Die Frage: Wie kommt das Neue in die Welt? Ich habe den Eindruck, dass dort manchmal zu viel Schönheit zu zufrieden machen könnte. Ist die Gefahr nicht, dass wenn wir sehr schöne Städte haben, dass wir sagen, everything is done? Also du musst nichts mehr tun?!
Frank Berzbach: Ja, es gibt natürlich eine Schönheit, es gibt so was niedlich Überzuckertes oder eine Perfektion der Reinheit. Oder manchmal in ausgezeichneten Dörfern oder in speziell hergestellten Arealen, wirkt es dann, wenn das Richtung Perfektion geht, nicht mehr lebendig.
Ich wüsste bei der Stadt jetzt tatsächlich kein Beispiel. Eine Stadt, die so homogen wäre, dass ich sage, hier ist alles fertig, hier ist alles gemacht. Man kennt diese Neubausiedlung, die man wirklich so entwirft und baut. Man sieht, dass Leute sich Gedanken machen. Da sind Spielplätze integriert und so.
Man sieht die nützlichen Ideen, man sieht aber auch, dass oft an den Oberflächen entlang gedacht wird. Man kann vielleicht auch nicht anders, weil eine gewisse Tiefe der Ästhetik nur über die Zeit wachsen kann. Sie ist nicht einfach schnell, linear herstellbar.
Wenn man in Weimar selbst in der Bauhaus-Universität herumläuft, sieht man ja keineswegs nur gerade oder kühle Linien, ganz und gar nicht. Das ist im Ursprung keine kühle Idee. Sie wendet sich zwar gegen bestimmte ornamentale Aspekte, aber sie setzt an die Stelle ein unglaubliches Gefühl für Raumproportion, für Licht, dafür, wie die Türen sind.
Das ist keine kalte Architektur. Ich glaube, die Gefahr, dass es zu perfekt ist, haben wir nur, wenn wir zu viel auf einmal entwerfen und dahin bauen wollen, mit dem Willen, das soll jetzt schön sein. Ich weiß nicht, ob das gelingen soll.
Wie es ein bisschen in der Waldorf-Architektur versucht wird. Rudolf Steiner hat mehr Sinn unterschieden als andere. Nicht dass die mir jetzt ästhetisch so gut gefällt. Man sieht aber, dass es nicht nur für den Kopf gemacht ist. Man sieht in den Räumen, in denen zum Beispiel Pädagogik stattfinden soll, dass andere Dinge mitbedacht sind.
Ich glaube, in der Ausbildung von StadtplanerInnen, von ArchitektInnen, müssten wir die Sinnlichkeit auch nochmal anders schulen für diesen Aspekt.
In der Kunst ist sie eher fast verpönt, weil sie mit Attraktivität verwechselt und so von den WerberInnen benutzt wird. Bei ArchitektInnen sehe ich auch nicht unbedingt, dass sie ein Interesse an Schönheit haben, sondern eher eine Angst, dass sie Tradition zu viel zitieren.
Oder es gibt dieses Permanente, mit irgendwas brechen zu wollen. Das sind für die Schönheit, die eine altmodische Kategorie ist, nicht unbedingt gute Leitlinien.
Edgar Eller: Wie kam das?
Frank Berzbach: Das weiß ich nicht. Da müsste man spekulieren. Ich glaube, da sie auch durch so viel Religiöses besetzt ist, gibt es den Willen, sich davon zu lösen.
Die Vernunft, die seit der Aufklärung eine gewisse verkürzte Rationalität oder verkürzte Funktionalität favorisiert, versucht sich bewusst davon abzutrennen. Versucht in einer manchmal etwas unguten Art das Gegenteil zu tun, oder sich viel zu sehr anzulehnen.
Ich kann natürlich Unternehmen ähnlich wie Kirchen aufbauen. Oder, das sehen wir in der alten Industrie-Architektur, dass es quasi-sakrale Bauten sind. Oder Privatleute, können sich das bauen, aber es ist dann so entkernt.
Weil wir so eine Aversion entwickelt haben durch eine verlogene, überzuckerte, biedermeierliche Art von Verniedlichung, die dann auch sehr stark bagatellisiert. Ich glaube, es gibt einfach viele Ängste. Es ist historisch auch begründet.
Und es ist auch in Kulturen, die noch in dem deutschsprachigen Raum mit Hitler und Konsorten zu tun haben. Die Nazis hatten ja eine hohe Affinität, wie sie Attraktivität und Schönheit nutzen zur Verführung.
Frank Berzbach: Hugo Boss hat die SS-Uniform entworfen. Wenn man sich das genau anschaut, gibt es bis heute ja kaum einen Film, einen dystopischen, wo die Bösen nicht in einer SS-ähnlichen Uniform dargestellt werden.
Aber diese Idee, eine schwarze Militär-Uniform zu kreieren. Schwarz gibt es ja eigentlich in dieser Uniform-Welt kaum oder nicht-, mit Totenkopf-Symbol oder die Feuer- und Fackelmärsche, das sind alles sakrale Methoden der Schönheit. Ich glaube, wer das erlebt hat, oder wer die Suggestionskraft dieser neoromantisch pervertierten Schönheitsformen kennt, will eine klare Abgrenzung.
Das finde ich auch plausibel. Man kann die katholische Kirche in Vielem kritisieren, und man will nicht dann unbedingt genauso aussehen, in bestimmten Punkten. Vielleicht sind das Begründungen. Das macht das Thema Schönheit dennoch nicht überflüssig, es macht es nur noch herausfordernder, glaube ich.
Frank Berzbach: Das schließt sich ja gar nicht aus. Also man kann sich erstmal selbst den vorhandenen Schönheiten hingeben und kann gucken, kann man das schützen? Kann man das ausbauen, kann man das erweitern? Und da ist auch alles gemacht! Man sollte nicht versuchen etwas zu perfektionieren, was so gesehen vollendet ist.
Das sind schon öfters mal ältere Dinge. Ältere Dinge machen natürlich sehr viel Arbeit. So was wie der Kölner Dom ist ja seit tausend Jahren auch eine Baustelle.
Es gibt die Dombauhütte in Köln, die ja permanent das Bauwerk restauriert, oder die Familia Sagrada, die eigentlich ja gar nicht fertig ist, in dem Sinne. Um die Sensibilität für Schönheit zu haben, man muss an den Orten selber sein.
Man muss sich mal dort hinsetzen. Mal spüren, wie sind die Raumlogiken, wie funktioniert ein Platz? Also man muss sich stark involvieren, und man könnte die Ressourcen älterer Menschen nutzen, die manchmal sehr lange Orte benutzen.
Es gibt auch Schönheiten, die eher erst auf dem zweiten Blick da sind. Wir haben heute natürlich eine sehr schnelle Wahrnehmung. Wir achten heute darauf, ob irgendwelche Ecken instagrammable sind. Da reicht ein Handy-Foto schlechter Qualität, und das ist ein Wow-Effekt an Schönheit.
In Städten findet ja auch nicht jeder alles gleich schön. Es gibt den Subjektivitätsfaktor, Harmonien, Ordnungen. Ich glaube, dass eine der Berufsgruppen quasi permanent mit der Herstellung von Schönheit betraut ist. Mit dieser heilsamen Schönheit ist sozialer Friede, Umweltaffinität verbunden. Das ist nicht davon abzutrennen.
Das betrifft auch die Akustik einer Stadt, also die Lärmbelastung. Das betrifft die Mobilität stark. Jede Stadt muss sich die Frage stellen, wie die Busse und Bahnen aussehen sollen. Die werden ja mit Werbetafeln verkauft. Schon das sind Einflussfaktoren.
Das merkt man an den Leuten, an den Taxis, an den alten. Da gibt es alte und neue. Wenn wir die alten sehen, sagen wir sofort, ist ein Taxi was Schönes. Eigentlich ist das nur ein Auto. Ein Auto ist jetzt nicht unbedingt das, was wir in der Stadt gerne viel haben wollen.
Wir haben also selbst bei den schlimmsten Dingen noch Möglichkeiten, der Ästhetik zu sagen: ja, wir brauchen Taxen in der Stadt, aber die könnten attraktiv aussehen! Wir können die Busse oder die Bahnen, die Werbeflächen attraktiv oder überraschend gestalten.
Auch die Stadt hat darauf Einfluss, welche Plakate wie und wo hängen. Street Art, ist für die einen Schmiererei oder Kriminalität, für die anderen ist das ein Gestaltungselement.
Es gibt eigene Festivals, wo Hauswände, die sonst frei liegende Brachflächen sind, zu riesigen Kunstwerken werden. Städte, die das viel machen oder gemacht haben, sind inzwischen eigene Anziehungspunkte für Kunst-Fans, die sich das angucken, weil es an dreißig, vierzig Hauswänden riesige Bilder gibt.
Bei Street Art ist es dann oft ein Streitfall. Ich würde es ganz klar im Bereich der Schönheit buchen. Weil wir gucken müssen, wo diese Graffiti sind. Sie sind nicht am denkmalgeschützten Kirchenbau, in der Regel. Das ist tatsächlich Kriminalität dann.
Aber da reicht ein architektonischer Blick oder Ideenreichtum für die Gestaltung. Auch die Stadt ist eine Leinwand für KünstlerInnen in gewisser Weise, es sind nur sehr viel mehr beteiligt.
Ich kann natürlich BewohnerInnen, Einheimische zu Urban Gardening motivieren. Es gibt diese öffentlichen Flächen, die vermietet werden, die man pachten und pflegen kann. Schon wenn ich eine Parkbank spende, gestalte ich die Stadt mit! Dieses wertzuschätzen, dieses Engagement, weil ich glaube, dass der Mensch oder viele Menschen ihre Umgebung gerne gestalten.
Und sie gestalten sie auch in dem Sinne, wie sie sie schön finden. Diese Energie, die sowieso da ist, kann ich fördern als Stadt. Ich glaube, niemand will in der Hässlichkeit bleiben. Das merkt man in Privaträumen.
Selbst im schäbigsten Zimmer-Hotel weiß ich, was man hatte. Man hängt mal ein kleines Bild auf oder macht sich irgendwas, wo man denkt, ja, dann lege ich eine schöne Decke aufs Bett. Das ist wie ein Trieb. Es gibt, glaube ich, so einen Willen, so eine anthropologische Energie, die uns etwas schön gestalten lässt.
Frank Berzbach: Ich bin nie pessimistisch. Ich glaube, dass der Pessimismus nur auf einer unhistorischen Wahrnehmung liegt. Wir haben heute mehr Möglichkeiten als jemals zuvor. Wir haben in den reichen Ländern mehr Wohlstand als jemals. Es gibt Hunger, es gibt Kriege, es gibt Ungleichheit. Aber es gibt für mehr Menschen immer auch die Möglichkeit, Schönheit herzustellen.
Wir merken es auch in den ärmsten Kontexten, dass es diesen Willen gibt. Schönheit war vielleicht zu keiner Zeit irgendeine Art Mainstream, oder dass jeder das Sensorium dafür hatte. Deswegen ist die Schönheit oft in der Nähe der Künste. Nicht jeder hat einen Draht zu den Künsten, muss vielleicht auch nicht. Ich würde mich nie abhalten lassen.
Die kleinsten Dinge können ein Protest sein. Es gibt immer was zu tun, es gibt immer was zu verschönern. Wir kommen da an kein Ziel. Ich glaube, wer das denkt, ist eher in Gefahr nicht mehr wahrzunehmen.
Es gab Zeiten, da musste man quasi Hässliches gegen andere Dinge setzen, um die Schönheit zu retten. Wien Innenstadt, Hofburg, bin ich jetzt nicht so ein Fan davon, wenn es nicht das Museumsquartier, oder wenn es nicht das Dagegen gäbe.
Edgar Eller: Ich glaube, das war ein schönes Schlusswort, ein schöner Appell. Frank, vielen Dank für das Gespräch.
Frank Berzbach: Danke für die Einladung.
Die Zusammenfassung des Workshops von Frank Berzbach finden Sie HIER.
Titelbild © Heinz Mitteregger
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