Wie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Gemeinden revolutioniert

05.09.2017
Trends, Wirtschaft

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Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung stellt Kommunen vor große Herausforderungen. In der Online-Abwicklung von Behördenleistungen sind sie gezwungen, auf den Zug des Mega-Trends Digitalisierung aufzuspringen, um einerseits effektiv und zeitsparend zu arbeiten, andererseits, um die Erwartungen der BürgerInnen und UnternehmerInnen zu erfüllen.

Wir gehen auf die Rahmenbedingungen ein, die im Kontext der Digitalisierung von Bedeutung sind, und zeigen Ihnen einige Best Practice-Beispiele österreichischer Gemeinden.

 

Die digitale Roadmap

Digitalisierung steigert den Wettbewerb zwischen Unternehmen und Wirtschaftsstandorten. Damit steigen auch die  Anforderungen an den digitalen Entwicklungsstand eines Landes und seiner Kommunen. Österreich hat auf diese Herausforderung mit der Digital Road­map Austria reagiert. Die Roadmap ist der Fahrplan zu einem digitalen Österreich.

Damit wurde seitens des Bundes erstmals ein Gesamtkonzept zur Digitalisierung erstellt – und nicht wie bisher lediglich einzelne Strategien. Zwölf Leitprinzipien und 150 konkrete Maßnahmen wurden erarbeitet, um den digitalen Wandel aktiv umzusetzen.

Basis ist dabei auch das Deregulierungsgesetz 2017. In diesem wird unter anderem festgehalten, dass die Kommunikation auf elektronischem Weg zwischen BürgerInnen und Unternehmen mit Behörden weiter ausgebaut sowie der Zugang zu elektronisch übermittelten Dokumenten von unterschiedlichen Behörden vereinfacht werden soll.

 

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören:

  • Personalisierung und Regionalisierung des E-Government-Angebots
  • Vernetzung und automatischer Informationsaustausch zwischen den E-Government-Angeboten von Bund, Ländern und Gemeinden
  • Ausweitung von One-Stop- und No-Stop-Verfahren
  • Data once only: Informationen und Dokumente müssen der Behörde nur einmal übermittelt werden

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sorgt für mehr Effizienz, etwa man vorhandene Daten sinnvoll verknüpft und nutzt. Ein Beispiel wäre hier die „Antraglose Familienbeihilfe“. Die Finanzverwaltung prüft automatisiert, ob die Kriterien für den Bezug erfüllt sind. Dafür ist die behördenübergreifende, automatische Verknüpfung von Daten notwendig. Das spart der öffentlichen Verwaltung Kosten und BürgerInnen wie auch Unternehmen Zeit und Aufwand.

 

Wo steht Österreich im EU-Vergleich?

Der Digitalisierungsindex misst anhand von fünf Kriterien, wo Österreich im EU Vergleich steht. Konkret ergeben sich aktuell folgende Platzierungen:

  1. Konnektivität (Verbindungsleitungen und Breitband) – Rang 15
  2. Humanressourcen (Basiswissen und Experten) – Rang 07
  3. Internetnutzung in der Bevölkerung – Rang 21
  4. Integration digitaler Technologien – Rang 14
  5. Digitale öffentliche Dienste – Rang 05
Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Österreich im EU-Länder Vergleich
Grafik: Österreich im Digitalindex der Europäischen Kommission (DESI 2017)

 

Österreich kann man nicht als Vorreiter in der Digitalisierung bezeichnen, wenngleich es im Bereich E-Government  zu den besten 5 in Europa zählt. Im Bereich Humanressourcen schneidet Österreich ebenfalls überdurchschnittlich ab. Im Hinblick auf Breitband-Aufbau, Internetnutzung und Integration digitaler Technologien besteht allerdings Aufholbedarf.

Gemessen am BIP Pro-Kopf befindet sich Österreich ebenfalls auf den hinteren Rängen. Länder mit hohem Einkommen sind in der Regel hoch digitalisiert, der Digitalisierungs-Grad Österreichs ist jedoch unterdurchschnittlich im Vergleich zu Ländern mit ähnlich hohem Pro-Kopf-Einkommen wie z. B. Finnland oder die Niederlande.

Außerdem gibt es in Österreich nur einen geringen Anteil an schnellem Breitband, also mehr als 30 Megabit pro Sekunde, hier haben wir den 19. Platz von 29 Ländern. Dadurch ergeben sich wiederum niedrige Nutzungsraten für datenintensive Dienste wie beispielsweise Video-on-Demand.

 

Wie fit sind die ÖsterreicherInnen beim Thema E-Government?

Österreich ist mit seinem hohen E-Government-Anteil einer der Vorreiter in Europa. Das Angebot von Seiten des Staates ist eine Seite. Wie sieht es aber mit der tatsächlichen Nutzung der Online-Angebote durch die BürgerInnen aus? Ist die Bereitschaft dazu vorhanden? Sind die Kenntnisse insbesondere der älteren Bevölkerung zur Nutzung der Online Services ausreichend?

Die Antwort ist ein klares JA! Bereits über 70 Prozent der ÖsterreicherInnen nutzen die Online-Angebote der öffentlichen Verwaltung auf verschiedenen Ebenen. So verwenden beispielsweise über 640.000 NutzerInnen die Handy-Signatur.

Weiters waren laut Statistik Austria bereits 85 Prozent der österreichischen Haushalte im Jahr 2016 mit einem Internetzugang ausgestattet. Im MMA Communication Report zur mobilen Nutzung in Österreich zeigt sich ebenfalls eine hohe Akzeptanz. Im aktuellen Report von 2016 können Sie nachlesen, dass 92 Prozent aller ÖsterreicherInnen ein Smartphone nutzen.

Und selbst im Alter (60- bis 69-Jährige) nutzen bereits 78 Prozent ein Smartphone. Auch die Zahl der Digital Outsiders sinkt kontinuierlich. 30 Prozent sind digital Natives, 61 Prozent digital Immigrants und nur noch 9 Prozent sehen mobiles Internet kritisch.

Das sind beachtliche Werte, die das Argument der digitalen Kluft relativieren. Die Unterschiede im Zugang zu und der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie verschiedener Bevölkerungsgruppen entsteht in erster Linie zwischen den verschiedenen Altersschichten. Einen deutlichen Gegensatz dazu gibt es bei Personen, die bereits seit einigen Jahren in Pension sind. Doch diese Kluft schließt sich mehr und mehr.

Zusammenfassend kann man daher feststellen, dass seitens der Bevölkerung digitale Angebote der Kommunen positiv aufgenommen und auch genutzt werden. Für Digital Outsiders wird man zwar weiterhin eine Infrastruktur bereitstellen müssen. Für Gemeinden eröffnet sich jedoch unabhängig davon bedeutendes Einsparungspotential, wenn die Digitalisierung der Verwaltung nachhaltig umgesetzt wird.

 

Digitalisierung als strategischer Standortfaktor

Die Drei-Länder-Studie „Digitale Agenda 2020“ von CSC, für die 500 UnternehmensentscheiderInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden, lassen seitens der Wirtschaft einen erheblichen Handlungsdruck zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung erkennen.

41 Prozent gehen davon aus, dass die Behörden den erforderlichen Handlungsbedarf bisher unterschätzen. Als wichtigste Gründe für die schleppende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nennen die befragten Führungskräfte an erster Stelle Aus- und Weiterbildungslücken in den Behörden (36 Prozent), ungelöste Finanzierungsfragen (28 Prozent) und fehlende Ansprechpartner als Schnittstelle zu externen Unternehmen (26 Prozent).

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die gemeinsame Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), der PricewaterhouseCoopers WPG GmbH (PwC) und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO).

Der Untersuchung zufolge müssen Städte und Kommunen schnell und umfassend digitale Kompetenzen aufbauen und nutzen, um ihre Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit in der digitalen Welt zu sichern. Sie müssen sich mit den Veränderungen in der Wirtschaft befassen, um Unternehmen ein attraktives und vernetztes Umfeld bieten zu können. Und sie müssen alle Bevölkerungsgruppen auf dem Weg zur digitalen Kommune mitnehmen – auch jene, die mit der digitalen Welt nicht viel anfangen können.

 

Laut der Studie ergeben sich für digitale Kommunen beachtliche Vorteile:

  • Die wirtschaftliche Situation im Vergleich zu weniger digitalisierten Kommunen ist deutlich besser.
  • Das Gewerbeaufkommen steigt.
  • Die Zahl an Beschäftigten ist schneller ansteigend.
  • Die Attraktivität für neue Einwohner steigt.
  • Die Anzahl an hochqualifizierten Jobs ist höher.

Kommunen müssen die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung daher zur strategischen Aufgabe machen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

„Eine entwickelte digitale Infrastruktur ist für Kommunen schon heute ein zentraler Standortfaktor. Die Attraktivität einer Kommune für BürgerInnen und Unternehmen hängt entscheidend von ihrem Digitalisierungsfortschritt ab.

Michael Jahn, Leiter Kompetenzteam Smart Cities bei PwC

 

Erste Schritte zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung

Matthias Lichtenthaler, Leiter des Bereichs Digitale Transformation im Bundesrechenzentrum (BRZ), sieht für Kommunen erhebliches Einsparungspotential, wenn die Digitalisierung konsequent betrieben wird. Investitionen seien durch die Einsparungen nach 18 Monaten wieder eingespielt.

Als positive Effekte der Umstellung nennt er insbesondere verbesserte BürgerInnen- (KundInnen-) Betreuung, schnellere Abläufe sowie revisionssichere Verfahren. Da viele administrative Prozesse durch die Umstellung stark reduziert werden könnten, wären MitarbeiterInnen wieder vermehrt für direkt bürgerorientierte Aufgaben einsetzbar.

Aus seinen Erfahrungen mit anderen öffentlichen Organisationen empfiehlt Matthias Lichtenthaler bei der Umstellung eine schrittweise Vorgangsweise in verschiedenen Modulen. Bisherige analoge Prozesse sollten einer Prüfung unterzogen werden, bevor sie digitalisiert werden. Denn die Digitalisierung allein wird einen umständlichen, ineffektiven Prozess auch nicht besser machen.

Eine in der Regel sehr rasche Umstellung sei bei vielen dokumentenbasierten (und damit noch typischerweise papierbasierten) Verfahren möglich, wenn ein frühzeitiges Scannen des Papiers und eine teilautomatisierte Weiterverarbeitung eingeführt wird. Dafür bietet das Bundesrechenzentrum standardisierte Leistungspakete an, die in einem knappen Kostenrahmen schnell Effizienzen erzielen.

 

3 Best Practice Beispiele

Im folgenden zeigen wir Ihnen drei Beispiele aus der Praxis einiger österreichischer Gemeinden, die bereits effiziente Schritte zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gegangen sind.

 

1. Der digitale Bauakt

Der digitale Bauakt erleichtert BürgerInnen den Zugriff auf ihre Baudaten, verschafft Gemeinden einen besseren Überblick und spart Papier, Druckkosten und vor allem Zeit. Vorreiter der Digitalisierung von Bauakten waren die Vorarlberger Gemeinden Hohenweiler und Eichenberg, die bereits 2014 ein entsprechendes System eingeführt haben. Jeder Bauakt wird als PDF-Dokument abgespeichert, wobei die Information des Papieroriginals, wie Farbe und Textmarkierungen, erhalten bleibt.

Die Bauakten werden in die hierfür programmierte Datenbank „Geschäftsverwaltung“ importiert, wo aktuelle und zukünftige Bauakte von Gemeinden und Baurechtsverwaltungen organisiert und archiviert werden. Anfang des Jahres wurde auch in der Marktgemeinde Siegendorf ein ähnliches System etabliert, viele burgenländische Gemeinden ziehen bereits nach.

 

2. Digitalisierung der Verwaltung in Kärnten

Vorrangiges Ziel der derzeit anlaufenden Digitalisierungsoffensive in Kärnten ist die Entwicklung eines einheitlichen EDV-Systems, das alle Gemeinden nutzen. Verwaltungsvereinfachung und effiziente Abläufe sollen mehr Zeit für Bürgerkontakte und interkommunale Kooperationen schaffen sowie BürgerInnen ein modernes Service und Transparenz bieten. Stark unterstützt wird die Umsetzung der Offensive von den drei Pilotkommunen Villach, Nötsch und Finkenstein.

Die Stadt Villach unter Bürgermeister Günther Albel forciert als Hochtechnologiestandort bereits seit vielen Jahren den Ausbau der Digitalisierung und war daher auch maßgeblich an der Entwicklung der Kernsoftware im Bereich Rechnungswesen sowie Steuern und Abgaben beteiligt.

Gemeinsam mit den Gemeinden Nötsch und Finkenstein wird diese Software bereits intensiv im Echtbetrieb genutzt. Die Basissoftware verfügt über offene Schnittstellen, an die docken weitere Anwendungen an. Auf diese Weise können Gemeinden individuelle, maßgeschneiderte Anwendungen integrieren.

Die fortschreitende Digitalisierung wird auch dabei helfen, behördliche Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Wichtige Finanzierungsmittel können außerdem schneller in die Wirtschaft fließen. Von der schnelleren Bearbeitung von Anliegen profitiert auch die Bevölkerung massiv.

Diese können wir digitalisiert auch viel leichter in wichtige Entscheidungsprozesse – Stichwort Bürgerbeteiligung – einbinden. Zu guter Letzt profitiert auch die Natur, da wir in weiterer Folge große Mengen an Papier nicht mehr benötigen„, so Bürgermeister Günther Albel.

 

3. Digitalisierung der Abfalllogistik

Das Pilotprojekt der Marktgemeinde Birkfeld zur Optimierung der Abfalllogistik wurde 2016 mit dem Österreichischen Verwaltungspreis ausgezeichnet. Die gewählte Vorgangsweise sowie die erarbeiteten Methoden und Erfahrungen aus dem Projekt sind – so die Jury – in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung anwendbar.

Das Pilotprojekt befasste sich mit der Digitalisierung abfallrelevanter Objekte und der damit verbundenen Optimierung der ökologischen und ökonomischen Parameter. Das Pilotprojekt fokussierte nicht nur auf die Modernisierung der Müllsammlung, sondern auch auf die Lösung logistischer Probleme, die durch die Zusammenlegung von mehreren Gemeinden verursacht waren.

Die enge Kooperation und Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Privatwirtschaft, Universität und BürgerInnen waren ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Projekts.

Der Lösungsansatz zur Erstellung der Müllsammel-Logistik wurde unter Einbeziehung akademischer Expertise, moderner Technologie und empirischer Untersuchung der realen Bedingungen erarbeitet. Logistische Abläufe wurden hinterfragt, Prozesse neu aufgesetzt und digitalisiert.

Für die Implementierung neuer Tourenabläufe werden Visualisierungstechniken in Verbindung mit einer BürgerInnen-App eingesetzt. Durch die App wird der Zugang noch nutzerfreundlicher, die Visualisierungstechniken machen Abfalllogistik bzw. Abfallreduktion und -vermeidung anschaulich.

 

Fazit: Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung

Gemeinden benötigen in Zeiten der Digitalisierung viel Offenheit für Veränderungen. Die digitale und die klassische Infrastruktur werden in Zukunft gemeinsam für BürgerInnen und Unternehmen bereitgestellt werden müssen.

Zusätzlich braucht es entsprechende Bildungsangebote für MitarbeiterInnen in Gemeinden, um die Herausforderungen der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung effektiv umsetzen und entsprechende Rahmenbedingungen für Unternehmen gewährleisten zu können.

 

 

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