Sammelt Fotos! Fotoarchive als Gedächtnis der Stadtentwicklung
13.03.2019
Gesellschaft
13.03.2019
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Seit ungefähr 193 Jahren gibt es die Fotografie. Experten streiten, ob es das Jahr 1826 oder 1827 war, als der Franzose Joseph Nicéphore Nièpce (1765-1833) seine Jahrhundertentdeckung gemacht hat, die bis heute größte Wirkung auf unser tägliches Leben hat.
Heute werden Fotografien zu Milliarden aufgenommen, veröffentlicht: Die Bilder-, also auch die Fotoüberflutung unserer Tage hält uns fest im Griff. Fotografieren ist kinderleicht geworden.
„If you photograph a city, you photograph people“, Berenice Abbott, 1929
Jener Blick damals um 1826 aus dem Arbeitszimmer des Gutshauses von Le Gras ist die erste erfolgreich aufgenommene und erhaltene Fotografie (Heliographie) der Welt. Die Inkunabel wurde im kleinen französischen Ort Saint-Loup-de-Varennes hergestellt.
Abgesehen davon, dass es sich um die erste Fotografie in der Menschheitsgeschichte handelt, ist bemerkenswert, dass diese immer im Zusammenhang mit dem Ort genannt wird. Das 1.100-Seelen-Nest in Burgund, an den Ufern der Saône, wäre sonst wohl kaum in so besonderer Weise in Erscheinung getreten.
Die erste Fotografie zeigt weder einen Menschen, noch ein Portrait, noch einen kleinen Gegenstand, der dem Fotografie-Erfinder in seinem Raum hätte wichtig gewesen sein können. Vielmehr zeigt sie den Blick aus dem Fenster, ins Licht, auf die Architektur seines Hofes.
Das scheint ein Omen gewesen zu sein, denn das, was zuvor die Malerei, Zeichnung und die Grafik zur Aufgabe hatte – Abbilder von Orten zu schaffen – wurde nun zunehmend Zweck der Fotografie.
Wer allerdings glaubt – und das gilt von Anbeginn dieses neuen Mediums an –, dass die Fotografie objektiver sei als ihre Vorgängertechniken, der irrt. Jedes Lichtbild ist subjektiv und dadurch auch manipulativ. Der gewählte Ausschnitt, die Tages-, Jahreszeit, die Wetter- und Lichtverhältnisse geben immer zunächst und in erster Linie die Entscheidung des Fotografen/der Fotografin wieder und sind auf den kurzen Moment des Auslösens begrenzt.
Was nicht im Bildausschnitt erscheint, davon wissen wir nichts. Im Wissen, dass der Ort, der Mensch etc. im nächsten Augenblick sich schon vollkommen anders geben kann und wird, lässt uns die Fotografie auch immer mit Fragen zurück.
Und dennoch können wir von Dokumentationsfotografie sprechen, denn in der Sammlung von Bildern, beispielsweise einer Stadt, eines Ortes oder einer Region, können wir Rückschlüsse ziehen und so etwas wie die Schichtungen der Historie erkennen. Die Nutzbarmachung von Informationen zur weiteren Verwendung ist dann das erklärte Ziel.
Und so sind Fotoarchive, Magazine und Aktenschränke[1] zu Gedächtnissen geworden, oder zumindest zu Gedächtnishilfen. „Zusammen mit anderen ‚Gedächtnisinstitutionen‘ wie Bibliotheken, Dokumentationsstellen oder Museen bilden Archive das besonders sensible kulturelle sowie das rechtlich-administrative Gedächtnis eines Staates, einer Kommune oder einer Region sowie einer Bevölkerung.
Spezifisch für Archive ist, dass die im Archivgut enthaltenen aufzubewahrenden Informationen als Primärquellen einzigartig sind und im Regelfall nur einmalig überliefert wurden“, heißt es in einem Wikipedia-Beitrag zum Thema Archiv.[2]
„Archivierung dient der Rechtssicherung, der Erhaltung von Kontinuität und Nachvollziehbarkeit von Vorgängen und der Bewahrung der Authentizität des aufbewahrten Schrift-, Bild- und Kulturgutes. Archivgut ist (rechtlich) originär. Es ist einzigartig, einmalig, unersetzbar.
Es gibt keine mannigfachen Kopien, Nachdrucke oder Neuauflagen wie beispielsweise in Bibliotheken. Was sich in einem bestimmten Archiv befindet, liegt nicht zwei Häuser weiter noch einmal. Daher gilt es, die Sicherung, Bewertung, Erschließung und Erhaltung von Archiven sicherzustellen.“[3]
Und – konkret auf unser Thema des Gedächtnisses der Stadtentwicklung fokussiert – stellen sich die Fragen, wie unsere Vorfahren lebten, wie unsere Stadt, unser Dorf, unsere Heimat früher aussah, wie das Leben damals war, wie es sich veränderte usw.
Durch die Konkretheit der Fotografie, durch die Art und Weise der Erzählung innerhalb einer Sammlung wird uns u.a. klar, wie schnell Entwicklung funktionieren kann. Besucht man heute ostasiatische Metropolen wie Shanghai, Bangkok, Kuala Lumpur, Taipeh oder Tokio, wird dies besonders deutlich. Die Lebenserwartung eines Hauses in Tokio liegt bei lediglich 28 Jahren.
Selbst historische Gebäude werden abgerissen und, vergleichbar mit dem von der DDR-Führung gesprengten Stadtschloss in Berlin 1950, später neu, aber im alten Stil gebaut. Über Sinn und Unsinn dieser Verfahren kann an anderer Stelle diskutiert werden, jedoch zeigen, ja dokumentieren diese Extrembeispiele auch immer den Geist von Entscheidungsträgern und einer bestimmten Zeit.
Die Fotografie im Zusammenhang mit Stadtentwicklung hat in den meisten Fällen etwas mit Architektur, Stadtplanung, Verkehrswegen, Wachstum, Fortschritt, Neugliederung von Raum- und Bedarfsverhältnissen zu tun. Die Fotografie hilft dabei, auf bislang gewachsene Strukturen zurückgreifen zu können, ehemalige historische Bezugsgrößen zu haben und diese in eine heutige Relation zu setzen.
Die Kriege in Europa und die damit verbundenen Zerstörungen – teilweiser kompletter Infrastrukturen und komplexer, gewachsener, urbaner Gebiete – haben gerade Mitte des 20. Jahrhunderts vollkommen neue und andere Städte entstehen lassen, teilweise radikal erneuert, zuweilen mit den Versuchen versehen, Altes in irgendeiner Form zu erhalten.
Schauen wir auf die kolorierte Aufnahme des Wiener Burgtheaters, das irgendwann zwischen 1890 und 1900 von einem unbekannten Fotografen/einer Fotografin geschossen wurde, so erzählt uns das Foto nicht nur, wie das Theatergebäude damals aussah und in welchen Zustand es sich befand, sondern es zeigt uns auch, wie „leer“ das Umfeld in jenen Jahren aus heutiger Sicht war.
Wie ruhig und friedlich die Szenerie war: Es sind nur wenige Menschen unterwegs, hier zwei Litfaßsäulen, dort Baumreihen, Fuhrwerke und Fiaker, bemerkenswert grün und großzügig wirkt die Anlage – aber es gibt auch keinen Straßenverkehr, keine zugeparkten Straßen und auch vermeintlich weniger Lärm.
Das Foto zeigt ein entrücktes Detail aus Wien, was wir heute vollkommen unterschiedlich konnotieren als es damals der Fall war, weil sich die Vergleichsparameter in den 120 Jahren gehörig verändert haben.
Einer der ersten Fotografen, die die fotografische Dokumentation einer Stadtentwicklung konsequent und langfristig durchgeführt haben, war der Franzose Jean Eugène Auguste Atget (1857-1927). Sein Lebensthema war Paris – die Stadt, die er liebte und in der er lebte. Bemerkenswert und bedeutsam sind seine Serien „Paris pittoresques“ und „Le vieux Paris“.
Er erfasste um die Jahrhundertwende ins 20. hinein mit seiner sperrigen Großformatkamera das alte, teilweise morbide und heruntergekommene Paris, um auch systematisch die kleinsten Details der Stadt zu katalogisieren.
Seine Fotos zeigen die Parks, Gebäude, Straßen, Schaufenster, Prostituierten, Arbeiter und sogar Türklinken der Metropole an der Seine. Bedarf für diese Aufnahmen gab es nicht nur bei Touristen und Sammlern, sondern auch bei Malern und Bühnenbildnern, die seine Fotos als Vorlagen für ihre eigene Arbeit nutzten.
Später verkaufte Atget dann schließlich auch Serien an Museen, Archive und Bibliotheken. Ein Bewusstsein darüber, welche langfristige Wirkung die serielle Fotografie einmal erhalten würde, war damals noch nicht ausgeprägt.[4]
Paris war – wie viele andere europäische Städte auch – um die Jahrhundertwende eine Stadt des Aufbruchs und der großen städtebaulichen Veränderung. Ganze Quartiere wurden abgerissen, Straßenzüge gebaut, Boulevards angelegt. Die kleinen Dorfgemeinschaften am Rande der damaligen Stadt wurden eingemeindet und regelrecht verschluckt.
Eine Ausstellung im Jahr 2014 in der Frankfurter Schirn mit dem Titel „Esprit Montmartre: Bohemian Life in Paris Around 1900“ widmete sich in einem Kapitel auch der Dokumentationsfotografie dieses heute so berühmten Ortes innerhalb der französischen Hauptstadt.
Die Sammlung „Société d’Histoire Le Vieux Montmartre” birgt einen ungeheuren Schatz an Fotografien, die das ländliche Vorstadtleben präsentieren, mit Windmühlen und kleinen Häuschen, wo die Motive für Maler nicht schwer zu finden waren. Das Varieté-Theater „Moulin Rouge“ ist heute als Signet der Vergangenheit noch vorhanden.
Der Montmartre ist die höchste Erhebung von Paris, die so zum Aussichtspunkt wurde und auf der im 19. Jahrhundert Windmühlen gebaut wurden. Teilweise wurden diese zu Cafés und Veranstaltungslokalitäten erweitert, was ebenfalls auf ehemalige Gipsmühlen zutraf.
Im Atelier von Eugène Atget arbeiteten der berühmte Künstler und Fotograf Man Ray (1890-1976) und die amerikanische Fotografin Berenice Abbott (1898-1991). Ihr ist es letztlich zu verdanken, dass Atget nicht in Vergessenheit geriet, denn sie kaufte einen Teil des Nachlasses auf und brachte diesen in die USA. Heute werden die Fotografien im Museum of Modern Art in New York aufbewahrt, verwaltet und sorgsam wissenschaftlich und kulturell aufgearbeitet.
Berenice Abbott selbst war eine hervorragende Lichtbildnerin. Als sie 1929 nach New York reist, um einen Verleger für ein Buch über das Werk von Atget zu finden, erkannte sie, wie sich die Stadt am Hudson und East River komplett verändert hatte. Die Weltwirtschaftskrise (1929-32) im Schlepptau, spürte sie dennoch die mitreißende Dynamik und bemerkte die großen baulichen Veränderungen in der Stadt.
Gegen den Rat vieler ihrer Freunde zog sie zurück nach New York und begann Anfang der 1930er-Jahre, gemäß ihres Vorbilds Atget, die Wandlungen New Yorks abzulichten. Ihre Umtriebigkeit mündete in das Projekt, an dem sie jahrelang und bald staatlich gefördert arbeitete: „Changing New York“.
Die Transformation zwischen Abbruch und Neubau stand im Fokus ihrer Teilhabe. Dabei folgte sie einer (nämlich ihrer) Philosophie: „Die Vergangenheit genießen“, so sagt sie in einem filmischen Interview 1990, „heißt die Zukunft definieren zu können“.
(dt.: Wenn du eine Stadt fotografierst, dann fotografierst du Menschen), meint sie weiter und zeigt damit eine grundsätzliche Haltung, kam es ihr doch weder darauf an, sich selbst als fotografische Autorin sichtbar zu machen und gar ins Zentrum zu rücken, noch einen leeren ungenutzten Stadtraum abzulichten.
Vielmehr beabsichtigte Abbott, den Raum, die Orte und die Stadt als Portrait denjenigen zu zeigen, die in ihnen wohnen, arbeiten und leben. Ihr Credo heißt Direktheit (engl.: „directness“), ungeschönt, unkommentiert. Ihre Leistung liegt sicherlich in der guten Auswahl des Motivs, aber auch hier hat sie eine genaue Vorstellung: „The way it looked – I loved. No composition needed“ (dt.: So, wie es aussah, liebte ich es. Keine Komposition notwendig).
Das galt auch später für die Ausweitung des New Yorker Projekts auf den gesamten westlichen Teil der USA. Sie reiste mehrfach entlang der U.S. Route 1, von Nord nach Süd, von Maine bis Florida: „America shall understand itself through photography!“ (dt.: Amerika soll sich selbst verstehen und zwar durch die Fotografie) – so ihr Wunsch.[5]
Abbotts Einstellung und Haltung zur Dokumentarfotografie und zur Archivierung eines Zeitabschnitts in der Entwicklung New Yorks und der östlichen U.S.A. sind bis heute maßgeblich.
Vergleichbares hat auch der in Taiwan geborene und in Japan ausgebildete Fotograf Chi-hsin Yang (1923-2005) geschaffen. Er erhielt 1949 von der US-amerikanischen Regierungsagentur, der Sino-American Joint Commission on Rural Reconstruction (JCRR)[6] den Auftrag, den Wiederaufbau Taiwans fotografisch zu dokumentieren.
Es entstanden Zehntausende von Fotografien über einen Zeitraum von zehn Jahren. Yangs über jeweils 10.000 Fotos umfassende Archive sind heute in Washington DC und auf Taiwan zu finden. Sein eigenes Archiv nannte er „Zeitkapsel“. Eine „Zeitkapsel“ ist ein Behälter zur Aufbewahrung von Dingen für eine bestimmte Zeit, der erst nach einem bestimmten Zeitintervall geöffnet werden darf, mit dem Zweck, zeittypische Dinge an die nächste Generation weiterzugeben.[7]
Seine einmaligen Fotowerke sind lebensnahe Dokumentation, Rechenschaftsbericht und künstlerische Reisefotografie zugleich. Das Taiwan Museum of National History widmete 1999 Yang, dem dort arriviertesten Nachkriegsfotografen, eine umfassende Einzelausstellung, die später ab 2003 auch in Deutschland zu sehen war. Viele jüngere Fotografen in Taiwan sehen sein Werk als Vorbild an und berufen sich auf seine außergewöhnliche und hochqualifizierte dokumentarische Arbeit.
Dass es auch Kuriositäten in Archiven zur Stadtentwicklung gibt, sei hier nur kurz erwähnt. So sind im Katalog und in der Sammlung der „Chicago World’s Columbian Exposition“ aus dem Jahr 1893 Fotografien von Orten zu sehen, die eigentlich Leerstellen waren und sind. Anlässlich der Weltausstellung in der Stadt am Lake Michigan wurden auf einem begrenzten und vorgefassten Areal ganze Ortschaften gebaut.
Landestypisch sollten sie sein. „Old Vienna“ stand in großen Lettern am Eingang des österreichischen Terrains und in deutscher und englischer Sprache: „Alt Wien – ein exakter architektonischer Nachbau von Straßen und Gebäude von Wien wie es vor 200 Jahren aussah“ (engl.: Old Vienna – an exact architectural reproduction of streets and buildings of Vienna as it actually appeared 200 years ago).
Gleich gegenüber war ein arabisches Dorf errichtet worden, ganz im Stil der Zeit und einem Straßenzug in Aleppo in verblüffender Echtheit ähnlich. Das Deutsche Dorf mit Preußischem Adler über dem Eingangstor war ebenfalls im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts gebaut worden, ein wenig an Kolonialarchitektur erinnernd.
Deutsches Bier, deutsche Mode, deutsche Gemütlichkeit und tägliche Konzerte der Preußischen Militärkapelle aus Potsdam waren die Lockrufe, die die Werbung an die Besucher richtete.
Fotografische Kostbarkeiten und wertvolle historische Bildquellen aus den Bundesländern präsentiert die Sammlung Österreich, geordnet nach Themen und nach Ländern. „Einzigartige Aufnahmen und Dokumente aus dem Alltag, historische Landschafts- und Städteaufnahmen.
Darstellungen des Arbeitslebens, Technik, Kultur, Sport und historische Ereignisse von den Anfängen der Fotografie bis in die Gegenwart vermitteln ein lebendiges Bild vergangener Zeiten. Eine repräsentative Auswahl der Bilder wurde in der Buchreihe Österreichs Bundesländer in alten Fotografien veröffentlicht“, heißt es auf der Homepage vom Bildarchiv Austria.[8]
Neben dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek verfügen u.a. auch der ORF, das Bundesdenkmalamt, die Presseabteilungen der Landesregierungen, Museen, Fremdenverkehrsverbände, Zeitungsredaktionen und Verlage über umfangreiche Bildarchive.
Um die Bedeutung dieser Archive zu verdeutlichen, hier einige kurze Beispiele zu ihrem Nutzen, Sinn und Zweck.
Im Landesfotoarchiv Oberösterreichs findet sich etwa eine historische Aufnahme der Linzer Synagoge, bevor sie 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesetzt und zerstört wurde.
Anhand diesem und weiterer Fotos der Außen- und verschiedener Innenansichten wurde im Rahmen von „Ars Electronica Futurelab“ 2016 in Linz und als Diplomarbeit an der Technischen Universität Wien von René Mathe unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Bob Martens ein Virtueller Rundgang erarbeitet.[9] Das Projekt wurde unterstützt von der Israelitischen Kultusgemeinde Linz (IKG).
Mathes Ziel war es, den Menschen zu ermöglichen, dieses ehemalige Zentrum jüdischen religiösen Lebens heute neu zu erleben und die Erinnerung wachzuhalten. Er bezog sich auf ein Projekt, das 1995 bereits in Darmstadt gestartet war – zerstörte Synagogen virtuell zu rekonstruieren.
In einem Interview erklärt Mathe zur Suche und Auffindung des Materials: „Das NS-Regime war tunlichst darauf bedacht, sämtliches Kulturgut der jüdischen Gemeinschaft für immer aus der Geschichte zu entfernen. Dementsprechend war es auch schwierig, brauchbare Aufzeichnungen über die damalige Synagoge zu finden.
Die bedeutendsten Grundlagen in Form von alten Umbauplänen und Fotografien haben die Linzer Archive, also das Archiv der Stadt Linz, das Diözesanarchiv und das Archiv der IKG Linz, zur Verfügung gestellt. Ich habe für die Rekonstruktion aber auch textliche Beschreibungen und Augenzeugenberichte vom Novemberpogrom aus den Archiven des jüdischen Museums und der IKG in Wien[10] herangezogen.
Eine weitere Informationsquelle war das Kriegsarchiv im Österreichischen Staatsarchiv[11]. Von dort habe ich alte Luftbildaufnahmen erhalten. Sie geben Aufschluss über den damaligen städtebaulichen Kontext und die Eingliederung der jüdischen Kultur in das Linzer Stadtbild.“[12]
So finden sich im Bildarchiv und in der Grafiksammlung des Bundesministeriums Bildung Wissenschaft Forschung in Wien sowie im Archiv der Nationalbibliothek in Wien historische Fotografien des sogenannten Dreimäderlhauses[13] auf der Mölkerbastei (1. Bezirk, Schreyvogelgasse 10).
Die drei zusammengestellten Aufnahmen des im spätjosephinischen Klassizismus-Stils und 1803 gebauten Hauses zeigen, wie sich das Gebäude im Laufe von 100 Jahren veränderte, aber insbesondere wie sich die Umgebung verändert hat: 1899 – 1940 – 1960 (wobei 1950 eine erste Renovierung des Hauses stattfand).
Erstaunlicherweise findet sich auf der Fotografie von 1899 des damals führenden Wiener Architektur- und Stadtfotografen August Stauda (1861-1928)[14] ein Heer von Werbeschildern am und um das Haus herum. Offensichtlich kam später einmal der Denkmalschutz ins Spiel und verbot derlei Anbringungen.
Das Haus selbst unterlag kaum nennenswerten, sichtbaren Veränderungen, es scheint alle Zeiten überstanden zu haben. Das eingerahmte Medaillonbild an der Südost-Fassade zeigt eine Madonnendarstellung, die auf allen Fotografien zu erkennen ist.
Der heutige Zustand des Dreimäderlhauses aus dem Jahr 2017 zeigt eine farbliche Angleichung an die Umgebung und den sehr guten Erhalt und Zustand.
Im Netz finden sich weitere interessante zeitliche Vergleichsbeispiele.
In einer Darstellung aus Linz wird verdeutlicht, wie stark sich Orte verändern können. Die Aufnahme aus dem Stadtarchiv von 1964 und eine desselben Ortes von 1996 verdeutlichen, wie immens sich Städte durch architektonische Eingriffe und Stadtplanung verändern können – und kaum wiederzuerkennen sind.
Der in Minneapolis (MN) ansässige Architekturfotograf Peter J. Sieger reiste nach Paris um Orte aufzuspüren, die Eugène Atget zwischen 1890 und 1910 fotografiert hat und lichtete jeweils den identischen Ort erneut ab. Unter dem Titel „Paris: Atget – Then & Now“ lassen sich Straßenzüge, Häuser, Gassen, Geschäfte und Brücken direkt einander zuordnen und eröffnen dem Zuschauer, wie sich „Stadt“ veränderte oder eben auch nicht oder kaum.
Eines ist allen systematisch arbeitenden Fotoarchiven gemeinsam. Durch die gesammelten Fotografien sollen gesellschaftliche Veränderungen langzeitlich sichtbar gemacht und für immer erhalten bleiben. Auch wenn es keine ultimative Formel der Langzeitarchivierung gibt.
Zumeist vollziehen sich die Entwicklungen langsam und die Chronologie von Wandlung lässt sich durch Dokumentationen präzise nachvollziehen sowie wissenschaftlich und gesellschaftlich über Generationen hinweg aufarbeiten.
Sammelt also weiter Fotos!
[1] Lat.: Archivum, dt.: Aktenschrank.
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Archiv.
[3] Vgl. Zentrum für Verwaltungsforschung (KDF), Wien (www.kdf.at) sowie BECKER, Christoph: Trustworthy Preservation Planning; https://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_203470.pdf.
[4] Die „Florence Declaration – Empfehlungen zum Erhalt analoger Fotoarchive“, wurde erst im Jahre 2009 offiziell vorgestellt. Weitere Informationen: https://www.khi.fi.it/de/photothek/florence-declaration.php und https://www.khi.fi.it/pdf/photothek/florence_declaration_DE.pdf
[5] Vgl.: FRIEDE, Claus: Berenice Abbott: Fotografien; https://www.kultur-port.de/index.php/blog/fotografie/13540-berenice-abbott-fotografien.html.
[6] Die Sino-Amerikanische Kommission für den Wiederaufbau des ländlichen Raums (JCRR) wurde 1948 auf dem chinesischen Festland gegründet. Nach dem chinesischen Bürgerkrieg zog die JCRR nach Taiwan, wo ihre Arbeit in den 1950er und 1960er Jahren in der Landwirtschaft als Grundlage für das herausragende Wirtschaftswachstum Taiwans in den folgenden Jahrzehnten durch ein koordiniertes wirtschaftliches, soziales und technisches Programm erfolgreich wurde. 1979 stellte die JCRR ihre Arbeit ein.
[7] Vgl. FRIEDE, Claus: „Yang Chi-hsin – ‚Zeitkapsel‘: Fotografien einer Dekade, Taiwan zwischen 1950 und 1960“, Hamburg 2013. S. 9 sowie FRIEDE, Claus: „‘Zeitkapsel‘ – Bilder einer verschwundenen Welt“; https://www.kultur-port.de/index.php/blog/fotografie/7752-zeitkapsel-bilder-einer-verschwundenen-welt.html.
[8] Vgl.: http://www.bildarchivaustria.at.
[9] Vergl.: The Virtual Reconstruction of the Linz Synagogue
[10] Vgl.: http://www.archiv-ikg-wien.at/.
[11] Vgl.: https://www.oesta.gv.at/kriegsarchiv.
[12] Das gesamte Interview findet sich hier.
[13] Benannt nach Hannerl, Hederl und Heiderl Tschöll, Töchter des Glasermeisters Franz Tschöll.
[14] Vergleichbar mit Eugène Atget hielt August Stauda um 1900 Wiens Gebäude, Straßen und Gassen akribisch in tausenden Bildern fest. Er eröffnet um 1885 sein erstes Atelier in Wien. Knapp dreitausend Negative und Abzüge von Staudas Bildern der österreichischen Hauptstadt befinden sich heute in der topografischen Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.
Fast gleich groß ist der Bestand der Abzüge im Besitz des Wien Museums. Welche dem lange Zeit fast vergessenen Stadtfotografen 2006 eine umfassende Werkschau widmete. 2.938 Online-Fotos von ihm sind im Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek zu finden.
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