Die 5 wichtigsten Kriterien funktionierender Jugendarbeit
25.04.2017
Gesellschaft
25.04.2017
Gesellschaft
Jugendarbeit wird in vielen Gemeinden stiefmütterlich behandelt. Es fehlt ein klares Konzept und oft auch der Rang auf der Prioritätenliste. Warum Sie sich jetzt für den Nachwuchs in Ihrer Stadt stark machen sollten – und wie Sie dabei vorgehen können.
In den meisten Städten/Gemeinden wird Jugendarbeit vernachlässigt. Der Fokus der Aufmerksamkeit liegt auf den Betrieben und den Menschen, die in ihnen arbeiten. Sie bringen schließlich jetzt die unmittelbare Kaufkraft und sind die vollmündigen BürgerInnen, die in der Stadt leben.
Was oft vergessen wird: Jugendliche sind die Erwachsenen von morgen – und ihr Einfluss auf die Identitätsbildung der Stadt/Gemeinde ist schon jetzt größer, als so mancher denkt.
Wenn Sie die gute Entscheidung dafür treffen, den Jugendlichen in Ihrem Ort Gehör zu verschaffen, können folgende Kriterien für funktionierende Jugendarbeit hilfreich sein:
Jugendliche bewegen sich in einer Stadt/Gemeinde irgendwo zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Im öffentlichen Raum haben sie aber meistens keinen Platz. Sie zeigen auf die Verdrängung aus öffentlichen Räumen unterschiedliche Reaktionen, schreiben Raimund Kemper und Christian Reutlinger in ihrem Buch „Umkämpfter öffentlicher Raum Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit“: „Es gibt Jugendliche, die sich in den veränderten Rahmenbedingungen anpassen und die als Ersatz angebotenen jugendspezifischen Raumangebote wie Jugendtreffs nutzen.“
Jedoch nicht alle Jugendliche spricht das Angebot an. Denn in Jugendtreffs sind Jugendliche in gewisser Form wieder isoliert und nicht in den öffentlichen Raum integriert. Und darauf reagieren andere Jugendliche mit Protest: Sie antworten mit Vandalismus wie Sprayereien und Zerstörungen und mit Gewalt oder anderem konfliktprovozierenden Handlungen. „Es sind Reaktionen auf eine bereits von Erwachsenen vorstrukturierte räumliche Umwelt.“
Die Autoren interpretieren darin den Versuch, „das Unerwünscht-Sein an bestimmten Orten mit einem gewissen Stolz provozierend zu Schau zu stellen.“
Auch wenn es sich dabei nur um einen Ausdruck der Resignation, Gleichgültigkeit und Perspektivenlosigkeit oder der Langeweile aufgrund fehlender alternativer Betätigungen handelt, werden diese Jugendlichen durch diese Art der Rebellion – zumindest temporär – sichtbar. Und zwar auf Spielplätzen, Tankstellen, in Parks oder auf Parkplätzen. Doch das ist nicht das Ziel funktionierender Jugendarbeit.
Das können Sie tun: Geben Sie den Jugendlichen den Platz in Ihrer Stadt, den sie sich wünschen, und machen Sie die jungen Menschen als erwünschte Menschen mit eigenen Bedürfnissen sichtbar.
Der Verein Jugend macht Stadt – Stadtoasen macht in Bayern genau das. Ungenutzte Resträume, Stadtbrachen und städtebauliche Entwicklungsflächen werden zu einer „Stadtoase“ für die Jugendlichen umfunktioniert. Und zwar – in Zusammenarbeit mit Profis – von den Jugendlichen selbst.
Das ist einerseits eine Chance für die Stadtentwicklung, andererseits für die Jugendlichen, die durch Partizipation als „StadtmacherInnen“ wirksam werden können. Denn auch Projektleiter Dipl.-Ing. Jan Weber-Ebnet weiß, warum das so wichtig ist: „In vielen Städten und Gemeinden gibt es für Jugendliche zu wenig beziehungsweise keine geeigneten Freiräume.
Fehlende öffentliche Grünflächen, knappe finanzielle Ressourcen, komplexe und langwierige Planungsvorläufe sowie unzureichende Strukturen bürgerschaftlichen Engagements lassen oftmals wenig Spielraum für eine aktive gesellschaftliche Teilhabe.“
Hier setzen die Stadtoasen an. „Diese werden aber nur dann ein Erfolg, wenn diese an den Interessen und Leidenschaften der jungen Menschen anknüpfen und ihnen ein lohnendes Ziel für ihr Engagement in Aussicht stellen“, gibt Projektleiter Dipl.-Ing. Jan Weber-Ebnet zu denken.
„Stadtoasen sind eine Strategie, mit der Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene selbst in die Lage versetzt werden, mit niederschwelliger fachlicher Hilfestellung, unterstützenden Strukturen in der Verwaltung und einem eigenen Budget ihre Aktionsräume selbst zu gestalten und zu inszenieren.“
Seit 2008 konnten auf diese Weise zahlreiche Projekte in verschiedenen deutschen Städten umgesetzt werden.
Dabei haben sich folgende Anknüpfungspunkte als wirkungsvoll erwiesen: Treffen und Chillen; kulturelle Events mit Kino, Musik, Tanz und Kunst; Gastronomie; Sport und Spiel; Gärtnern und Natur erleben sowie Generationen übergreifende Projekte.
Mit diesem Beispiel ist auch schon eines der wichtigsten Kriterien vorweggenommen: die Partizipation. Durch die oben beschriebene Verdrängung aus öffentlichen Räumen treten die JugendarbeiterInnen in der Praxis oft als VermittlerInnen zwischen der Stadtverwaltung und den Jugendlichen auf. Das kann so weit gehen, dass sie die Rolle der „Anwälte“ für die jungen Menschen und deren Interessen einnehmen.
Partizipation aber ist etwas anderes. Sie holt die Jugendlichen aktiv ins Boot und nimmt sie als volle GesprächspartnerInnen ernst und wichtig. Und zwar am direkten Weg.
So werden PlanerInnen und ArchitektInnen mit der Gestaltung von Räumen für Jugendliche beauftragt. Für die Umsetzung werden Planungswerkstätten und gemeinsame Workshops mit Jugendlichen veranstaltet, in denen es plötzlich wichtig ist, was sich die Jugendlichen wirklich wünschen.
Dabei sollte es nicht bei Alibihandlungen bleiben in Sinne von „Wir tun ja eh was für die Jugendlichen!“ Um die Beteiligung von Jugendlichen zum nachhaltigen Erfolg zu machen, sollten diese als kompetente Partner in der Planung ihren festen Platz bekommen.
In der Stadt Graz oder auch in Mank zum Beispiel wurde als zertifizierte familienfreundliche Gemeinde bereits ein Kinderparlament und ein eigener Jugendgemeinderat ins Leben gerufen, um den jungen BürgerInnen eine fixe Stimme zu geben.
Da können Sie tun: Führen Sie sich vor Augen, dass Jugendliche eigene Bedürfnisse und Ansprüche an ihre Stadt haben, und dass sie gesehen und gehört werden wollen. Hören Sie sich diese Bedürfnisse an. Und zwar direkt. Nicht (nur) über Dritte, die eine Vermittlerrolle einnehmen. Sprechen Sie auf Augenhöhe mit den jungen BürgerInnen Ihrer Stadt.
Das Projekt teens_open_space bringt GemeindevertreterInnen, Jugendliche, Jugendorganisationen und PlanerInnen an einen Tisch und bildet so ein nachhaltiges Netz im Interesse der Jugendlichen. Das Projekt versucht außerdem, ein beispielhaftes Verfahren für jugendpartizipatorische Freiraumplanung zu entwickeln, das auf andere Gemeinden und Organisationen übertragbar ist.
Dieser Beteiligungsprozess wurde bereits in mehreren österreichischen Städten durchgeführt – zum Beispiel in Wien, Linz, Graz, Bruck an der Mur oder in Steyr.
In Graz zum Beispiel hatten Jugendliche die Gelegenheit, im Rahmen von Begehungen ihre Aufenthaltsorte zu diskutieren. Sie wählten aus der Fülle von genannten und besichtigten „Lieblings- und Gruselorten“ vier Orte aus, die im Juni in Form von Planungswerkstätten nach ihren Ansprüchen und Ideen umgestaltet werden konnten und einem großen Publikum präsentiert wurden.
Darüber hinaus wurde in Graz ein Selbstverteidigungskurs für Mädchen angeboten, der die selbstbestimmte Freiraumnutzung für die Teilnehmerinnen erleichtern bzw. ermöglichen sollte um damit Räume für Jugendliche/Mädchen zu öffnen.
Jugendarbeit bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen der Identität der Jugendlichen und der Erwachsenen. Eine der größten Herausforderungen ist es, in gewisser Weise „die Sprache der Jugendlichen zu sprechen“ und sie dort abzuholen, wo sie stehen. Heranwachsende Menschen wollen sich verstanden fühlen. Sie wollen sich entfalten können und dürfen, wobei Erwachsene durchaus den Rahmen vorgeben sollen.
Die meisten jungen Menschen heute sind „Digital Natives“ – sie sind mit Internet, Handy und sozialen Medien aufgewachsen und bewegen sich tagtäglich darin. Für viele Erwachsene ist diese neue Form der Kommunikation (die an sich ja gar nicht mehr so neu ist) immer noch ein weißer Fleck.
Das können Sie tun: Um bei jungen Menschen von heute anzudocken, muss man in eine Beziehung mit ihnen treten. Finden Sie Formen, wie Sie den Austausch mit den jungen Menschen pflegen können, um sie besser zu verstehen.
Junge Menschen zwischen 12 und 19 Jahren sind sehr mit sich selbst beschäftigt. Bei ihnen dreht sich alles darum, ihren Platz in der Welt und in dieser Gesellschaft zu finden. Wenn sie keine Perspektiven haben, geht es ihnen schlecht und die Gefahr „abzurutschen“ ist groß.
Doch die Wahrheit ist: Für diese Perspektiven sind großteils die Erwachsenen verantwortlich. Und es sind nicht immer nur die Eltern.
Entwicklungsmöglichkeiten, Inspiration für Kreativität und Bildungseinrichtungen, die Chancen am Arbeitsmarkt eröffnen, sind ein wichtiger Schlüssel für selbstbewusste und aktive Jugendliche. Oft mangelt es aber genau an diesen wichtigen Rahmenbedingungen, die Menschen eine gesunde Entwicklung ermöglichen.
Das können Sie tun: Schaffen Sie ein umfassendes Angebot, das jungen Menschen Perspektiven auf unterschiedliche Art und Weise eröffnet. Fördern Sie die Qualität und das Angebot für Berufsberatung und der Bildungseinrichtungen in Ihrer Region.
Bringen Sie neue Inspiration in Ihren Ort – zum Beispiel mit innovativen Workshops oder Seminaren, die Jugendliche wirklich interessieren und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung darstellen. Fragen Sie die Jugendlichen, was sie interessiert.
Im Herbst 2015 wurde im Innsbrucker Rapoldipark die Kunst- und Architekturschule „Bilding“ eröffnet. Das Angebot richtet sich ausschließlich an junge Menschen im Alter zwischen vier und 19 Jahren. Jahreskurse sollen den Kindern und Jugendlichen die bildenden und visuellen Künste näher bringen und sie dabei unterstützen, ihre Kreativität zu entdecken und zu entfalten.
Gebaut und entworfen wurde „Bilding“ von StudentInnen des „./studio3“, einem Institut für experimentelle Architektur der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
Das Konzept ist ein Erfolg: Etwa die Hälfte der aktuellen Kurse ist ausgebucht oder mit einer Warteliste versehen.
Arno Ritter, Leiter des „aut. architektur und tirol“ resümierte bei der Eröffnung, dass der Rapoldipark vom einstigen „Unort zu einem Möglichkeitsraum geworden“ sei.
Es wurde also eine win-win-Situation für die Stadt und deren Jugendliche geschaffen.
In der Praxis ortet Marije Moors vom Ortsmarketing St. Johann in Tirol wie in vielen anderen Städten und Gemeinden auch ein Koordinationsproblem. „Jugendarbeit hat im Stadtmarketing noch nicht den Stellenwert, den sie haben sollte. Die Vernetzung fehlt.“ Denn möchte man ein Projekt in Kooperation mit einer Schule umsetzen, müsse dieses auch bei der Schule in das Gesamtgeschehen passen.
Hilfreich wäre hier eine zentrale Anlaufstelle für Projekte und Ideen mit Jugendlichen, die zum Beispiel auch in Form einer Webplattform oder eines Online-Forums umgesetzt werden kann. Wichtig ist, dass alle Stellen in der Stadt/Gemeinde über die Vernetzungsplattform Bescheid wissen und dass die Ansprechpersonen mit ihren Kontaktdaten schnell ersichtlich sind. „Wenn man die Aufmerksamkeit auf diese Zielgruppe legt, lassen sich bestimmt viele tolle Projekte umsetzen, die den jungen Menschen und der Stadt nützlich sind“, sagt Moors.
Fotocredit Titelbild: Fotolia
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