Bürgerbeteiligung: 6 Fehler, die Sie vermeiden sollten

08.01.2019
Gesellschaft

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Bürgerbeteiligung liegt im Trend. Besonders auf kommunaler Ebene arbeitet man immer häufiger mit direkter Demokratie. Welche Stolperfallen Sie bei Partizipationsprozessen vermeiden sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

1. Bürger werden zu spät einbezogen

Sie möchten z.B. einen Kreisverkehr, eine Ampelanlage oder Unterführung bauen? Erfahrungsgemäß wird es bei solchen Projekten immer Bürger geben, die dagegen Einwände haben. Sie können sich also aussuchen, ob Sie schon im Vorfeld des Projektes Geld für einen partizipativen Beteiligungsprozess in die Hand nehmen oder ob Sie warten bis sich eine Bürgerinitiative bildet. Die damit verbundene Aufklärungsarbeit kostet dann genauso viel Geld und Aufwand.

 

Eine Bürgerbeteiligung so früh als möglich im Vorfeld eines Projektes ist allerdings aus mehreren Gründen vorzuziehen:

  • Aktive Prozessgestaltung: Je früher Sie Bürger beteiligen, desto ruhiger und sachlicher geht es in der Regel im Partizipationsprozess zu. Bürger und Organisationen, die sich in frühen Planungsphasen engagieren, können potenzielle Reibungspunkte aufzeigen und durch ihre Beteiligung Konflikte präventiv vermeiden.
    Sie selbst agieren zudem aus einer offensiven Position heraus und können den partizipativen Prozess gestalten. Wenn Sie warten, bis Beschwerden kommen und sich bei Bürgern vielleicht schon Unmut angesammelt hat, müssen Sie aus der (engen) Defensive reagieren.
  • Größerer Gestaltungsspielraum: Je konkreter die Planung schon ist, desto enger ist der Gestaltungsspielraum. Wenn Sie als ersten Partizipationsschritt den Bürgern einen Planentwurf zur Kommentierung vorlegen, werden Sie vor allem von jenen Feedback erhalten, die dagegen sind.
    Damit wird es schwierig, alle Interessen ausgewogen im Sinne des Gemeinwohls zu diskutieren. Eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Bürger stellt sicher, dass man die vorhandenen Gestaltungsspielräume optimal nutzt.
  • Rechtzeitige Weichenstellung: Liegt ein Planentwurf bereits auf dem Tisch und das Thema ist aufgeheizt oder ein Konflikt eskaliert, dann sind meist schon viele Entscheidungen gefallen, die nur mehr schwierig zu revidieren sind.
    Für eine wirkungsvolle Beteiligung ist es dann oft zu spät oder es wird zu aufwendig. Werden Bürger frühzeitig einbezogen, dann können wesentliche Weichen noch gestellt werden. Neben der Frage nach dem „wie“ gehört hierzu auch die Frage, „ob“ ein Vorhaben überhaupt umgesetzt werden soll.

 

Aus den genannten Gründen ist es sinnvoll, vorausschauend und aktiv auf die Bürger zuzugehen. Sie können dann mit konstruktiven Kräften kooperieren und als Moderator das Zepter in Hinblick auf die Gestaltung und Lenkung des Prozesses selbst in die Hand nehmen – anstatt auf Bürgerinitiativen, Petitionen oder Social Media-Aktivitäten von Gegnern des Projektes zu reagieren.

 

2. Bürgerbeteiligung läuft nur in eine Richtung

Ein zentraler Stolperstein bei der Entscheidungsfindung ist laut einer Studie des Austrian Institute of Technology (AIT), dass Bürgerpartizipation von den politisch Verantwortlichen missinterpretiert wird. Der Prozess läuft dabei in der Regel nur in eine Richtung und hat lediglich das Ziel, die Akzeptanz für die bereits festgelegten Pläne zu erhalten.

Für die Akzeptanz eines Projektes durch die Bevölkerung reicht die bloße „Inszenierung“ eines Beteiligungsprozesses in Form von reinen Informationsveranstaltungen jedoch – wie in der Studie aufgezeigt – in der Regel nicht aus.

 

3. Ressourceneinsatz für Bürgerbeteiligung wird unterschätzt

Eine wichtige Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Beteiligungsprozesses ist die Bereitstellung und Sicherung ausreichender finanzieller, materieller und personeller Ressourcen sowie klare Rahmenvorgaben für deren Verwendung. Sie sollten daher von Anfang an ein entsprechendes Budget einkalkulieren, wenn Sie Bürgerbeteiligung aktiv und mit einem für alle Beteiligten zufriedenstellenden Ergebnis umsetzen möchten.

In der Praxis wird insbesondere der finanzielle Bedarf oft zu niedrig angesetzt. Es wird ein Partizipationsprozess ins Leben gerufen, der bei den Bürgern entsprechende Erwartungen weckt. Bürger engagieren sich und wenn der Prozess aufgrund fehlender Mittel nicht durchgezogen werden kann, sind enttäuschte Erwartungshaltungen die Folge. Damit stiftet man mehr Unmut als Zufriedenheit bei den Bürgern.

Es ist daher empfehlenswert, im Vorhinein die Kosten eines Bürgerbeteiligungsverfahrens zu kalkulieren und entsprechend zu budgetieren. Wie viel ein Beteiligungsverfahren kostet, lässt sich nicht pauschal beantworten.

 

Grundsätzlich kann man als grobe Orientierung von bis zu 5 Prozent des Investitionsvolumens ausgehen, wobei die Kosten von verschiedenen individuellen Rahmenbedingungen abhängen:

  • Welche Ressourcen stehen zur Verfügung (kostengünstige eigene Ressourcen, Zukauf von externen Ressourcen)?
  • Welches Ziel verfolgt man mit der Beteiligung (Aushandlung von Nutzungskonflikten, Entwicklung kreativer Gestaltungsvorschläge)?
  • Welche Akteure bindet man ein (Verwaltungsabteilungen, Akteure vor Ort)?
  • Welchen Umfang soll es haben (Komplexität und Vielfalt der zu bearbeitenden Fragestellungen)?
  • Welche Zielgruppen sollen erreicht werden (Querschnitt, spezifische Gruppen wie Kinder, Jugendliche, Senioren oder Geschäftsleute; gezielte Ansprache und Öffentlichkeitsarbeit)?
  • Welche Methoden wählt man (Befragung, Workshop, Round Table, etc.)?
  • Wie lange ist die Dauer des Verfahrens?

 

Beteiligung kostet somit nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Engagement bei allen Beteiligten. Je nach Beteiligungsverfahren entstehen Kosten für Beratungsleistungen und Gutachten, externe Moderation, zusätzliches Personal, Aufwandentschädigungen und Öffentlichkeitsarbeit.

Aber auch Kosten für Workshops, Veranstaltungsräume, notwendige Technik und Catering – um nur einige aufzuführen. Zusätzlich entstehen indirekte Kosten, die sich vor allem in der Arbeitszeit und Arbeitskraft aller Beteiligten bemessen.

 

4. Fehlende Transparenz und Aufklärung

Bürgerbeteiligung ist in Österreich ein recht junges Instrument. Bürger verwechseln daher oft Engagement und Ideen abliefern mit Partizipation und dann die Entscheidung treffen. Als Folge davon entsteht Enttäuschung, wenn Ideen im Entscheidungsprozess nicht einfließen. Eine entsprechende Aufklärung, was Partizipation ist und was nicht, kann dieses Missverständnis im Vorfeld ausräumen.

 

Wichtige Erfolgsbedingungen für Partizipationsverfahren sind somit:

  • Klare Partizipationsbedingungen: Dazu gehören klare Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen. Z.B. Gegenstand der Beteiligung, Gestaltungsspielräume, Zeitplan mit klar definiertem Anfang und Ende, Arbeitsweise und Aufgaben- bzw. Verantwortungsverteilung, Moderation, die verfügbaren Ressourcen sowie (planungs-)rechtliche Grundlagen.Idealerweise werden diejenigen Rahmenbedingungen, die gestaltbar sind, am Anfang des Prozesses zwischen den beteiligten Akteuren ausgehandelt. Der Zeitrahmen orientiert sich sinnvollerweise an den entscheidungsrelevanten Zeitfenstern – beispielsweise an den politischen Entscheidungsprozessen oder Genehmigungsverfahren.
  • Offene Kommunikation: Die Rahmenbedingungen der Beteiligung muss man im Vorfeld offen und transparent kommunizieren, um zu verhindern, dass sich Akteure unter falschen Voraussetzungen an dem Verfahren beteiligen, Missverständnisse entstehen und man Erwartungen enttäuscht.
  • Transparente Entscheidungsfindung: Die Abwägung der Gemeinwohlinteressen und der Interessen einzelner Gruppen ist kontinuierlicher Bestandteil von Beteiligungsprozessen.
    Es sollte daher transparent und nachvollziehbar öffentlich erläutert werden, wie diese Abwägungsprozesse die Entscheidungsfindung bestimmt haben. Bürger, die Ideen eingebracht haben, können damit besser nachvollziehen, warum man ihre Idee nicht berücksichtigt.

 

Wenn Sie Bürger zur Beteiligung einladen, sollten Sie daher klar kommunizieren: Wer (welche Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung) was von den Bürgern erfahren will, was mit den Beiträgen der Bürger passiert, in welche Planungen beziehungsweise Entscheidungen die Beiträge einfließen und wann und wie die Bürger Rückmeldung zur Berücksichtigung ihrer Beiträge bekommen.

 

5. Alle müssen ins Boot

Partizipation fand in den letzten Jahren zunehmend Eingang in das Stadtmarketing. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinde zu stärken, versucht man etwa bei Kaufleuten oder Gastronomie- und Tourismusbetrieben Partizipation im erweiterten Sinne zu erreichen.

Plant man z.B. eine Veranstaltung oder einheitliche Öffnungszeiten, möchte man möglichst alle in das Konzept einbeziehen – man soll alle ins Boot holen und an einem Strang ziehen.

Es handelt sich dabei allerdings um einen sehr umfassenden Ansatz, der nicht immer zielführend sein muss. Denn gute Veranstaltungskonzepte entstehen oftmals nicht durch Partizipation, sondern weil jemand eine gute Idee hat, diese durchsetzt und dann das Engagement anderer dafür gewinnt.

 

Auch ist es eine Realität, dass in vielen Kommunen ein Teil des Handels und der Gastronomie die Zeichen der Zeit verkennt und Trends verschläft, die in den kommenden Jahren enorme Herausforderungen mit sich bringen. Wenn man dann weiterhin versucht, alle in ein Boot zu bringen, dann besteht die Gefahr, dass man insgesamt scheitert.

Es gilt daher zu hinterfragen, inwieweit Partizipation im Wirtschaftsbereich sinnvoll ist. Einige Gemeinden rücken bereits vom „Alle müssen ins Boot“- Ansatz ab und setzen aus oben genannten Gründen wieder verstärkt auf Förderprogramme und die enge Zusammenarbeit mit den engagiertesten Kaufleuten und Gastronomen.

 

6. Digitale Medien werden noch zu wenig genutzt

Man kann heute keinen Baum in der Gemeinde mehr umholzen – sei er noch so morsch, ohne dass ein Bürger dazu auf Facebook postet. Digitale Medien sind ein Thema unserer Zeit, mit dem sich Gemeinden bei ihrer täglichen Arbeit immer mehr auseinandersetzen müssen. Was aber hat das mit Bürgerbeteiligung zu tun?

Die sozialen Medien tragen den Gedanken einer starken Bürgergesellschaft bereits in sich. Denn Bürger, die über Facebook & Co. ihre Meinung kundtun oder Ideen einbringen, verstehen ihr Handeln als Partizipation. Die sozialen Medien gewinnen damit eine zunehmend wichtige Rolle im Sinne einer indirekten Bürgerbeteiligung. Die Frage ist, wie geht man damit um, wie kanalisiert und lenkt man solche Aktivitäten.

 

Ein sinnvoller Weg ist proaktives Agieren statt Reagieren. So kann man Maßnahmen wie z.B. das Umholzen eines Baumes einige Tage im Vorhinein auf Facebook ankündigen und die Gründe dafür erläutern. Damit wird etwaiger Kritik bereits im Vorfeld viel Wind aus den Segeln genommen.

Eine andere Möglichkeit sind digitale Bürgerbeteiligungsplattformen, wie sie bereits in Villach, Klagenfurt und Grafenstein umgesetzt wurden.

 

Du Bist Gemeinde!“ lautet der Name der digitalen Lösung für kommunale Bürgerbeteiligung auf drei Ebenen:

  • Ideen: Im Modul „Ideenfinder“ können User der Gemeinde eigene Ideen vorstellen, sogar der Öffentlichkeit präsentieren und um Unterstützung dafür werben.
  • Meinung: Das Modul „Meinungsmacher“ dient dazu, Umfragen oder Meinungsabfragen in Zukunft schnell und effektiv möglich zu machen. Bürger beantworten Fragen und geben Feedback auf zwischenzeitliche Entwürfe zu Projekten.
  • Verbesserungen: Mit der integrierten „Mängelmelder-App“ kann ein Bürger ohne großen Aufwand direkt vor Ort ein Foto von einem Mangel in der Gemeinde aufnehmen, eine Beschreibung hinzufügen und durch die punktgenaue geographische Ortung zur Behebung beitragen.

 

Digitale Medien bieten somit nicht nur die Möglichkeit zur Information über aktuelle Themen, sondern auch zur aktiven Steuerung und Lenkung von kommunalen Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen.

 

Fazit: Bürgerbeteiligung

Das Instrument der Bürgerbeteiligung ist komplex und in Österreich noch nicht allzu lange im Einsatz. Gute Bürgerbeteiligung lernt jedoch aus Erfahrung und entwickelt sich stetig weiter.

Wesentliche Kriterien für gelungene Bürgerpartizipation sind vor allem ein ausreichend hohes Budget, der richtige Zeitpunkt der Durchführung, Transparenz und Aufklärung, die proaktive Einbeziehung digitaler Medien sowie ein fundierter Bürgerbeteiligungsprozess, der keine Feigenblatt-Aktion darstellt.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie in unseren Beiträgen Best-Practice Bürgerpartizipation, Partizipative Stadtentwicklung und Partizipation im Grätzel

 

Titelbild: geralt via pixabay, CC0

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