Aktiv durch die Corona-Krise: „Es geht auch online darum, als Händler zu denken“

07.04.2020
Wirtschaft

Auch wenn der Fachhandel bald wieder öffnen darf: Die Auflagen sind streng und mit Kundenanstürmen ist vorerst nicht zu rechnen. Auch nach dem Corona-Lockdown braucht der Handel das Web als zusätzlichen Verkaufskanal.

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Auch wenn der Fachhandel bald wieder öffnen darf: Die Auflagen sind streng und mit Kundenanstürmen ist vorerst wohl nicht zu rechnen. Auch nach dem Corona-Lockdown bzw. der Corona-Krise braucht der Handel das Web als zusätzlichen Verkaufskanal.

Markus Miklautsch, E-Commerce-Spezialist und KMU-Botschafter des Handelsverbandes, spricht über die Chancen für Händler, den Webshop als eigene Filiale, die Stärken von Amazon und die Tatsache, dass auch in der jetzigen Situation der Kunde König sein muss.

Aktiv durch die Corona-Krise: Tipps für Händler von Markus Miklautsch
Aktiv durch die Corona-Krise: Tipps für Händler von Markus Miklautsch (c) Studiohorst

Trotz Wiedereröffnung nach Ostern ist aufgrund rigider Auflagen wohl mit zurückhaltendem Kaufverhalten zu rechnen. Der Handel muss weiter im Web aktiv sein. Angenommen, ein Betrieb hat bereits einen Webshop. Was ist jetzt wichtig?

MARKUS MIKLAUTSCH: Der erste Schritt ist es, den Webshop aus Kundensicht unter die Lupe zu nehmen. Am besten man löst probeweise selbst eine Bestellung aus und versucht herauszufinden, wie sich der Kunde in diesem Shop bewegt. Das ist sehr aufschlussreich und zeigt, wo man nachschärfen kann.

Außerdem muss man genau hinterfragen: Wo sind jetzt meine Kunden? Es nützt nichts, wenn ich auf internationalen Plattformen vertreten bin, wenn meine Kunden dort nicht sind. Oder wenn auf einer Plattform ganz viele Produkte von meinem Sortiment zu finden sind.

Das ist als würde man ein Sandkorn in die Wüste werfen. Daher empfehle ich immer eine Customer Journey, um aus Kundensicht zu agieren.

Wie kann ein Händler auf seinen Webshop aufmerksam machen?

MIKLAUTSCH: Auch jetzt gilt: Wer nicht wirbt, der stirbt. Sichtbarkeit ist wichtig, jetzt muss man seine Social-Media-Kanäle und Google-Marketing dafür nutzen.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Modehaus Grüner in Klagenfurt mit www.gruener.at. Über gezieltes Online-Marketing werden dort Einheimische wie Touristen in das lokale Geschäft geholt.

Soll man bei den vielen regionalen Einkaufsplattformen, die derzeit entstehen, andocken?

MIKLAUTSCH: Grundsätzlich ja. Es ist immer gut, als Händler in Händlerverzeichnissen aufzuscheinen. Man will ja zum Beispiel auch im Herold stehen.

Aber: Viele dieser neuen Plattformen können nur die Firmen darstellen, nicht aber deren Produkte. Der Kunde allerdings sucht nun einmal nach Produkten.

Regionale Online-Marktplätze boomen derzeit. Auch hier gilt: Der Kunde sucht nach Produkten, nicht nach Firmen. (c) wohlfahrtzone.at

Was ist mit Amazon? Das gilt ja aktuell als Teufel in Plattformgestalt …

MIKLAUTSCH: Ja, derzeit überwiegt die Wahrnehmung: Es gibt regionale Not, also bestellt der Kunde möglicherweise mehr regional. Aber das entscheidet allein der Kunde.

Was viele nicht wissen: Der Marktplatz Amazon besteht schon heute aus über 50 Prozent externen Händlern. Und auf www.amazon.com gibt es nun mal einen wesentlichen Vorsprung, der lautet: „Ich finde das, was ich suche“.

Das bieten viele der regionalen Plattformen derzeit leider nicht. Ich persönlich bin schon gespannt auf die Nach-Coronazeit. Wie sich heuer das Weihnachtsgeschäft entwickelt, das wird sehr spannend.

Was könnte sich bis zum Spätherbst 2020 verändert haben?

MIKLAUTSCH: Der Mindset. Weil wir jetzt die Chance haben, uns neu aufzustellen und zu positionieren. Weil derzeit alle verstehen, dass es wichtig ist, auch online in der Region einzukaufen, da man dadurch heimische Arbeitsplätze sichert. Im Moment geht das gut hinein bei den Kunden.

Aber es muss sich nachhaltig in ihrem Einkaufsverhalten verankern. Ich selbst baue schon seit dem vergangenen Sommer an dem regionalen, produktorientierten E-Marktplatz www.kaufdaheim.at. Das ist nicht bloß ein Name für eine Plattform, das war immer als Botschaft „Ich kauf daheim in Österreich“ gedacht.

Auch andere Marktplätze sind teils gut gemacht, wie zum Beispiel www.niceshops.com aus der Steiermark, die über 30 Onlineshops selbst betreiben und direkt aus der Region international versenden.

Sie haben ein sechsmonatiges Coaching direkt von Amazon durchlaufen. Was war das wichtigste Learning für Sie?

MIKLAUTSCH: Im Endeffekt geht es immer um Eines: Als Händler zu denken. Händler waren ja schon immer Menschen, die ihren Kunden etwas Gutes getan haben. Das gilt seit jeher. Und um nichts anderes geht es auch auf Amazon.

Man lernt, wie man mit diesem Marktplatz als Händler umgeht. Also: Welche Daten bekomme ich, wofür kann ich sie gebrauchen? Wie kann ich sie optimieren, wie erreiche im meine Kunden am besten? Darüber muss sich sowieso jeder Gedanken machen, der einen Webshop hat.

Das klingt nach sehr viel zusätzlicher Arbeit für die Händler.

MIKLAUTSCH: Ja, ein Webshop ist tatsächlich eine eigene Filiale und so muss man ihn auch betreuen. Das kann man nicht an eine Agentur auslagern, die irgendwo sitzt und nichts vom Tagesgeschäft vor Ort mitbekommt. Nach der Corona-Phase werden da wohl neue Jobprofile entstehen müssen.

Dann wird es eben, ähnlich wie bei uns, auch die Mitarbeiterin sein, die drei Jahre vor ihrer Pensionierung steht und trotzdem Produkte in den Webshop einpflegen und mit den Kunden übers Web interagieren kann. Das Thema muss weg von dem Vorurteil, dass es nur Junge können und wollen.

Aktiv durch die Coronakrise: Viele Händler versenden ihre Ware oder bieten sogar ein Zustellservice an. (c) wohlfahrtzone.at

Was erwarten Kunden beim Online-Einkauf?

MIKLAUTSCH: Der Schüssel ist Einfachheit. Man muss dem Kunden den Bestellprozess so einfach wie möglich machen. Und man muss sehr bildlastig vorgehen beim Präsentieren des Angebotes.

Mit Produktfotos oder –videos, am besten auch mit Erklärfotos arbeiten. Kunden sind im Internet irrsinnig bildorientiert. Die Texte liest fast keiner, die sind eigentlich nur für Google wichtig.

Was ist mit Betrieben, die keinen E-Shop haben? Was können die jetzt tun?

MIKLAUTSCH: Jeder Händler verfügt in Wahrheit über viele Daten, die aufschlussreich sind. Man kann die eigenen Verkäufe anschauen und eruieren: Was verkauft sich gut, was ist auf Lager?

Von Produkten, von denen man viel auf Lager hat, kann man Fotos machen und in Social Media posten, also bewerben! Und dazuschreiben, dass man gegebenenfalls selbstverständlich zustellt – für all die Kunden, die auch nach der Öffnung Geschäftslokale weitgehend meiden werden.

Viele kleine Händler switchen nun auf kontaktlose Abholung und direkte Zustellung, wie zum Beispiel eine Tankstelle, die nun regionale Produkte an ihre Kunden ausliefert.

Und – worst case – wenn ein Händler bis jetzt auch keine Social Media-Kanäle aufgebaut hat?

MIKLAUTSCH: Selbst dann empfiehlt sich eine genaue Sortimentsanalyse, aus der man für seine Kunden ein Angebot entwickeln kann und ihm signalisieren kann: Ich bin da, mein Geschäft ist da, wenn du nicht vorbeikommen magst, ruf mich einfach an.

Man kann das ja auch abseits des Internet kommunizieren, etwa als Flugblatt oder als Schaltung in der Stadtzeitung. Natürlich kann man auch bei Verbänden wie dem Stadtmarketing nachfragen, ob die eine Idee haben. Das ist ja der verlängerte Marketingarm der Händler in Städten.

Aktiv durch die Coronakrise: Viele Händler versenden ihre Ware oder bieten sogar ein Zustellservice an. (c) wohlfahrtzone.at

Sie selbst handeln seit vielen Jahren online mit Beschlägen. Wie läuft das bei Ihnen?

MIKLAUTSCH: Wir verkaufen 82 Prozent direkt über unseren Webshop, den Rest über Amazon. Wir gehen nach Jahresplanungen vor und steuern unsere Angebote detailgenau aus.

Auch jetzt, in der Corona-Krise, verkaufen wir immer noch online. Anfangs brachen die Umsätze zwar um 80 Prozent ein, aber mittlerweile erholt sich die Lage wieder, das ist auch international zu bemerken.

Ein grundsätzlicher Tipp für alle Corona-leidgeprüften Händler?

MIKLAUTSCH: Derzeit gibt es viel Druck und zugleich ist diese Zeit eine Riesen-Chance für die Zukunft des Handels. Also: Einfach machen! Jetzt geht es für jeden Einzelnen darum, ins Tun zu kommen.

Fazit

Trotz Wiedereröffnung nach Ostern herrschen ungewöhnliche Zeiten für den Non-Food-Handel. Das Internet etabliert sich als zusätzlicher Verkaufskanal – und es bietet viele Möglichkeiten. Für Webshops gilt: Die Customer Journey so einfach wie möglich zu gestalten und vorrangig Bilder sprechen zu lassen.

Einen Eintrag auf großen Einkaufs-Plattformen danach auswählen, wie produktorientiert sie sind, weil der Kunde primär nach Produkten sucht und nicht nach Firmennamen. Jetzt ist aktives Marketing der Händler auf Social Media-Kanälen gefragt, zusätzliche Services wie kontaktlose Zustelldienste attraktivieren das Angebot.

Letzteres gilt auch für Händler, die bisher weder Handel noch Marketing über Internet betrieben. Selbst sie verfügen aktuell über genügend Daten (Kundenbedürfnisse, Jahresvergleiche, Lagersituation), um Angebote zu schnüren und über bewährte Werbemittel wie Inserate oder Flugblätter an die Kunden zu kommunizieren.

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ZUR PERSON

Markus Miklautsch (43) aus Klagenfurt ist Händler und Software-Entwickler. Seit 22 Jahren  verbindet er in seinen beiden Unternehmen www.stilmelange.at (Beschläge) und www.edvart.com den klassischen Handel mit der kreativen Softwareentwicklung und der strategischen Beratung.

Besondere Fachkompetenz im Bereich E-Commerce hat er durch ein internes Coachingprogramm von Amazon Deutschland erworben, zu dem er als eines von 23 Unternehmen (21 aus Deutschland / 2 aus Österreich) eingeladen wurde. Sechs Monate lang durchlief Miklautsch alle relevanten Themenbereiche, von Logistik bis Steuerrecht.

Zudem wurde er von Google Irland international gecoacht und 2016 als aktivster Growth Ambassador in Europa ausgezeichnet. Heute gibt er sein Wissen im E-Commerce-Bereich in Form von Beratungen und Coachings an Unternehmen weiter.

Miklautsch ist außerdem seit Feber 2020 KMU-Retail Botschafter des Handelsverbands Österreich (www.retail.at). In dieser Funktion knüpft er am Netzwerk und an der Sichtbarkeit der kleinen Händler im Verband.

Details: www.edvart.com/markus-miklautsch

Titelbild (c) wohlfahrtzone.at

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