Coworking Spaces im ländlichen Raum
27.08.2019
Wirtschaft
27.08.2019
Wirtschaft
Mit der Digitalisierung haben sich neue Arbeitsformen entwickelt. Dazu gehören auch Coworking Spaces. Warum diese urbane Gestaltung des Arbeitsumfeldes auch für ländliche Regionen interessant ist, lesen Sie in diesem Beitrag.
Coworking hat seinen Ursprung in den „Hackerspaces“, die bereits in den 70er und 80er Jahren in Deutschland entstanden und als Vorstufe von Coworking Spaces in Europa gelten. Der erste Coworking Space in Wien eröffnete im Jahr 2002 unter dem Namen „Schraubenfabrik“. 2004 und 2007 folgten mit der Hutfabrik und Rochuspark zwei weitere Spaces. Seither ist die Anzahl der Coworking Spaces vor allem im urbanen Bereich rasant gestiegen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Bei Coworking Spaces handelt es sich um Räumlichkeiten, in denen gegen Entgelt Arbeitsplätze flexibel angemietet werden können. Neben einer kompletten Büroinfrastruktur (Internet, Drucker, Scanner, Telefon, Beamer, Besprechungsräume) werden zunehmend beispielsweise zusätzliche Leistungen wie Küche, Aufenthaltsraum, Veranstaltungsraum, Schließfächer, Fitnesscenter und technische Geräte (Plotter, 3D-Drucker etc.) angeboten.
Je nach Breite und Ausprägung ihrer Angebote bieten Coworking Spaces ihren Nutzern unterschiedliche Arbeitssituationen – vom tageweisen Anmieten von Büroarbeitsplätzen bis hin zu Kreativräumen sind die unterschiedlichsten Settings möglich.
Coworking Spaces sind eher ein urbanes Phänomen und auf dem Land teilweise noch relativ unbekannt. In den vergangenen Jahren wurde das Konzept jedoch zunehmend auch für den ländlichen Raum diskutiert. Unternehmensgründungen bzw. die Ansiedlung von Kleinunternehmern in der Region scheitert oft am Mangel günstiger, flexibel mietbarer Büroflächen.
Einen Lösungsansatz bietet diesbezüglich das Arbeitsmodell des „Coworking“, welches sowohl Gemeinden als auch Unternehmern viele Vorteile bringen kann.
Hinsichtlich der Unternehmensstruktur sind Coworking Spaces vor allem für die Kreativwirtschaft, Ein-Personen-Unternehmen (EPUs), Start-ups und Jungunternehmer in der Gründungsphase geeignet.
In ländlichen Regionen könnte das Konzept in Zukunft auch für Pendler interessant werden, die in die nächstgelegene Stadt pendeln, obwohl sie ihre Arbeit (teilweise) auch ortsunabhängig erledigen könnten. Das Coworking 0711 aus Stuttgart hat beispielsweise 2017 rund 30 km südwestlich der Stadt in Herrenberg einen Coworking Space für pendelnde Coworker aus der Region eröffnet.
Aber auch für Städter, die am Land in stadtnahen Coworking Spaces arbeiten wollen, gibt es bereits interessante Projekte. Ein Beispiel dafür ist das 2017 eröffnete „coco-nat“ in Bad Belzig, einer 11.000-Einwohner-Gemeinde zwischen Berlin und Leipzig mit einem kleinen Bahnhof.
Die Hauptzielgruppe sind Berliner und Leipziger, die eine Auszeit von der hektischen Großstadt wollen und zeitweise am Land arbeiten möchten. Ein guter Verkehrsanschluss an die Stadt ist schließlich für das Funktionieren solcher Coworking Modelle Voraussetzung.
Neben Arbeitsräumen drinnen und draußen gibt es im coco-nat auch Räume für Austausch und Entspannung, Sportangebote und Übernachtungsmöglichkeiten. Die regionale Bevölkerung wurde bei der Entwicklung des ehemaligen Hotels einbezogen. So kann etwa die Feuerwehr Räume nutzen und die Bewohner Bad Belzigs sind eingeladen, ebenfalls im Coworking Space zu arbeiten.
In Tourismusregionen könnte ein Coworking Space auch für Urlauber interessant sein, die ortsunabhängig arbeiten und so länger in ihrem Urlaubsort bleiben können bzw Arbeit und Freizeit kombinieren wollen.
Raumkapazitäten für Coworking Spaces sind in den ländlichen Räumen in unterschiedlicher Form vorhanden, z.B.
In kleinen Gemeinden können sich auch Mischkonzepte als sehr positiv erweisen. Die Tauglerei in St. Koloman (Tennengau) hat beispielsweise dem ehemaligen Kirchenwirt mit einem vielseitigen Konzept neues Leben eingehaucht.
Das Café ist derzeit die einzige Gastronomie im Ortszentrum und bietet zusätzlich auch ein kleines Coworking-Büro für Selbstständige, sowie Räume für Seminare und Veranstaltungen.
Ein erfolgreicher Coworking Space muss ökonomisch funktionieren. Je besser er ausgelastet ist, desto erfolgreicher ist er. Insbesondere im ländlichen Raum muss daher in einer umfassenden Potentialanalyse abgeklärt werden, ob überhaupt eine entsprechend hohe Nachfrage zur Auslastung eines Coworking Spaces besteht und welche Präferenzen etwaige Mieter haben.
Im Sommer 2018 wurden die ersten Coworking Spaces im Pinzgau eröffnet und die Bilanz kann sich schließlich in allen vier Standorten (Niedernsill, Mittersill, Krimml und Saalfelden) durchaus sehen lassen. Die Idee für das Projekt „CoWorking PinzHub“ wurde ursprünglich in der Gemeinde Krimml geboren, als sich die Frage nach der weiteren Nutzung eines leerstehenden Gebäudes im Ortszentrum stellte.
Mit einer Coworking-Infrastruktur im leerstehenden Gebäude wollte man vor allem jungen Einwohnern von Krimml eine attraktive Arbeitsumwelt bieten und so die Abwanderung verringern.
Auch sollten neue Leute in die Gemeinde geholt werden, um die eigenen Leute zu neuen Ideen zu inspirieren. Die Gemeinden Niedernsill, Mittersill und Saalfelden griffen die Idee schließlich ebenfalls auf und setzten ähnliche Projekte um.
Wesentlicher Knackpunkt für die Umsetzung des „Coworking PinzHub“ war die Finanzierung. LEADER fördert anteilsmäßig anfallende Kosten für Infrastrukturinvestitionen und Dienstleistungen zu jeweils 60 Prozent. Die zusätzlich erforderliche Kofinanzierung gestaltet sich in den vier Standorten unterschiedlich.
Drei Coworking Spaces wurden beispielsweise auch in Niederösterreich über das LEADER-Projekt „Coworking Eisenstraße“ eröffnet: Waidhofen an der Ybbs, Neubruck/Scheibbs und Wieselburg.
Die Projektmaßnahmen umfassten Informationsveranstaltungen zum Thema Coworking, eine sehr aufschlussreiche Motivforschung „Coworking Eisenstraße – Coworking am Land“ sowie Raumkonzepte für die spezifischen Coworking Spaces. Die Bilanz der zwei Standorte Coworking Neubruck und Coworking Waidhofen waren zum Projektende im Mai 2017 positiv.
Im Juni diesen Jahres wurde nun mit Wieselburg der dritte Standort eröffnet. Laut WKO ist der Coworking Space für mehr als 300 Einzel- und Kleinstunternehmen in der Umgebung interessant.
„Wir haben ein breites Netzwerk zu anderen Coworking Spaces in Niederösterreich, stehen im ständigen Austausch, um die Region weiterzuentwickeln. Wir freuen uns über die tatkräftige Unterstützung seitens der Gemeinde Wieselburg“, so Ing. Michael Lindner, Initiator des Coworking Spaces und mit seiner Firma qualityfox erster Mieter von drei Arbeitsplätzen.
Coworking Spaces haben sich in Städten als Anlaufstelle insbesondere für Einzel-Personen-Unternehmen, Startups und die Kreativwirtschaft etabliert. Anhand einiger erfolgreicher Bespiele haben wir aufgezeigt, wie durch Adaption des urbanen Coworking-Konzepts entsprechend der regionalen Besonderheiten die Attraktivität ländlicher Gemeinden als Arbeits- und Wohnort gesteigert werden kann.
Sofern das Potential groß genug ist, kann ein Coworking Space ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur unternehmerfreundlichen Region sein.
„Aus der Perspektive der Regional- und Tourismusentwicklung sind temporäre Konzepte wie Coworking interessant, da sie eine innovative Möglichkeit der Verbindung von Leerstand, Innenentwicklung und neuen Arbeitsformen sind und gleichzeitig Besucher und Gäste generieren sowie das Image einer Region verändern und entwickeln können.“
Professor Harald Pechlaner
Titelbild: Pinzhub – Krimmler Coworking Space
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